Die Betrachtung eines künstlerischen Werkes unter Berücksichtigung der Biographie des Künstlers ist eine von vielen Möglichkeiten der Kunstbetrachtung. Viele Künstlerpersönlichkeiten legen eine solche Herangehensweise nahe. Man denke an die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo (1907 – 1954), die nach einem schweren Busunfall 18 Monate im Bett liegen muss. (.) Man denke an das Gemälde "Selbstbildnis mit verbundenem Ohr" Vincent van Goghs von 1889, das er nach einem Streit mit seinem Freund und Künstlerkollegen Gauguin in der Provence anfertigt. In seiner Wut hat sich der Künstler den unteren Teil seines linken Ohres abgeschnitten. (.) Zeitgenössische Künstler bedienen sich noch direkter der biografischen Inspiration. Im Jahre 1995 schockiert Tracey Emin durch die Installation eines Zeltes, auf dessen Innenwände sie mit Stoffresten die Namen ihrer Liebhaber appliziert hat. (.) Und zuletzt überzeugt der deutsche Photograph Wolfgang Tillmans nicht nur die Jury des Turner-Preises 2000 mit seinen eindringlichen und intimen Bildern, die Szenen und Stillleben aus seinem privaten Umfeld zeigen. Mit dieser Arbeit möchte ich - in Anbetracht der genannten Künstler und ihrer Werke - die These aufstellen, dass die Biographie eines Künstlers einer der wichtigsten Motivationsfaktoren für sein kreatives Schaffen sein kann. Am Beispiel der französisch-amerikanischen Künstlerin Niki de Saint Phalle werde ich versuchen, diese These zu untermauern. Es soll untersucht werden, wodurch die Künstlerin motiviert und inspiriert wurde, sich selbst in ihren Werken zum Ausdruck zu bringen und damit in einen „kreativen Dialog“ (vgl. Niemeyer-Langer 2003, 10) mit ihrer Umwelt zu treten. Mehr noch: Es soll dargestellt werden, dass sich de Saint Phalle hauptsächlich aufgrund der traumatischen Erlebnisse in ihrer Kindheit für ein Leben als Künstlerin entschied.