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Corona und der Klimawandel nötigen zu einer elementaren Rückbesinnung auf die Natur. In einer brillanten Abhandlung zeigt der Philosoph Christoph Türcke, wie verhängnisvoll der Glaube ist, die Natur sei nichts als die Verfügungsmasse unserer Konstruktionen. Konstruktivismus wie Dekonstruktivismus haben gleichermaßen den Glauben gefördert, die Natur sei nur das, was wir aus ihr machen. Sie sind pseudokritische Ableger eines High-Tech-Machbarkeitswahns. Gender gilt bereits als ein Konstrukt, für das es nur noch ein Kriterium gibt: persönliches Zugehörigkeitsempfinden. Dabei rückt aus dem…mehr

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Produktbeschreibung
Corona und der Klimawandel nötigen zu einer elementaren Rückbesinnung auf die Natur. In einer brillanten Abhandlung zeigt der Philosoph Christoph Türcke, wie verhängnisvoll der Glaube ist, die Natur sei nichts als die Verfügungsmasse unserer Konstruktionen. Konstruktivismus wie Dekonstruktivismus haben gleichermaßen den Glauben gefördert, die Natur sei nur das, was wir aus ihr machen. Sie sind pseudokritische Ableger eines High-Tech-Machbarkeitswahns. Gender gilt bereits als ein Konstrukt, für das es nur noch ein Kriterium gibt: persönliches Zugehörigkeitsempfinden. Dabei rückt aus dem Blickfeld, dass wir Menschen selbst bloß Naturwesen sind. Wenn wir die Natur - auch unsere eigene - nach Belieben zurechtkneten wollen und ihren Eigensinn ignorieren, schlägt sie umso heftiger auf uns zurück.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Christoph Türcke ist Professor em. für Philosophie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Thomas Thiel lässt sich vom Leipziger Philosophieprofessor Christoph Türcke die Widersprüche der Gender-Theorie auseinandersetzen. Türckes Buch, das Gendertheorie auf "elegante" Weise als Teil eines konstruktivistischen Denkens ausmacht, das die Materialität der Dinge (und der Menschen) immer mehr zum Verschwinden bringt und statt dessen einer "kryptoreligiösen Selbstschöpfung" per Theorie huldigt, empfiehlt Thiel jedem, der Halt sucht in der Debatte um Geschlechterzuschreibungen. Wie der Autor den Konstruktivismus für seine Blindheit gegenüber dem evolutionspraktischen Teil von Sexualität kritisiert, muss man lesen, findet Thiel.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2021

Am Eigensinn der Körper vorbei
So wird es nichts mit dem Begehren: Christoph Türcke seziert die Widersprüche der Gender-Theorie

In einer Zeit, in der Zahlen geräuschlos in Töne, Bilder und Texte konvertiert werden, mag es überraschen, dass die Natur der Verwandlung eines Stoffes in einen anderen noch Grenzen setzt. Zwar blieb es bisher dem Märchen vorbehalten, Stroh in Gold umzuspinnen. Nimmt man eine der einflussreichsten Theoretikerinnen der Gegenwart beim Wort, dann sind dem aber auch in der Realität keine Grenzen gesetzt. Laut Judith Butler, der Nestorin der Gender-Theorie, ist Materie nur eine Knetmasse des Diskurses, der Art und Weise, wie man über sie spricht.

Nun scheint der Mond nicht dadurch heller, dass man ihn Sonne nennt. Interessanter ist deshalb die Frage, wie diese moderne Alchemie die Deutungshoheit in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft erringen konnte, so dass die Trennung von Geist und Natur, Geschlecht und Körper derzeit unter dem Begriff Genderidentität in verschiedenen Ländern, darunter in Deutschland, gesetzlich festgeschrieben werden soll.

Niemand hat diese Frage bisher so elegant beantwortet wie Christoph Türcke. Der Leipziger Philosophieprofessor beschreibt die Gendertheorie als vorläufige Endstation einer Geschichte des konstruktivistischen Denkens, in deren Verlauf das nur näherungsweise erreichbare Ding an sich, das bei Kant einer ungezügelten Vorstellungskraft noch Einhalt gebot, immer weiter in den Hintergrund rückte, bis es schließlich, vom Neukantianismus bis zum Poststrukturalismus, völlig eliminiert wurde. Begünstigt wurde die theoretische Drift vom technischen Fortschritt, der den Menschen immer weiter von der Natur emanzipierte und den Glauben wachsen ließ, sich eigene Wirklichkeit setzen zu können. Türcke führt als Sinnbild den Piloten an, der sein Flugzeug durch einen Sturm steuert, den er nur über Messgeräte wahrnimmt. Jeder Flugzeug-Ingenieur wird sich trotzdem der vielen Widerstände bewusst sein, welche die Natur der Konstruktion seiner Maschine setzt.

Innerhalb der Geisteswissenschaften hat sich dagegen eine Ingenieurskunst entwickelt, die als Material nur noch die Sprache kennt, die in keiner Verbindung zur äußeren Wirklichkeit mehr stehen muss. Alles ist Vorstellung oder, wie es im Fachjargon heißt, bloße Konstruktion. "Konstruktion wovon?", hakt Türcke immer wieder nach. Doch diese Frage wird von den maßgeblichen Theorien ausgeblendet zugunsten einer frei schweifenden Vorstellungskraft, die sich ihre eigenen Gebilde schafft, welche sie in Bezug auf Menschen neuerdings Identitäten nennt. Das, was eben noch freie Imagination war, wird unter diesem Begriff wieder festgezurrt und mit sozialen Geltungansprüchen versehen, ohne dass auf einen stimmigen Bezug zur Körpernatur noch Wert gelegt würde. Man ist das, als was man sich fühlt. Damit schlägt der Konstruktivismus in eine kryptoreligiöse Selbstschöpfung um, die an der materiellen Wirklichkeit abprallen muss. Wie wenig Denken und Vorstellen vom Körper abgelöst werden können, wird deutlich, wenn man einmal versuchsweise den eigenen Körper, einschließlich des Gehirns, von sich selbst abzieht.

Türcke meidet naturalistische Anklänge, die Natur zum eigenen Subjekt mit Absicht und Willen machen, ebenso wie die Exzesse des radikalen Konstruktivismus. Der Kern des Irrtums besteht für ihn darin, dass der moderne Konstruktivismus mit fortschreitender Naturbeherrschung den Eigensinn der Körperorgane und den evolutionären Aspekt von Sexualität aus den Augen verloren hat. Zwar erlaubt die moderne Medizin immer stärkere Körpermodifikationen. Körper und Geschlecht behalten darüber jedoch eine Widerständigkeit, die vom medizinischen Fortschritten nicht vollends getilgt wird. Sexualität ist selbst ein Entwicklungsprodukt: Sie hat sich herausgebildet von der Fortpflanzung durch Zellteilung zur Fusion von Keim- und Samenzelle, die von allen Dekonstruktionsversuchen unberührt bleibt. Eine sexuelle Zwischenzelle wurde auch von Judith Butler noch nicht gefunden.

Butler bietet stattdessen Ursprungsmythen auf wie die ursprüngliche Polysexualität, die der Prüfung nicht standhält, oder die ursprüngliche Zwitternatur des Menschen, in der Türcke sehnsüchtige Anklänge an den platonischen Kugelmenschen wahrnimmt, in dem Mann und Frau noch eins, nämlich Kugel waren. Das sollen sie anscheinend nun wieder werden. Ein durchaus regressiver Wunsch, würde die (Wieder-)Verkugelung doch die Basis des sexuellen Begehrens zerstören: die Triebspannung. Türcke stellt sich Sexualität nicht als grobes Instinktgeschehen vor. Mit dem Wachstum des mentalen Raums, der durch die (freilich nie vollständige) Emanzipation von der Natur möglich wurde, habe sich vielmehr eine Trieblockerung vollzogen, die den Menschen frei von Fortpflanzungspflichten und offen für gleichgeschlechtliche, ja überhaupt Liebe mache. Wer die Körpernatur abschafft, vernichte damit auch das Begehren.

Wie weit man heute einen sexuellen Spannnungsverlust in Kauf zu nehmen bereit ist, zeigt sich an der sprunghaft gewachsenen Zahl von Geschlechtsumwandlungen, die einen partiellen Verlust des sexuellen Empfindens nach sich ziehen und von der Ironie geprägt sind, dass sie nicht auf die von Butler propagierte körperliche Geschlechtslosigkeit, sondern auf ein klar fixiertes Geschlecht abzielen, das sie doch nur annäherungsweise erreichen. Wie stark der Wunsch nach Geschlechtswechsel auf einen medialen Hype, die Virtualisierung der Lebensbezüge, ökonomisches Tauschdenken oder eine tiefe Fremdheit im angeborenen Geschlecht zurückgeht, die nur operativ überwunden werden kann, ist für Türcke nur im Einzelfall zu entscheiden. Dass eine schiefe Theorie blinden Entscheidungen Vorschub leistet, ist dagegen nach der Lektüre dieses glänzenden Buches nicht zu verkennen. Wer in der Geschlechterdebatte nach einem unabhängigen Standpunkt sucht, sollte es lesen.

THOMAS THIEL

Christoph Türcke: "Natur und Gender". Kritik eines Machbarkeitswahns. C. H. Beck Verlag, München 2021. 233 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Doch innerhalb welchen Rahmens wird das Verhältnis von Kultur und Natur ausgehandelt? Diskussionswürdig sind die Fragen zu den nicht nur ethischen Grenzen des Dekonstruierens allemal."
Tagesspiegel, Caroline Fetscher

"Glänzendes Buch ... Wer in der Geschlechterdebatte nach einem unabhängigen Standpunkt sucht, sollte es lesen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Thomas Thiel

"Türckes Buch enthält durchaus interessante Gedanken und lohnt die Lektüre. "
Deutschlandfunk Kultur, Jens Balzer

"Liefert ... einen mutigen Debattenbeitrag zu einem der heißesten Themen der Zeit. Chapeau!"
Falter, Kirstin Breitenfellner

"Christoph Türcke unterzieht den aktuellen Genderdiskurs einer fundierten Analyse."
Falter, Kirstin Breitenfellner

"Türcke warnt nicht davor, Menschen zu helfen, die sich in ihrer Geschlechtsidentität unwohl, unbehaust fühlen. Wohl aber warnt er davor, diese Hilfsangebote und Möglichkeiten allzu leicht in den Kreislauf von Mode und popkulturellem Spiel einzuspeisen."
MDR, Jörg Schieke

"In einem beeindruckenden Durchmarsch durch die Philosophiegeschichte ... zeigt Türcke, dass wissenschaftstheoretisch in dieser Debatte nicht hinter die Errungenschaften von Immanuel Kant zurückgefallen werden darf, ohne das wesentliche Motiv zu verfehlen."
Glanzundelend.de, Wolfgang Bock
"Ein unbestechlicher Berater bei der Suche nach dem ganz persönlichen Geschlecht: Christoph Türcke behält im Geschlechterdschungel den Überblick."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Thomas Thiel

"Christoph Türckes Buch ist eine echte Streitschrift. Es lohnt sich, diese Gedanken nachzuvollziehen."
rezensionen.ch, Thorsten Paprotny
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