Geschichten und Erzählungen über die Flucht im Januar 1945 aus Ostpreußen gibt es viele, schließlich betraf dieses Schicksal Millionen. Nur selten aber gibt es Aufzeichnungen dazu, die nicht nach der Flucht niedergeschrieben wurden, sondern in Tagebuchform während der Flucht. Die nach der Flucht zu Papier gebrachten Erinnerungen können Rückschaubetrachtungsweisen aber nur schwer ganz ausblenden. Selbst wenn sie zeitnah verfasst wurden, klingt darin immer auch das ja bereits vorhandene Wissen um den Ausgang an. Flucht-Tagebücher aber sind darum selten, weil die existenzielle Ausnahmesituation das Aufschreiben des Erlebten nicht zuließ. Auch das Fluchttagebuch von Rosemarie Jäger, die damals noch Zander hieß und meine Mutter war, ist natürlich sehr knapp gehalten und fasst meist in nur wenigen Worten das rund um sie Geschehene zusammen. Dennoch bietet es eine eindringliche und überprüfbare Schilderung der damals 21-jährigen Frau, die plötzlich ganz auf sich allein gestellt sich zu ihrer nach Köslin evakuierten Familie durchschlagen musste. Von dort aus ging es in monatelanger Odyssee teils mit dem Zug, teils wie im Dreißigjährigen Krieg mit Soldaten mitziehend kreuz und quer durch Norddeutschland bis in die Nähe von Bremervörde, wo der Neuanfang begann. Rosemarie Zander wusste die meiste Zeit über so gut wie nichts über das, was im weiteren Rahmen um sie herum geschah. Zu besseren Verständnis für den Leser und zur Einordnung werden ihre Aufzeichnungen hier in den Kontext der geschichtlichen Abläufe gestellt. Das geschieht durch in kursiver Schrift gehaltene Einschübe. Ein einleitender Teil stellt die Familie und ihre Lebensumstände vor, ein beschließendes Kapitel den Neuanfang im Norden Westdeutschlands.
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