Der Duft des Südens: Geschichten von reifen Früchten, frischer Meeresbrise und einem historisch getränkten Landstrich. Wo beginnt der Süden, wo Istrien? Beginnt der Süden nach Rijeka, bei der einzigartigen Brücke über den Fluss Rijecina, oder dort, wo man das erste Mal den Duft von Tomaten und Meer riecht? Klima, Landschaft, Geschichte haben die Menschen, die Kultur, die Küche Istriens geprägt. Lidija Klasic ist dem Zauber dieses Landstrichs erlegen und sie ist tief den Menschen hier verbunden: sei es der Schweizer Köchin in einem entlegenen Hotel oder der Freundin, die, dort wo die Eulen wohnen, zu anregenden Grillabenden lädt. Klasic erzählt von einem Brief, den Nora Joyce ihrem Mann von einem Kuraufenthalt in Karojba schickt, sie spürt den Wurzeln eines bedeutenden jüdischen Erfinders nach und berichtet von einer Berliner Straßenbahn in Rovinj.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.06.2017REISEBUCH
Luxus der
Langsamkeit
Lidija Klasic schwärmt vom
kroatischen Sommer
Den Sommer, die Hochsaison, scheut Lidija Klasic. Dann ist ihr zu viel Trubel in Istrien, vor allem unten am Meer. Dort lebt die kroatische Journalistin, die auch für deutsche Medien arbeitet, zeitweise. In Rovinj. Wenn sie sich nicht gerade in Berlin aufhält, ihrem zweiten Wohnort. Klasic mag die Nebensaison, und oft fährt sie auch ins Hinterland der kroatischen Halbinsel, wo es ohnehin nur wenige Touristen hin verschlägt. Und doch heißt ihr charmantes, kundiges Buch, das gespeist ist aus einer Vielzahl von Reisen in ihre Wahlheimat – Klasic stammt ursprünglich aus dem Nordosten des heutigen Kroatiens –, „Noch 172 Tage bis zum Sommer“. Es ist nicht nur dem Titel nach, das merkt man rasch beim Lesen, ein Reisebuch, das ganz stark von der Vorfreude handelt auf die anstehende Saison, auf die heißen Tage und die lauen Abende. Auf den nächsten Besuch – und die meisten Urlauber kommen nun einmal in den Sommerwochen. Auf die Gemütlichkeit vor allem auch. „Die Istrianer haben den Luxus der Langsamkeit noch nicht verlernt“, schreibt Lidija Klasic. „Unweigerlich schleicht sich diese Gelassenheit auch bei den Besuchern ein, bis die Routine des täglichen Lebens irgendwo im Norden die Erinnerungen verblassen lässt.“
Lidija Klasic bewegt sich, wann immer sie in Istrien ist, in einem großen Kreis von Freunden und Bekannten. Insofern kann man ihr als Leser nicht so ohne Weiteres hinterherreisen. Türen, die ihr offen stehen, bleiben anderen verschlossen. Aber wer sich Zeit nimmt und neugierig ist, der wird dennoch viel von dem vorfinden, was Klasic so sehr mag an Istrien. Die kleinen Dörfer, die Zusammenkünfte auf den Plätzen. Die lokale Küche. Auch in Istrien besinnt man sich abseits der überlaufenen Pfade mit all den Imbissständen und Touristenmenü-Restaurants längst wieder auf die heimischen Produkte. Man könne, schreibt Klasic, in Istrien günstig essen, dürfe das aber nicht mit billig verwechseln. „Ich esse lieber einmal am richtigen Ort zu einem angemessenen Preis als mehrmals billig, aber schlecht“, so Klasic, vor allem, wenn es um Trüffelgerichte gehe oder um Fisch.
Grundsätzlich verteufelt die Autorin den Tourismus auch gar nicht: Sie weiß selbst, dass viele kleine Dörfer längst verlassen wären, wenn nicht der Agrotourismus einigen Leuten ein Einkommen ermöglichen würde oder Künstlerkolonien in ihnen entstanden wären. Und sie selbst und viele ihrer Freunde sind auch nur Teilzeitbewohner, Langzeitgäste, wenn man so will, die die Traditionen eines Landlebens fortführen, das ihnen nur deshalb möglich ist, weil sie daneben ein Stadtleben haben, in dem sie den Großteil ihres Lebensunterhalts erwirtschaften. Es gibt allerdings eine kuriose Passage, in der Klasic von Freunden erzählt, die zu Tomatengroßbauern geworden sind und mit der Ernte und Verarbeitung kaum nachkommen.
Wenn Lidija Klasic in Berlin ist, bekommt sie immer wieder Anrufe oder Mails aus Istrien, um den neuesten Tratsch zu erfahren oder auch nur, dass das Gemüse gedeiht oder der Fischfang besonders ertragreich war. Ganz weg ist sie insofern auch nie. Seit jeher sei ein Merkmal dieser Gegend „eine Überfülle an Nationalitäten“, schreibt Klasic. Insofern gehören die Fremden, die zu Wahl-Istrianern werden, von Haus aus zu diesem Landstrich.
STEFAN FISCHER
Lidija Klasic: Noch 172 Tage bis zum Sommer. Eine istrische Reise. Folio Verlag, Wien 2017. 151 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Luxus der
Langsamkeit
Lidija Klasic schwärmt vom
kroatischen Sommer
Den Sommer, die Hochsaison, scheut Lidija Klasic. Dann ist ihr zu viel Trubel in Istrien, vor allem unten am Meer. Dort lebt die kroatische Journalistin, die auch für deutsche Medien arbeitet, zeitweise. In Rovinj. Wenn sie sich nicht gerade in Berlin aufhält, ihrem zweiten Wohnort. Klasic mag die Nebensaison, und oft fährt sie auch ins Hinterland der kroatischen Halbinsel, wo es ohnehin nur wenige Touristen hin verschlägt. Und doch heißt ihr charmantes, kundiges Buch, das gespeist ist aus einer Vielzahl von Reisen in ihre Wahlheimat – Klasic stammt ursprünglich aus dem Nordosten des heutigen Kroatiens –, „Noch 172 Tage bis zum Sommer“. Es ist nicht nur dem Titel nach, das merkt man rasch beim Lesen, ein Reisebuch, das ganz stark von der Vorfreude handelt auf die anstehende Saison, auf die heißen Tage und die lauen Abende. Auf den nächsten Besuch – und die meisten Urlauber kommen nun einmal in den Sommerwochen. Auf die Gemütlichkeit vor allem auch. „Die Istrianer haben den Luxus der Langsamkeit noch nicht verlernt“, schreibt Lidija Klasic. „Unweigerlich schleicht sich diese Gelassenheit auch bei den Besuchern ein, bis die Routine des täglichen Lebens irgendwo im Norden die Erinnerungen verblassen lässt.“
Lidija Klasic bewegt sich, wann immer sie in Istrien ist, in einem großen Kreis von Freunden und Bekannten. Insofern kann man ihr als Leser nicht so ohne Weiteres hinterherreisen. Türen, die ihr offen stehen, bleiben anderen verschlossen. Aber wer sich Zeit nimmt und neugierig ist, der wird dennoch viel von dem vorfinden, was Klasic so sehr mag an Istrien. Die kleinen Dörfer, die Zusammenkünfte auf den Plätzen. Die lokale Küche. Auch in Istrien besinnt man sich abseits der überlaufenen Pfade mit all den Imbissständen und Touristenmenü-Restaurants längst wieder auf die heimischen Produkte. Man könne, schreibt Klasic, in Istrien günstig essen, dürfe das aber nicht mit billig verwechseln. „Ich esse lieber einmal am richtigen Ort zu einem angemessenen Preis als mehrmals billig, aber schlecht“, so Klasic, vor allem, wenn es um Trüffelgerichte gehe oder um Fisch.
Grundsätzlich verteufelt die Autorin den Tourismus auch gar nicht: Sie weiß selbst, dass viele kleine Dörfer längst verlassen wären, wenn nicht der Agrotourismus einigen Leuten ein Einkommen ermöglichen würde oder Künstlerkolonien in ihnen entstanden wären. Und sie selbst und viele ihrer Freunde sind auch nur Teilzeitbewohner, Langzeitgäste, wenn man so will, die die Traditionen eines Landlebens fortführen, das ihnen nur deshalb möglich ist, weil sie daneben ein Stadtleben haben, in dem sie den Großteil ihres Lebensunterhalts erwirtschaften. Es gibt allerdings eine kuriose Passage, in der Klasic von Freunden erzählt, die zu Tomatengroßbauern geworden sind und mit der Ernte und Verarbeitung kaum nachkommen.
Wenn Lidija Klasic in Berlin ist, bekommt sie immer wieder Anrufe oder Mails aus Istrien, um den neuesten Tratsch zu erfahren oder auch nur, dass das Gemüse gedeiht oder der Fischfang besonders ertragreich war. Ganz weg ist sie insofern auch nie. Seit jeher sei ein Merkmal dieser Gegend „eine Überfülle an Nationalitäten“, schreibt Klasic. Insofern gehören die Fremden, die zu Wahl-Istrianern werden, von Haus aus zu diesem Landstrich.
STEFAN FISCHER
Lidija Klasic: Noch 172 Tage bis zum Sommer. Eine istrische Reise. Folio Verlag, Wien 2017. 151 Seiten, 20 Euro.
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