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In den 1920er und 1930er Jahren wurden auf dem Berg Scopus in Jerusalem mehrere bedeutende jüdische Institutionen etabliert: die Hebräische Universität, die jüdische Nationalbibliothek und das Hadassa-Hospital. Im jüdischen Gemeinwesen in Palästina, dem Jishuw, kam ihnen eine real wichtige, aber auch hochgradig symbolische Bedeutung zu. Infolge des arabisch-israelischen Krieges von 1948 lagen sie jedoch nunmehr auf jordanischem Territorium. In einer von der UNO verwalteten, schwer zugänglichen Enklave wurden sie zum Spielball konkurrierender Souveränitätsansprüche. Die dort befindlichen…mehr

Produktbeschreibung
In den 1920er und 1930er Jahren wurden auf dem Berg Scopus in Jerusalem mehrere bedeutende jüdische Institutionen etabliert: die Hebräische Universität, die jüdische Nationalbibliothek und das Hadassa-Hospital. Im jüdischen Gemeinwesen in Palästina, dem Jishuw, kam ihnen eine real wichtige, aber auch hochgradig symbolische Bedeutung zu. Infolge des arabisch-israelischen Krieges von 1948 lagen sie jedoch nunmehr auf jordanischem Territorium. In einer von der UNO verwalteten, schwer zugänglichen Enklave wurden sie zum Spielball konkurrierender Souveränitätsansprüche. Die dort befindlichen jüdischen Kulturgüter, vornehmlich Bücher und andere Sammlungen, entglitten den Gelehrten, die sie jahrzehntelang sorgsam behütet hatten. Anhand dieser Gegenstände und ihres Schicksals erzählt Yfaat Weiss in ihrem Essay die Geschichte Jerusalems nach Krieg und Teilung.
Autorenporträt
Yfaat Weiss ist Professorin für Jüdische Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem, steht dem Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow vor und ist Professorin für Neuere, insbesondere jüdische Geschichte, an der Universität Leipzig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2022

Streitobjekt im Kampf um Macht und Kultur
Yfaat Weiss rekapituliert die Bedeutung des Bergs Scopus im Jerusalem des zwanzigsten Jahrhunderts

Israels zentrales Bildungsinstitut, die Hebräische Universität, wurde schon 1925 gegründet, lange bevor an einen Staat zu denken war. Ihr Campus lag auf dem Berg Scopus, der über der Altstadt aufragt. Yfaat Weiss - eine Historikerin an der Hebräischen Universität, die heute das Leipziger Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur leitet - beschreibt seine spannungsreiche Entwicklung.

"Ein anderes Heiligtum" heißt das erste Kapitel ihres Buchs. Auf dem Berg Scopus hatte Titus die römischen Legionen stationiert, die Jerusalem eroberten und seinen Tempel zerstörten. Ihre eschatologischen Hoffnungen auf eine Rückkehr aus dem Exil hatten die Juden immer mit dem Bau eines dritten Tempels verbunden, aber die Universität war das Wahrzeichen einer anderen, säkularen Kultur.

Gershom Scholem, der schon früh zum Lehrkörper zählte, und viele andere Dozenten gehörten dem "Brit Schalom" an, dem "Friedensbund", der für einen binationalen Staat von Juden und Arabern eintrat. Bezeichnend ist auch, dass der Präsident der Universität, Judah L. Magnes, ein amerikanischer Reformrabbiner war: Vertreter eines modernen, weltoffenen Judentums, das später, als die politischen und ideologischen Linien sich verhärteten, in Israel nicht mehr Fuß fassen konnte.

In den Dreißigerjahren verschärfte sich die Lage. Aus Europa flohen viele Juden nach Palästina, und die englische Mandatsmacht konnte die Spannungen zwischen ihnen und den Arabern kaum eindämmen. Im November 1947, als das Ausmaß der Schoah schon bekannt war, ratifizierte die UNO den Teilungsplan, und lakonisch stellt Yfaat Weiss fest: Die Hoffnungen, die ihre Gründer "in die Universität als res publica gesetzt hatten, schwanden mit der Erlangung der politischen Souveränität".

Der Berg Scopus war jetzt nur noch in gepanzerten Konvois zu erreichen. Einen Monat vor Ausrufung des Staates, im April 1948, kamen bei einem Überfall auf einen dieser Konvois 77 Menschen ums Leben. Das Krankenhaus, das ebenfalls auf dem Berg lag, wurde geschlossen, und auch die Universität musste ihren Betrieb einstellen.

Am Tag nach der Staatsgründung begann der Unabhängigkeitskrieg, den Israel fast ein Jahr lang gegen arabische Armeen führen musste, und der Berg Scopus wurde zum strategischen Streitobjekt. "Das Krankenhaus und die Hebräische Universität", bestimmte Yigal Alon, Israels stellvertretender Generalstabschef, "dürfen nicht geräumt werden." Ärzte und Gelehrte kämpften um Menschlichkeit und Kultur, die Politiker kämpften um den Berg: Wie ein roter Faden zieht sich diese Trennlinie zwischen zwei Auffassungen durch das Buch.

Im April 1949 schlossen Israel und Jordanien ein Waffenstillstandsabkommen, das Jerusalem zwischen Juden und Arabern aufteilte und den Berg Scopus zur Enklave machte. Die genaue Bedeutung dieses Begriffes aber blieb strittig. 1950 annektierte Jordanien das Westjordanland, und der Berg lag nun auf seinem Hoheitsgebiet. Aus jordanischer Sicht waren die Gebäude der Universität und des Krankenhauses nur der Privatbesitz von Menschen und Institutionen, die das Gelände einst erworben hatten.

Für die Israelis dagegen war der Berg ihr nationales Eigentum, das zeitweilig von seinem Mutterland abgeschnitten war. 1967 eroberten sie das gesamte Westjordanland, 1994 schloss König Hussein Frieden mit Israel, und Jordanien verzichtete auf seine territorialen Ansprüche. Jerusalem galt nun als "wiedervereinigt", und die Universität, die im Westen der Stadt längst einen neuen Campus aufgebaut hatte, kehrte auf den Berg zurück.

Hat die Geschichte den Zionisten also recht gegeben? Verschiedene Parteien mögen diese Frage verschieden beantworten, aber die Geschichte ist unparteiisch. Sie gibt niemandem "recht", sie bestätigt nur eine alte Regel: Wo Geist und Macht zusammenstoßen, muss der Geist allzu oft weichen. JAKOB HESSING

Yfaat Weiss: "Niemandsland". Hader am Berg Scopus.

Aus dem Hebräischen von Jan Eike Dunkhase. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2021. 165 S., Abb., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jakob Hessing liest Yfaat Weiss' Geschichte der Hebräischen Universität mit Interesse. Was die Historikerin über die Entwicklung der Universität auf dem Berg Scopus zu erzählen weiß, vom Kampf um die Institution als Wahrzeichen einer säkularen Kultur, als strategischem Streitobjekt bzw. Privatbesitz, findet Hessing spannend. Auch zeigt sich für ihn, dass die unterschiedlichen Interessenparteien im Streit um Berg und Universität eines nicht ändern konnten: Die Geschichte ist und bleibt unparteiisch.

© Perlentaucher Medien GmbH