Das von Eugen Münch entwickelte Netzwerkmedizin-Konzept ist ein konkreter Ansatz für die dringend erforderliche Weiterentwicklung des Gesundheits- und Krankenhauswesens. Das Thema hat zwar in jüngster Zeit eine Resonanz in den Medien erfahren – aber nur ein Buch kann die weitergehenden Überlegungen ganzheitlich darstellen und erklären. In ihm kommen in Form von Interviews auch namhafte Gesundheitsexperten mit ihrer Sicht zur Netzwerkmedizin zu Wort. Die Netzwerkmedizin ist ein unternehmerischer Impuls, kein politischer. Und so ist dieses Buch – inmitten der seit Monaten aufflammenden Diskussionen um die angebliche Unvereinbarkeit von Medizin und Ökonomie – eben kein Rückblick auf das Erfolgte und Geleistete, sondern eine persönliche Streitschrift für ein besseres Gesundheitswesen. Bestandteil des Konzepts ist die in diesem Buch dargestellte Assekurante Krankenvollversorgung (AKV). Kernstück ist ein bundesweites Krankenhausnetzwerk in Verbindung mit einer oder mehreren gesetzlichen Krankenkassen, ergänzt um private Zusatzkrankenversicherungen. Gemeinsam garantieren sie eine flächendeckende medizinische Vollversorgung auf höchstem Niveau. Es geht dabei nicht in erster Linie um Synergien zwischen zwei oder mehreren großen Krankenhausketten oder um zusätzliche Rationalisierung in einzelnen Krankenhäusern, sondern um einen ganz neuen Weg für das deutsche Gesundheitswesen, um eine neue Perspektive gerade für Kassenpatienten – mithin um die Einebnung einer Zwei-Klassen-Medizin.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2014Krankes Gesundheitswesen
Zwei Reformvorschläge von berufenen Federn
Im Krankenhaus geht es nicht immer mit rechten Dingen zu. Im Alltag von Ärzten und Patienten sind es Fehlbelegungen, Mangelverwaltung und bürokratische Gängelei. Zur Jagd auf diese medizinischen und ökonomischen Unwesen haben zwei Pioniere des privaten Krankenhausmarkts in Deutschland Bücher geschrieben, deren Ausgangsbefund gleich ist: Das Gesundheitssystem in seiner jetzigen Form wird unter der wachsenden Last zusammenbrechen. Auch die grundlegende Überzeugung, dass Medizin und Wirtschaftlichkeit einander nicht ausschließen, teilen die beiden Autoren. Ihre Lösungsvorschläge unterscheiden sich wie ihre Charaktere.
Der Chirurg Lutz Helmig, der die Krankenhauskette Helios gegründet hat, fordert in seinem essayistisch gehaltenen Text die Abschaffung des geltenden Krankenversicherungssystems und Einführung einer obligatorischen Bürgerversicherung. Losgelöst von den Lohnkosten soll sie die medizinische Grundversorgung abdecken, der Leistungskatalog dafür müsse so knapp wie möglich gehalten werden. Helmig spricht sich für den Wegfall aller steuerrechtlichen Sonderregelungen für das Gesundheitswesen aus. Er schimpft mit Verve auf den Unsinn vieler Bauvorschriften für Krankenhäuser, auf die geringen Nutzungszeiten vieler Räume und Geräte, auf das überkommene Zunftbewusstsein vieler Ärzte und auf das Fortleben der früher vom Adel zum Vergnügen betriebenen Kuren in den heutigen Rehakliniken.
Einen "radikalen Systemwandel" beansprucht Eugen Münch, der langjährige Vorstandsvorsitzende und Aufsichtsratsvorsitzende des Krankenhausbetreibers Rhön-Klinikum, für seine eigentlich weitaus weniger spektakuläre Idee einer Zusatzversicherung, die an ein privates Krankenhausnetzwerk gebunden ist. Auch Münch, der kein Arzt, sondern Betriebswirt und von etwas groberem Holz als Helmig ist, hält den Solidargedanken der Bismarckschen Krankenversicherung für überdehnt, auch er sieht die Innovationskraft der modernen Medizin als unaufhaltbaren - und teuren - Antreiber des Gesundheitssystems.
Dennoch sei mit seinem Modell Spitzenversorgung für jedermann zu haben. Um 20 Prozent ließen sich die Kosten dadurch senken, dass sich Patienten von Fachleuten in die für sie passenden Krankenhäuser lotsen ließen. Weiteres Potential böten die elektronische Patientenakte und der konsequente Einsatz der Telemedizin. "Rationalisierung vor Rationierung" lautet Münchs Versprechen.
SEBASTIAN BALZTER
Lutz Helmig: Gesundheit und Freiheit. IFB Verlag. Paderborn 2013. 116 Seiten. 16 Euro
Eugen Münch / Stefan Scheytt: Netzwerkmedizin. Springer Gabler Verlag. Wiesbaden 2014. 120 Seiten. 14,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei Reformvorschläge von berufenen Federn
Im Krankenhaus geht es nicht immer mit rechten Dingen zu. Im Alltag von Ärzten und Patienten sind es Fehlbelegungen, Mangelverwaltung und bürokratische Gängelei. Zur Jagd auf diese medizinischen und ökonomischen Unwesen haben zwei Pioniere des privaten Krankenhausmarkts in Deutschland Bücher geschrieben, deren Ausgangsbefund gleich ist: Das Gesundheitssystem in seiner jetzigen Form wird unter der wachsenden Last zusammenbrechen. Auch die grundlegende Überzeugung, dass Medizin und Wirtschaftlichkeit einander nicht ausschließen, teilen die beiden Autoren. Ihre Lösungsvorschläge unterscheiden sich wie ihre Charaktere.
Der Chirurg Lutz Helmig, der die Krankenhauskette Helios gegründet hat, fordert in seinem essayistisch gehaltenen Text die Abschaffung des geltenden Krankenversicherungssystems und Einführung einer obligatorischen Bürgerversicherung. Losgelöst von den Lohnkosten soll sie die medizinische Grundversorgung abdecken, der Leistungskatalog dafür müsse so knapp wie möglich gehalten werden. Helmig spricht sich für den Wegfall aller steuerrechtlichen Sonderregelungen für das Gesundheitswesen aus. Er schimpft mit Verve auf den Unsinn vieler Bauvorschriften für Krankenhäuser, auf die geringen Nutzungszeiten vieler Räume und Geräte, auf das überkommene Zunftbewusstsein vieler Ärzte und auf das Fortleben der früher vom Adel zum Vergnügen betriebenen Kuren in den heutigen Rehakliniken.
Einen "radikalen Systemwandel" beansprucht Eugen Münch, der langjährige Vorstandsvorsitzende und Aufsichtsratsvorsitzende des Krankenhausbetreibers Rhön-Klinikum, für seine eigentlich weitaus weniger spektakuläre Idee einer Zusatzversicherung, die an ein privates Krankenhausnetzwerk gebunden ist. Auch Münch, der kein Arzt, sondern Betriebswirt und von etwas groberem Holz als Helmig ist, hält den Solidargedanken der Bismarckschen Krankenversicherung für überdehnt, auch er sieht die Innovationskraft der modernen Medizin als unaufhaltbaren - und teuren - Antreiber des Gesundheitssystems.
Dennoch sei mit seinem Modell Spitzenversorgung für jedermann zu haben. Um 20 Prozent ließen sich die Kosten dadurch senken, dass sich Patienten von Fachleuten in die für sie passenden Krankenhäuser lotsen ließen. Weiteres Potential böten die elektronische Patientenakte und der konsequente Einsatz der Telemedizin. "Rationalisierung vor Rationierung" lautet Münchs Versprechen.
SEBASTIAN BALZTER
Lutz Helmig: Gesundheit und Freiheit. IFB Verlag. Paderborn 2013. 116 Seiten. 16 Euro
Eugen Münch / Stefan Scheytt: Netzwerkmedizin. Springer Gabler Verlag. Wiesbaden 2014. 120 Seiten. 14,99 Euro
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