Die Zeiten hatten sich verschlechtert, und die Front der Ablehnung zwischen der schwarzen Bevölkerung und der weißen Besatzungsmacht hatte sich verhärtet. Jeden Tag gab es Tote und Verletzte, und ihre Zahl nahm weiter zu. Die Koevoet - was 'Brecheisen' bedeutet - walzte die Krale platt, wenn der Verdacht bestand, dass sich ein SWAPO-Kämpfer dort versteckt hielt, beziehungsweise versteckt halten könnte. Die Jugend machte es nicht mehr mit, dass Menschen mit der schwarzen Haut weniger wert sein sollten als jene mit der weißen Haut. Viele junge Menschen verließen das Land, um aktiv am Befreiungskampf teilzunehmen. Sie bildeten die Schicksalsgemeinschaft, die enger und stärker war als in der Schule durch die Unbedingtheit der Disziplin und des gegenseitigen Vertrauens. Brot und Wasser wurden wie alles andere geteilt, und die Kameradschaft der gegenseitigen Hilfe wurde als unabdingbar vorausgesetzt. Die Erkenntnis kam, dass aus einer solchen Gemeinschaft die unbezwingbare Kraft erwächst, mit der das Ziel der Befreiung zu erreichen war. Es war eine lange Fahrt in den hohen Norden Namibias unweit der angolanischen Grenze. Die Sonne hatte den Teer der Straßendecke weichgebrannt, sodass die Reifen den monotonen Klebeton über hunderte von Kilometern summten. Nach zweihundertfünfzig Kilometern gab es in Otjiwarongo eine kurze Pause. Schweißgebadet ging ich in den Supermarkt an der Straße und kaufte eine Flasche Mineralwasser, die ich aus dem Kühlschrank nahm und in wenigen Zügen leerte. Beim Betasten der Reifen verbrannte ich mir die rechte Hand, an dessen Fingern der heiße Teer kleben blieb. Auf der Fahrt in den Norden stellte ich mir die Frage, ob ich den gewaltigen Anforderungen unter den völlig neuen klimatischen Bedingungen überhaupt gewachsen bin. Und das um so mehr, als es galt, die Chirurgie und Traumatologie an einer unübersehbaren Zahl von Patienten und Verletzten zu betreiben. Das Hospital lag im Kriegsgebiet, wo die Granaten krachten und unter miserablen Bedingungen Höchstleistungen gefordert waren, denen sich kein Arzt entziehen konnte. Brücken und Straßen wurden gesprengt und mit ihnen Kinder und Erwachsene weggesprengt. Dabei wurden unschuldige Leben in erschreckend großer Zahl in der Luft zerrissen. Hinzu kamen die vielen Verletzungen durch Tretminen. So beherrschte die unsägliche Not das Riesenmaß der zu erbringenden Leistung. Darüberhinaus und zu allem Überdruss gab es den 'Leutnant des Teufels', der als Arzt intrigierte, der weniger die Patienten als vielmehr sich selbst und seinen Vorteil im Schilde führte. Und wenn die Betroffenen es merkten, dann standen sie meist vor der vollendeten Tatsache, dass dieser Teufel als Arzt ihnen gegenüber gewisse Vorrechte für sich in Anspruch nahm. Diese Machenschaften liefen ab, als draußen der Krieg eskalierte, alles drunter und drüber ging und die Menschen um ihr Leben bangten. Es fand eine Unterredung beim ärztlichen Direktor statt, der in der Uniform des Colonels das Verhör im Zusammenhang mit dem Todesfall eines vierzehnjährigen Jungen nach einem Schädelhirntrauma führte. Den hatte der 'Leutnant des Teufels' lange unbehandelt auf der Trage liegen lassen, um seinen Tee fertig zu trinken. Da raffte sich der Colonel doch auf und ließ sich die Wahrheit sagen, worauf er den jungen Leutnantsteufel mit der Arzteinbildung zur Rede stellte und ihn schließlich ermahnte. Wie das Leben und die Arbeit am Hospital nach der Unabhängigkeit weiterging, darüber wird im Band 2 berichtet.
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