26 Länder, 26 Menschen - auf der Suche nach ungewöhnlichen Lebensgeschichten ist Oliver Lück mit seiner Hündin Locke durch halb Europa gefahren. 50000 Kilometer, 600 Tage, drei Blechschäden, eine Reifenpanne. Er hat gelernt, dass die Wodkagläser in Richtung Osten immer größer werden, bis man ihm kurz vor Russland ganze Flaschen vorsetzte. Er weiß jetzt, was Älä sää rääkää sitä kissaa heißt: Quäle diese Katze nicht. Und er hat verstanden, was die Länder Europas wirklich eint: benutzte Kondome an romantischen Plätzen. «Neues vom Nachbarn» ist ein überraschender Blick auf Europa und seine Bewohner. Eine Reise voller skurriler Erlebnisse und besonderer Begegnungen. Denn das Abenteuer sind nicht die Länder, sondern ihre Menschen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.08.2012Falsche Zeit, falscher Ort
Viel Zeit und kein Ziel sei eine gute Mischung, schreibt Oliver Lück über die Fahrten eines Ballonbauers, von dem er sich die Geschichte der Ballonfahrt in Tschechien hat erzählen lassen. Viel Zeit und kein Ziel, so etwa muss auch der Journalist und Fotograf unterwegs gewesen sein, und eine bessere Art des Reisens gibt es vielleicht gar nicht. Oliver Lück, 1973 geboren, ist mit seinem Hund Locke in einem Campingbus durch Europa gefahren, fünfzigtausend Kilometer weit. Er erzählt von dieser Reise und von Begegnungen. "26 Länder, 26 Menschen" hat er sein Buch im Untertitel genannt, lapidar und schön. In Lücks Geschichten kommen auch mal Prominente vor, Mehmet Scholl etwa oder Lionel Messi, die mit den anderen, unbekannten Personen sind allerdings die interessanteren. Manchmal fragt man sich, wie sich der Autor sprachlich zurechtgefunden hat von Estland bis Portugal. Aber mit Zeit und Geduld wird er wohl immer jemanden gefunden haben, der ihm helfen konnte. In Bayern trifft er Jason, ursprünglich aus der Karibik stammend, den ersten schwarzen Flößer auf der Isar. In Litauen beschreibt er die Mühsal der Bernsteinfischer, in Lettland erntet er brüllendes Gelächter, als er erzählt, zu Hause in Deutschland würde Wodka aus winzigen Gläsern getrunken, das sich in tiefes Bedauern wandelt, als die Letten erkennen, dass er keinen Witz gemacht hat. Der Osten und der Wodka ist das einzige Klischee, das Lück bedient, ansonsten begegnet er allen Porträtierten offen, mit Neugier und Sympathie. Das Buch formt sich aus hübschen Geschichten, Lücks klaren Gedanken und klarer Sprache. Zwischen die Begegnungen hat Lück kurze Passagen übers Unterwegssein geschoben. Da wird's dann lustig, etwa wenn Lück in der Slowakei in einem leerstehenden Schloss übernachtet, nicht schlafen kann, durch die Räume geistert und sich schließlich zum Glockenschlag um Mitternacht vor der Tür der Familiengruft wiederfindet: "Und ich stehe alleine davor - falsche Zeit, falscher Ort." Ein Danziger Kneipenphilosoph schenkt ihm einige schöne Sätze wie diesen: "Wer zu Hause nicht zufrieden ist, wird auch auf Reisen nicht glücklich." Wer Oliver Lücks Buch "Neues vom Nachbarn" liest, mag gerne glauben, dass dieser Autor überall glücklich ist.
bär
"Neues vom Nachbarn. 26 Länder, 26 Menschen" von Oliver Lück. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012. 316 Seiten, einige Fotos. Broschiert, 9,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Viel Zeit und kein Ziel sei eine gute Mischung, schreibt Oliver Lück über die Fahrten eines Ballonbauers, von dem er sich die Geschichte der Ballonfahrt in Tschechien hat erzählen lassen. Viel Zeit und kein Ziel, so etwa muss auch der Journalist und Fotograf unterwegs gewesen sein, und eine bessere Art des Reisens gibt es vielleicht gar nicht. Oliver Lück, 1973 geboren, ist mit seinem Hund Locke in einem Campingbus durch Europa gefahren, fünfzigtausend Kilometer weit. Er erzählt von dieser Reise und von Begegnungen. "26 Länder, 26 Menschen" hat er sein Buch im Untertitel genannt, lapidar und schön. In Lücks Geschichten kommen auch mal Prominente vor, Mehmet Scholl etwa oder Lionel Messi, die mit den anderen, unbekannten Personen sind allerdings die interessanteren. Manchmal fragt man sich, wie sich der Autor sprachlich zurechtgefunden hat von Estland bis Portugal. Aber mit Zeit und Geduld wird er wohl immer jemanden gefunden haben, der ihm helfen konnte. In Bayern trifft er Jason, ursprünglich aus der Karibik stammend, den ersten schwarzen Flößer auf der Isar. In Litauen beschreibt er die Mühsal der Bernsteinfischer, in Lettland erntet er brüllendes Gelächter, als er erzählt, zu Hause in Deutschland würde Wodka aus winzigen Gläsern getrunken, das sich in tiefes Bedauern wandelt, als die Letten erkennen, dass er keinen Witz gemacht hat. Der Osten und der Wodka ist das einzige Klischee, das Lück bedient, ansonsten begegnet er allen Porträtierten offen, mit Neugier und Sympathie. Das Buch formt sich aus hübschen Geschichten, Lücks klaren Gedanken und klarer Sprache. Zwischen die Begegnungen hat Lück kurze Passagen übers Unterwegssein geschoben. Da wird's dann lustig, etwa wenn Lück in der Slowakei in einem leerstehenden Schloss übernachtet, nicht schlafen kann, durch die Räume geistert und sich schließlich zum Glockenschlag um Mitternacht vor der Tür der Familiengruft wiederfindet: "Und ich stehe alleine davor - falsche Zeit, falscher Ort." Ein Danziger Kneipenphilosoph schenkt ihm einige schöne Sätze wie diesen: "Wer zu Hause nicht zufrieden ist, wird auch auf Reisen nicht glücklich." Wer Oliver Lücks Buch "Neues vom Nachbarn" liest, mag gerne glauben, dass dieser Autor überall glücklich ist.
bär
"Neues vom Nachbarn. 26 Länder, 26 Menschen" von Oliver Lück. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012. 316 Seiten, einige Fotos. Broschiert, 9,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2012Die frischen Bekannten
Oliver Lück klopft auf Europareise neugierig an Türen
Wohlwollend wäre Oliver Lück von Lawrence Sterne wohl kaum beurteilt worden. In seiner „Empfindsamen Reise“ hat der englische Literat eine denkwürdige Kategorisierung von Reisenden etabliert. Den aus Neugierde in die Fremde Aufbrechenden hat er eine „Schwäche des Geistes“ bescheinigt. Anerkennung haben bei Sterne nämlich nur solche Reisende gefunden, die sich treiben oder in Liebesabenteuer verwickeln lassen – empfindsame Reisende eben.
Sterne aber war schon zu seiner Zeit, im 18. Jahrhundert, ein ausnehmend bissiger Vertreter seiner Zunft. Nicht erst seit heute gilt ein am kulturellen Ganzen interessierter Blick auf das Fremde eher als Tugend, erst recht bei dem aus dokumentarischem Antrieb Reisenden.
Als solcher tut sich Oliver Lück mit seinem Buch „Neues vom Nachbarn“ hervor – strotzt er doch vor rastloser Fragelust. Zwei Jahre ist der Autor durch Europa gereist, um Geschichten von bemerkenswerten Menschen zusammenzutragen. Und er hat dies, durchaus sentimental, in einem VW-Bus in Begleitung seiner Hündin Locke getan.
Wie andere Reisende anmutig geschliffene Steine am Strand sammeln, so trägt Lück Lebensläufe zusammen. Das Ergebnis ist ein buntes Gemisch aus Anekdoten: Der Erbauer des ersten tschechischen Heißluftballons erzählt vom Kampf um seinen Traum vom Fliegen, ein passionierter baskischer Chilibauer erklärt die kulturelle Bedeutung der scharfen Schote für sein Volk, ein Schweizer schildert seine Zusammenarbeit mit indischen Filmteams.
Zwischengeschaltet sind immer wieder Exkurse über die Hürden und Absonderlichkeiten, die dem Fahrenden unterwegs begegnen. Bei Unannehmlichkeiten wie kleinen Verkehrsunfällen hilft mehrmals eine verschenkte Flasche Rotwein aus dem größten Schlamassel heraus. Ansonsten öffnet der Wodka nicht selten Türen, vor allem im Osten des Kontinents, wo – so der davon offenkundig überforderte Autor – die Schnapsgläser Richtung Russland immer größer werden. Manches Mal funktionieren Wein oder Hochprozentiges als eine Art Friedenspfeife.
Der Wein, der Bus, der Hund: Man kann sich fragen, ob es solch offensichtlicher Zeichen des spontanen, unkonventionellen On-the-Road-Reisens bedurft hätte – die Auswahl an Porträts in dem Buch ist überraschend genug. Lück erzählt einfach drauf los, in einem sympathisch unprätentiösen, farbigen Gestus. Und er sucht nicht nach dem Typischen, er bevorzugt das Kuriose. Manchmal verlässt sich der Autor allerdings zu sehr auf die bemerkenswerten Lebensgeschichten und spart an pointierter, unterhaltsamer Sprache. Dennoch erkennt man dank Lück: Wer solche Nachbarn hat, braucht keine Freunde mehr. NICOLE SAGENER
OLIVER LÜCK: Neues vom Nachbarn. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012. 317 Seiten, 9,99 Euro.
Der Autor sammelt
Lebensläufe wie andere
Kiesel am Strand
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Oliver Lück klopft auf Europareise neugierig an Türen
Wohlwollend wäre Oliver Lück von Lawrence Sterne wohl kaum beurteilt worden. In seiner „Empfindsamen Reise“ hat der englische Literat eine denkwürdige Kategorisierung von Reisenden etabliert. Den aus Neugierde in die Fremde Aufbrechenden hat er eine „Schwäche des Geistes“ bescheinigt. Anerkennung haben bei Sterne nämlich nur solche Reisende gefunden, die sich treiben oder in Liebesabenteuer verwickeln lassen – empfindsame Reisende eben.
Sterne aber war schon zu seiner Zeit, im 18. Jahrhundert, ein ausnehmend bissiger Vertreter seiner Zunft. Nicht erst seit heute gilt ein am kulturellen Ganzen interessierter Blick auf das Fremde eher als Tugend, erst recht bei dem aus dokumentarischem Antrieb Reisenden.
Als solcher tut sich Oliver Lück mit seinem Buch „Neues vom Nachbarn“ hervor – strotzt er doch vor rastloser Fragelust. Zwei Jahre ist der Autor durch Europa gereist, um Geschichten von bemerkenswerten Menschen zusammenzutragen. Und er hat dies, durchaus sentimental, in einem VW-Bus in Begleitung seiner Hündin Locke getan.
Wie andere Reisende anmutig geschliffene Steine am Strand sammeln, so trägt Lück Lebensläufe zusammen. Das Ergebnis ist ein buntes Gemisch aus Anekdoten: Der Erbauer des ersten tschechischen Heißluftballons erzählt vom Kampf um seinen Traum vom Fliegen, ein passionierter baskischer Chilibauer erklärt die kulturelle Bedeutung der scharfen Schote für sein Volk, ein Schweizer schildert seine Zusammenarbeit mit indischen Filmteams.
Zwischengeschaltet sind immer wieder Exkurse über die Hürden und Absonderlichkeiten, die dem Fahrenden unterwegs begegnen. Bei Unannehmlichkeiten wie kleinen Verkehrsunfällen hilft mehrmals eine verschenkte Flasche Rotwein aus dem größten Schlamassel heraus. Ansonsten öffnet der Wodka nicht selten Türen, vor allem im Osten des Kontinents, wo – so der davon offenkundig überforderte Autor – die Schnapsgläser Richtung Russland immer größer werden. Manches Mal funktionieren Wein oder Hochprozentiges als eine Art Friedenspfeife.
Der Wein, der Bus, der Hund: Man kann sich fragen, ob es solch offensichtlicher Zeichen des spontanen, unkonventionellen On-the-Road-Reisens bedurft hätte – die Auswahl an Porträts in dem Buch ist überraschend genug. Lück erzählt einfach drauf los, in einem sympathisch unprätentiösen, farbigen Gestus. Und er sucht nicht nach dem Typischen, er bevorzugt das Kuriose. Manchmal verlässt sich der Autor allerdings zu sehr auf die bemerkenswerten Lebensgeschichten und spart an pointierter, unterhaltsamer Sprache. Dennoch erkennt man dank Lück: Wer solche Nachbarn hat, braucht keine Freunde mehr. NICOLE SAGENER
OLIVER LÜCK: Neues vom Nachbarn. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012. 317 Seiten, 9,99 Euro.
Der Autor sammelt
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Europa von Mensch zu Mensch. Geo