vollständige Fassung, kommentiert und in Neuer Deutscher Rechtschreibung Der fiktive Südamerika-Staat Costaguana, seit Jahrzehnten geprägt von Diktaturen, Bürgerkriegen und blutigen Regimewechseln. Eine Silbermine wird zum Gegenstand machtvoller Interessen im In- und Ausland. Durch eine neuerliche Revolution wird sie von den anderen Landesteilen Costaguanas getrennt. Für die eingewanderten Italiener wird Costaguana nach dem Scheitern der europäischen Revolutionen von 1848 zum wichtigen Exil. Die Titelfigur, der Seemann Nostromo, ist ein gestrandeter Italiener. Nostromo arbeitet für Mitchell, der die örtliche Niederlassung einer englischen Schiffsgesellschaft, der O. S. N. Company, leitet. Der Eigentümer der Miene beauftragt Nostromo, die letzte Ladung Silberbarren in Sicherheit zu bringen, dabei kommt es zum Zusammenstoß mit den Putschisten. "Nostromo" gilt als einer der wichtigsten englischsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts. Null Papier Verlag
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2024In den Häfen
spuken die Geister
In den Abkürzungen steckt die Moderne. Es gibt noch Segelschiffe, aber das Kommando über die Handelsaktivitäten im Hafen von Sulaco führt die OSN, die Oceanic Steam Navigation Company. Die Dampfschiffe werden von Kapitalströmen umspült. In Joseph Conrads „Nostromo“, 1904 erschienen, klingt der Name des Titelhelden nach Magie, die südamerikanische Republik Costaguana wie erfunden (und ist es auch), und in der Silbermine spuken die Geister der Schatzsucherei. Aber nicht die Geister rumoren, sondern die Befreiungsbewegungen der indigenen Bevölkerung. Die politischen Akteure verbünden sich mit dem Pressewesen. Conrad überführt den Abenteuerroman in die industrielle Welt. In der Abgründigkeit der Figuren steckt deren Kritik. „Geschäftsleute sind oft ebenso lebhaft und einfallsreich wie Liebende.“ Das ist ein Schlüsselsatz.
LOTHAR MÜLLER
Joseph Conrad:
Nostromo. Roman.
Aus dem Englischen
übersetzt von Julian
Haefs und Gisbert
Haefs. Mit einem
Nachwort von Robert
Menasse. Manesse
Verlag, München 2024.
560 Seiten, 38 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
spuken die Geister
In den Abkürzungen steckt die Moderne. Es gibt noch Segelschiffe, aber das Kommando über die Handelsaktivitäten im Hafen von Sulaco führt die OSN, die Oceanic Steam Navigation Company. Die Dampfschiffe werden von Kapitalströmen umspült. In Joseph Conrads „Nostromo“, 1904 erschienen, klingt der Name des Titelhelden nach Magie, die südamerikanische Republik Costaguana wie erfunden (und ist es auch), und in der Silbermine spuken die Geister der Schatzsucherei. Aber nicht die Geister rumoren, sondern die Befreiungsbewegungen der indigenen Bevölkerung. Die politischen Akteure verbünden sich mit dem Pressewesen. Conrad überführt den Abenteuerroman in die industrielle Welt. In der Abgründigkeit der Figuren steckt deren Kritik. „Geschäftsleute sind oft ebenso lebhaft und einfallsreich wie Liebende.“ Das ist ein Schlüsselsatz.
LOTHAR MÜLLER
Joseph Conrad:
Nostromo. Roman.
Aus dem Englischen
übersetzt von Julian
Haefs und Gisbert
Haefs. Mit einem
Nachwort von Robert
Menasse. Manesse
Verlag, München 2024.
560 Seiten, 38 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Man muss sich bei der Lektüre dieses Romans einfach treiben lassen, empfiehlt Rezensent Paul Ingendaay angesichts der von Gisbert und Julian Haefs neu besorgten Übersetzung von Joseph Conrads "Nostromo", das im fiktiven lateinamerikanischen Land Costaguana angesiedelt ist und dessen "blutige Geschichte" enthüllt. Mit den Erzählbewegungen, die stetig in der Zeit vor und zurück springen, nähert sich Conrad seinen Figuren "wie ein Staubsauger", so Ingendaay, etwa dem unterkühlten Investor Holroyd oder der Familie Gould, die die zentrale Silbermine betreibt. Die Figuren werden mit ausgeklügelter psychologischer Rafinesse in all ihrer Abgründigkeit und Menschlichkeit geschildert, so Ingedaay - also Zeit, diesen großen Roman neu zu entdecken, der zu seinem Erscheinen 1904 ein Misserfolg war, schließt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Erstaunlich modern und staunenswert zeitgemäß.« Buchkultur