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Peter Walkenhorst examines the systems and the political practice of radical nationalism in the Wilhelmian Empire. Nationalism propagated by societies like the Alldeutschen Society, Ostmarken and Flotten Society since the 1890s showed a new phenomena and played a crucial roled in the development of nationalism in Germany. Central to this work are the semantic and discursive frameworks that were typical for radical nationalism and the interaction between world views of radical nationalists and their specific political actions.

Produktbeschreibung
Peter Walkenhorst examines the systems and the political practice of radical nationalism in the Wilhelmian Empire. Nationalism propagated by societies like the Alldeutschen Society, Ostmarken and Flotten Society since the 1890s showed a new phenomena and played a crucial roled in the development of nationalism in Germany. Central to this work are the semantic and discursive frameworks that were typical for radical nationalism and the interaction between world views of radical nationalists and their specific political actions.

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Autorenporträt
Dr. Peter Walkenhorst ist Projektleiter in der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2008

Großes Maul und großer Raum
Der radikale Nationalismus im wilhelminischen Deutschland als "andere Moderne"

Der Nationalismus, so befand einst Robert Musil, sei im Grunde nichts weiter als ein "besondrer Fall der forcierten Glaubenssehnsucht". Wer dieses Diktum ernst nimmt - und die europäische Geschichte der letzten zweihundert Jahre spricht dafür, es außerordentlich ernst zu nehmen -, wird von der Erforschung des Nationalismus immer auch Aufschluss über den Glauben und die Sehnsüchte einer Gesellschaft erwarten. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die deutschen Verhältnisse, in denen die Idee der Nation bekanntlich ein besonders wechselhaftes Schicksal genommen hat. Der Wehler-Schüler Peter Walkenhorst tritt nun an, eine besonders wirkmächtige Variante dieser Idee, den radikalen Nationalismus des Kaiserreichs, einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Seit den 1890er Jahren - so die überzeugende, freilich kaum überraschende These des flüssig geschriebenen Buches - habe sich vor allem durch Massenorganisationen wie den Alldeutschen Verband und den Flottenverein ein neuer Nationalismus Bahn gebrochen, der die alten Prägekräfte des 19. Jahrhunderts (Nation, Staat und Klasse) radikal fortentwickelt und den weiteren Gang der Dinge verhängnisvoll beeinflusst habe. Walkenhorst geht es dabei indes weniger um die Organisationsgeschichte des radikalen Nationalismus als um die Rekonstruktion der entsprechenden Deutungsmuster, also um den Versuch, die Nationalismusforschung mit den Mitteln der neueren Kulturgeschichte zu erweitern - ohne Zweifel ein ambitioniertes Unterfangen.

Zu diesem Zweck behandelt Walkenhorst zunächst, durchaus traditionell, die Genese des radikalen Nationalismus seit der Reichsgründung. Hieran anknüpfend vermag er zu zeigen, wie im nationalistischen Diskurs seit den 1890er Jahren zunehmend "Volk" und "Rasse" an die Stelle von "Staat" und "Klasse" traten, wie diese Begriffe semantisch aufgeladen wurden und wie sie schließlich zu handlungsorientierenden Deutungsmustern avancierten. Diese waren zwar im radikalnationalistischen Milieu beheimatet, zielten jedoch - durch die Presse popularisiert - in die Mitte der Gesellschaft und stießen bei einzelnen Fraktionen des Bürgertums auf erhebliche Resonanz. Dabei räumt das Buch nicht nur mit der geläufigen Einschätzung auf, als vermeintlich Ewiggestrigen sei es den Radikalnationalisten letzthin um eine "Rückkehr zu traditionellen, vormodernen Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" zu tun gewesen, sondern weist zugleich nach, dass es ihnen vielmehr um die "radikale Transformation der bestehenden Verhältnisse", kurzum um eine "andere Moderne" ging.

Weil es Walkenhorst mit der kulturgeschichtlichen Erneuerung der Nationalismusforschung ernst ist - im Bielefeld Hans-Ulrich Wehlers, in dem man sich lange Zeit daran gewöhnt hatte, jeglichen Nationalismus als "Manipulation von oben" zu brandmarken, keineswegs selbstverständlich -, begnügt er sich nicht mit der Analyse des nationalistischen Diskurses, sondern fragt nach seinen Konsequenzen, sprich: nach der politischen Praxis. Dass die "Weltpolitik" der wilhelminischen Ära ohne die publizistische und politische Unterstützung radikalnationalistischer pressure groups nicht jenen Verlauf genommen hätte, den sie nun einmal nahm, ist indes so neu nicht. Interessanter sind da allemal Walkenhorsts Hinweise auf die sogenannte Ostmarkenideologie - freilich weniger mit Blick auf die seinerzeit grassierenden Mitteleuropakonzepte als auf jene völkischen Großraumvorstellungen, wie sie seit den zwanziger Jahren eine unheimliche Konjunktur erleben sollten.

Diese Konjunktur war eine Folge des Ersten Weltkriegs, und tatsächlich durften sich die Radikalnationalisten durchaus als Kriegsgewinnler fühlen. Um so bedauerlicher ist es, dass Walkenhorst den Ereignissen zwischen 1914 und 1918 keine rechte Aufmerksamkeit schenkt. Der deutsche Soldat, wie er den Umschlag des Buches auf verstörende Weise ziert - als sprichwörtlich "letzter Mann" nämlich, der in der Seeschlacht bei den Falklandinseln im Dezember 1914 heroisch die deutsche Kriegsflagge hält, während im Hintergrund die "Scharnhorst" und die "Gneisenau" in den Fluten versinken -, kommt in der Studie selbst jedenfalls nicht vor. Und das ist schwer zu erklären.

Walkenhorst widmet sich eingehend der Militarisierung des radikalnationalistischen Denkens, das bereits vor 1914 einen großen Krieg zunehmend als Fluchtpunkt propagierte. Doch wird man, wenn man nach dem Zusammenhang radikalnationalistischer Deutungsmuster und entsprechender Handlungskonzeptionen fragt, die Geschichte nicht 1914 enden lassen wollen. Erst im und durch den Krieg konnte - wie Walkenhorst im Schlussteil selbst andeutet - die "Zielutopie der ethnisch und kulturell homogenen ,Volksgemeinschaft'" zur "semantischen Totalkonstruktion" werden. Und erst durch ihre Analyse, die den Bogen von der radikalnationalistischen Weltdeutung zu den politischen Ordnungsvorstellungen der Zwischenkriegszeit zu schlagen gehabt hätte, wäre das Buch seinem kulturhistorischen Anspruch ganz gerecht geworden.

CARSTEN KRETSCHMANN

Peter Walkenhorst: Nation - Volk - Rasse. Radikaler Nationalismus im Deutschen Kaiserreich 1890-1914. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 400 S., 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2008

Es war doch ein Volk der Ideen
„Je eher, desto besser”: Peter Walkenhorst beschreibt die Radikalisierung der wilhelminischen Eliten
Seit es die Geschichtswissenschaft gibt, werden ihre Methoden diskutiert, erneuert sich das begriffliche Inventar des Faches. Zur Zeit wird die Nationalismusforschung umgeräumt. Nationalismus ist nicht nur das Ergebnis der Nationalisierung einer Gesellschaft, sondern auch von Transfer und Emulation, von Wettbewerb und Adaption zwischen verschiedenen Gesellschaften. Der Wohlfahrtsstaat wurde rechts und links des Rheins nicht unabhängig voneinander, sondern in wechselseitiger Beobachtung und Austausch erfunden. Nationale Geschichte aus ihren inneren Ursachen heraus zu erklären, wie dies die Nationalgeschichtsschreibung lange Zeit tat, wird also nicht mehr hinreichen. Die transnationale Geschichte scheint vielmehr der nationalen eingeschrieben zu sein. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Bielefelder Dissertation von Peter Walkenhorst ihre Bedeutung. Angeleitet von Hans-Ulrich Wehler und dessen schneidender Kritik an dem „Modewort transnational” unternimmt es der Autor, den radikalen Nationalismus der wilhelminischen Ära aus nationalen und nicht aus transnationalen Faktoren zu erklären.
Die Studie fasst in weiten Teilen bisherige Befunde zum Radikalnationalismus zusammen, die durch Archivfunde auf Reichsebene ergänzt werden. Insgesamt ergibt sich eine doppelte Perspektive auf den radikalen Nationalismus vor 1914. Walkenhorst interessiert sich für Konflikt und Konsens zwischen den nationalistischen Massenorganisationen und der Reichsregierung. Er schließt sich weder der Manipulationsthese an, nach der die Reichsregierung den Nationalismus als antisozialistisches Vademekum und Integrationsinstrument eingesetzt hat, noch folgt er der These Geoff Eleys, der im Nationalismus nach 1900 vor allem eine Kritik von unten an der Reichsregierung sieht. Statt dessen betont der Autor den Einfluss, den die Radikalnationalisten auf die Regierungspolitik ausübten, die sie immer stärker vor sich her trieben und die sich ihre wesentlichen Forderungen, etwa in der Staatsbürgerschaftsfrage, zu eigen machte.
Die Studie belegt eindrucksvoll die Radikalisierung des deutschen Nationalismus, der im Äußeren immer weiter ausgriff und im Innern immer schärfer ausgrenzte. Ausgangs- und Endpunkt der Studie werden markiert von nationalistischen Politikern wie Heinrich von Treitschke und dem Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes Heinrich Claß, dessen Antisemitismus zur impliziten Verbandspolitik wurde, auch wenn es ihm vor 1914 nicht gelang, sie explizit in den Verbandsstatuten festzuschreiben. An jeder politischen Weggabelung votierten die Radikalnationalisten für Verschärfung und Eskalation. Ein besonders instruktives Beispiel hierfür bildeten die beiden Marokkokrisen 1905 und 1911, die zu Höhepunkten der Agitation des Alldeutschen Verbandes, des Flottenvereins und des Wehrvereins wurden.
Die Radikalisierung der nationalistischen Massenverbände ist jedoch noch nicht schon diejenige des Kaiserreiches oder gar der gesamten deutschen Gesellschaft. In dieses Bild gehörten Gegenkräfte und der Wechsel der Gemengelagen in den Kirchen und den Parteien hinein. Nicht die Radikalisierung der Nationalen würde die Herausforderung darstellen, sondern die Mobilisierung der vordem Unbeteiligten.
Wo aber lag die treibende Kraft hinter der mit vollem Wissen um ihre Folgen vorangetriebenen Radikalisierung des deutschen Nationalismus nach 1890? Hier bietet Walkenhorst in erster Linie ideologische Ursachen an. Auf das Ordnungsmodell des politisch gebundenen Staatsvolks folgte die Karriere eines kulturell-ethnisch verstandenen Volkskörpers, darauf schließlich die „Volksgemeinschaft”, die ihrerseits den Staat in Dienst zu nehmen und für ihre Expansions- und Umverteilungszwecke einzuspannen versuchte. Nach 1871 lag die emanzipatorische und inkludierende Komponente des Nationalismus in der Befreiung aus kleinstaatlicher Enge, in der Ausweitung des Wahlrechts und in der partizipationsoffenen Umgestaltung des politischen Systems. Nach 1900 herrschte der Eindruck vor, dass die Exklusion Fremder ihrerseits schon ein Stück Inklusion darstellte.
Bei den militärischen Eliten und den organisierten Nationalisten kam die Idée fixe der Einkreisung Deutschlands hinzu. Die Vorstellungen des „Volkes ohne Raum” und des „Lebensraumes” (Friedrich Ratzel) wirkten in die gleiche Richtung wie die Homogenitätsobsessionen. Kriegsrelevant war das alles, weil der Krieg als unvermeidliches Schicksal für jede Generation galt. Wenn aber der Krieg unvermeidlich war, dann lag die Schlussfolgerung auf der Hand: „Je eher desto besser”, wollte man den wirtschaftlichen Vorsprung des Reiches noch nutzen. Die ideellen Muster verstärkten sich wechselseitig und führten in die radikalnationalistische Kriegseuphorie. Die These der „kumulativen Radikalisierung” übernimmt der Autor aus Hans Mommsens Analyse des Holocaust.
Freilich: Die Ideologie ist noch nicht die politisch-soziale Wirklichkeit. Zurecht fragt Walkenhorst daher abschließend nach der sozialen Reichweite der radikalen Ideen. Sie blieben auf den Kreis der wichtigsten Funktionsträger und Deutungseliten beschränkt. Selbst innerhalb des Alldeutschen Verbandes fanden sich für sie keine dauerhaften Mehrheiten. Man zögerte, den intern selbstverständlichen Antisemitismus an die Öffentlichkeit zu tragen.
Der Autor verspricht eine moderne Ideengeschichte der mentalen Raster und Diskursmuster. In der Durchführung dieses Programms bleibt er jedoch konventionell. Handelte es sich bei dem Radikalnationalismus um eine Idee oder kam er aus einem bestimmten Interesse heraus? Oder erzeugten die Ideen „Volk”, „Nation”, „Rasse” und „Volksgemeinschaft” neue Interessen wie den Wunsch nach Weltgeltung? Für die Eliten, deren Radikalisierung dieses Buch beschreibt, trifft dies sicher zu. Für die Gesellschaft wird es eher suggeriert als bewiesen. Am Ende ist Walkenhorsts faktenreiches und gut geschriebenes Buch eben doch Teil einer Nationalgeschichtsschreibung. Deren Historiker sind nationaler als ihr Gegenstand. SIEGFRIED WEICHLEIN
PETER WALKENHORST: Nation - Volk - Rasse. Radikaler Nationalismus im Deutschen Kaiserreich 1890-1914, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008. 400 Seiten, 49,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durchaus zufrieden ist Rezensent Carsten Kretschmann mit Peter Walkenhorsts Untersuchung über den radikalen Nationalismus im wilhelminischen Deutschland, auch wenn der Autor seinem anspruchsvollem Vorhaben, die Nationalismusforschung mit den Mitteln der neueren Kulturgeschichte zu erweitern, nicht ganz einlösen kann. Der Autor führt für ihn das Erstarken eines neuen Nationalismus seit den 1890er Jahren vor Augen, wobei er zeigen könne, dass es den radikalen Nationalisten nicht um eine Rückkehr zur Tradition, sondern um eine Umgestaltung der Gesellschaft, kurz: um eine "andere Moderne" ging. Deutlich werde insbesondere, wie Begriffe wie "Volk" und "Rasse" zu "handlungsorientierenden Deutungsmustern" avancierten. Besonders hebt Kretschmann hervor, dass sich Walkenhorst nicht auf die Analyse des nationalistischen Diskurses beschränkt, sondern die politische Praxis - etwa die Militarisierung des radikalnationalistischen Denkens - in den Blick nimmt. Zu seinem Bedauern bleiben dabei die Ereignisse zwischen 1914 und 1918 gleichwohl unterbelichtet.

© Perlentaucher Medien GmbH