Bis kurz vor ihrem Tod berichtet Adelheid Duvanel der befreundeten Autorin Maja Beutler fast in Echtzeit aus ihrem Leben, monatlich, manchmal täglich. Parallel dazu ihre Korrespondenz mit dem Lektor Klaus Siblewski, der sie bis an ihr Lebensende begleitet, in Krisen zum Weiterschreiben ermuntert, ihr hilft, Werkbeiträge und Stipendien zu erhalten. Lakonisch bis selbstironisch, manchmal aber auch verzweifelt erzählt Adelheid Duvanel aus ihrem schwierigen Alltag, von den Aufenthalten in der Klinik, von der desaströsen Beziehung mit ihrem Mann Joe, von der Drogensucht und Aidserkrankung der Tochter. Aber auch vom Schreiben und Lesen handeln die Briefe, der Figurenkreis der Erzählungen taucht auf, manche Szenen sind sogar wörtlich in die Texte eingegangen. «Nah bei Dir» ist eine Art Tagebuch in Briefform, ein nüchternes Protokoll über ein schweres, unerträgliches Leben und das erschütternde Selbstporträt einer Autorin, die den widrigsten Umständen lange standhält und ihnen grosse Kunst abringt. «Die Erzählungen dieser außerordentlichen Dichterin einer schwarzen Anthropologie erhalten mit diesem erschütternden Briefband eine Fortsetzung: Sie sind von nun ab Teil des Werks einer immer noch und immer wieder zu entdeckenden herausragenden Schriftstellerin.» Michael Krüger
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Nicht aufgeben, ermuntert Rezensentin Gisa Funck angesichts dieser zwar nicht "angenehmen", aber "wichtigen und lohnenden" Lektüre. Funck ist sich der schweren (und im Nachhinein, wie die Rezensentin selbst wissen lässt, lastenden) Aufgabe bewusst, die man auf sich nimmt, wenn man diesen Band zur Hand nimmt. Umso schwieriger, eine übermenschliche Anstrengung, muss es gewesen sein, diese Zeilen niederzuschreiben, mit den Erfahrungen, die Adelhaid Duvanel durchmachen musste, versucht sich Funck vorzustellen. Fast an jeder Stelle stockt der Rezensentin der Atem: Duvanel berichtet in Briefen an ihre Schriftstellerfreundin Maja Beutler und ihren Lektor Klaus Siblewski von der traumatischen Beziehung zu ihrem egozentrischen und gewalttätigen Ehemann und ihrer heroinsüchtigen, an HIV erkrankten Tochter, um die sie sich kümmern muss. Dahinter steht die verzweifelte Duvanel, die in ihrer Jugend wegen vermeintlicher Schizophrenie vorteilhaft behandelt wurde und sich als Erwachsene zu einer liebesbedürftigen und geltungssüchtigen Frau entwickelt hat, die sich nicht von ihrem Mann und ihrer Tochter trennen kann, was sowohl sie als auch indirekt Beutler, an die sich Duvanel klammert, belastet, wie Fink aus den Briefen herauslesen kann. Ein tragisches Schicksal, das sich hier selbst gekonnt in Worte gießt, notiert Rezensentin Finck, fasziniert und erschüttert zugleich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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