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Imponiergehabe im Namen der Neuen Politischen Ökonomie
Alfred Kyrer: Neue Politische Ökonomie 2005. R. Oldenbourg Verlag, München 2001, 422 Seiten, 44,80 Euro.
Von der Masse an Ökonomiebüchern hebt sich jenes von Alfred Kyrer schon durch den Titel ab. Unter der Zeile "Neue Politische Ökonomie" findet sich die Jahreszahl 2005. Dem Leser soll offenbar ein Ausblick präsentiert werden. Aber warum just auf 2005? Für langfristige Prognosen ist das ein zu knapper Zeitraum, für einen kurzfristigen Ausblick indes läge 2005 fast noch zu fern. Kyrer verrät sein Geheimnis nicht. Ihm ist ein anderer Punkt wichtiger: daß sein Buch von allem Ballast befreit worden sei. Der Anspruch, zu erkennen, was Ballast und was ökonomisch von Relevanz ist, darf als mutig bezeichnet werden. Wie es in der Anekdote heißt: Fragen Sie vier Ökonomen, was in der Ökonomie wichtig ist und was nicht - und Sie erhalten fünf Antworten; zwei davon von Maynard Keynes.
Kyrer indes will zu wirklichen Aussagen kommen, anders als jene Autoren, die er "Sammler" oder "Jäger" nennt. Die Sammler trügen alles über das "Wie, Wer, Wann, Was" zusammen, vielleicht um den Kollegen zu imponieren, bis ihre Texte unlesbar seien. "Und die Jäger halten Ausschau in den ökonometrischen Fachzeitschriften nach neuen Hypothesen in mathematischer Formulierung." Nur handlungsorientierte Anleitungen finde man bei beiden nicht. Das ist harsche Kritik. Aber Kyrer scheut nicht, es mit den Sammlern und Jägern aufzunehmen. Im Zentrum seines Buchs stehen die Analyse und der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Von deren Gestaltung hänge die Wettbewerbsfähigkeit der Länder ab.
In vier Kapiteln erfolgt die Analyse. In sieben Punkten will Kyrer sein Buch von anderen Einführungen unterschieden wissen: etwa durch die Darstellung nach dem "Modulprinzip", in dem der Text in Bausteine zerfällt, so daß der Leser sich auf Einzelteile beschränken kann. Kyrer bedient sich neuer wissenschaftlicher Methoden. Daß der Autor in größeren Zusammenhängen denkt und nur lesenswerte Literatur verwendet, sollte indes selbstverständlich sein.
Aber unterscheidet sich das Buch inhaltlich vom Herkömmlichen? Das Kapitel mit dem Titel "Der Beitrag der Ökonomie zur Lösung menschlicher Probleme" dient als Einstieg in jene Wissenschaft, die oft als menschenfeindlich geschmäht wird. Hier widerlegt Kyrer anhand verschiedener Beispiele, daß der "Homo oeconomicus" einer zynischen Gewinnmaximierungsmaschine gleichkomme. Und hier klärt sich endlich, was das alles mit "Neuer Politischer Ökonomie" zu tun haben soll: "Eine Neue Politische Ökonomie bietet einen konsistenten Analyserahmen zur Integration nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer, rechtlicher und sozialer Phänomene." Politisches und wirtschaftliches Handeln ließen sich nicht trennen. Beide seien von ähnlichen Prinzipien geleitet: Identität, Kontinuität, Konsens, Veränderung. Aber während Politik kurzfristiges Handeln erwarte, könne die Ökonomie nur langfristig wirken.
Auch wenn Kyrer 159 Seiten braucht, um "Bausteine für eine Politische Ökonomie" zu entwerfen, so lohnt sich der Weg. Einer Meinung wird der Leser mit dem Autor nicht immer sein, und den Stein der Weisen wird er nicht entdecken. Das ist freilich auch nicht nötig. Wer die Ökonomie verstehen will - und dazu noch den kleinen Ausblick wagen will -, der ist bei Kyrer richtig.
INDIRA GURBAXANI
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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