Von Bettlern und Businessmen, Heiligen und Huren Die Grundregel jedes guten Reporters lautet: Nichts schon wissen, alles vor Ort erfahren. Andreas Altmann hat sich daran gehalten. Er hat sich in Bombay in den Zug gesetzt und ist einfach drauflos gefahren. Mit dem festen Vorsatz, Indien mit allen Sinnen in sich aufzunehmen. Altmann sucht den Menschen und er findet ihn, in Slums, Bordellmeilen, Hindu-Heiligtümern und in der drangvollen Enge der Indian Railways. «Altmann reist nicht stellvertretend für Abenteuerarme. Er berichtet, um zu verführen, will . Schon passiert.» (Hamburger Morgenpost) «Geradezu glücklich dürften Daheimgebliebene sein, wenn sie die Geschichten des Reisejournalisten Andreas Altmann lesen.» (NDR)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2004Auszeit ohne Erleuchtung
Ein Mann reist mit dem Zug durch Indien, sitzt dabei unbequem und bekommt Selbstzweifel. "Ich würde gerne wissen", schreibt er, "warum ich mir den Beruf des Reporterschweins ausgesucht habe. Warum ich nicht, sagen wir, ein Genie wie Somerset Maugham geworden bin." Das wüßte der Leser auch gerne, denn dann hätte der Mann dieses Buch nicht geschrieben. Jetzt ist es zu spät, und man erfährt, welche Mitreisenden das Reporterschwein vorzugsweise anredet ("Meine Lieblingsopfer sind Frauen, die lesen"), welche Erkenntnisse es beim Anblick von Nacktbadenden gewinnt ("Die Erfindung von Textilien zur Bedeckung des Leibes ist eine menschenfreundliche Erfindung") oder welche außergewöhnlichen Sprachbilder ihm einfallen (Springfluten schwappen, Bevölkerungsexplosionen blockieren Türen, in Schlünden wohnen Menschen). Außerdem lernt man, daß der Mann vor seiner Reporterschweinkarriere einen Sommer lang in einem Ashram gewohnt hat, ohne die Erleuchtung zu finden, daß er sich vor dicken Mittelklasse-Inderinnen ekelt, daß er Gandhi gerne kumpelhaft als "Alten", Frauen in der Manier von Dorfdisco-Conferenciers als "Ladies" und eine berichtenswerte Geschichte am liebsten als "story" bezeichnet. Eine zu verpassen ist ihm ein Graus. Zu seinem Glück findet er jede Menge Stories, was in Indien kein Kunststück ist, läßt sie dann aber oft links liegen. In Bangalore zum Beispiel treibt er einen Witwer auf, einen einfachen Mann, der für seine früh verstorbene Frau das Taj Mahal im Miniaturformat nachgebaut hat - ein Motiv für ein Epos. Doch kaum sitzt er dem Witwer gegenüber, ist er auch schon wieder weg, auf der Suche nach der nächsten Story. Genau das ist das Manko dieses Buchs: Sein Autor interessiert sich für Geschichten, für Szenen, für kurze Begegnungen, für seine Reise, für sich, aber nicht wirklich für Indien. Seine Neugier ist Selbstbefriedigung, nicht Erkenntnisdrang, sein Staunen mehr Koketterie als Überwältigung. Er sieht Indien, aber nicht seinen Sinn, sondern meistens nur sich selbst. Manchmal liest sich das ganz apart. Mit der Zeit aber wird es belanglos.
str.
"Notbremse nicht zu früh ziehen! - Mit dem Zug durch Indien" von Andreas Altmann. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2003. 188 Seiten, eine Karte. Broschiert, 7,90 Euro. ISBN 3-499-23374-6.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Mann reist mit dem Zug durch Indien, sitzt dabei unbequem und bekommt Selbstzweifel. "Ich würde gerne wissen", schreibt er, "warum ich mir den Beruf des Reporterschweins ausgesucht habe. Warum ich nicht, sagen wir, ein Genie wie Somerset Maugham geworden bin." Das wüßte der Leser auch gerne, denn dann hätte der Mann dieses Buch nicht geschrieben. Jetzt ist es zu spät, und man erfährt, welche Mitreisenden das Reporterschwein vorzugsweise anredet ("Meine Lieblingsopfer sind Frauen, die lesen"), welche Erkenntnisse es beim Anblick von Nacktbadenden gewinnt ("Die Erfindung von Textilien zur Bedeckung des Leibes ist eine menschenfreundliche Erfindung") oder welche außergewöhnlichen Sprachbilder ihm einfallen (Springfluten schwappen, Bevölkerungsexplosionen blockieren Türen, in Schlünden wohnen Menschen). Außerdem lernt man, daß der Mann vor seiner Reporterschweinkarriere einen Sommer lang in einem Ashram gewohnt hat, ohne die Erleuchtung zu finden, daß er sich vor dicken Mittelklasse-Inderinnen ekelt, daß er Gandhi gerne kumpelhaft als "Alten", Frauen in der Manier von Dorfdisco-Conferenciers als "Ladies" und eine berichtenswerte Geschichte am liebsten als "story" bezeichnet. Eine zu verpassen ist ihm ein Graus. Zu seinem Glück findet er jede Menge Stories, was in Indien kein Kunststück ist, läßt sie dann aber oft links liegen. In Bangalore zum Beispiel treibt er einen Witwer auf, einen einfachen Mann, der für seine früh verstorbene Frau das Taj Mahal im Miniaturformat nachgebaut hat - ein Motiv für ein Epos. Doch kaum sitzt er dem Witwer gegenüber, ist er auch schon wieder weg, auf der Suche nach der nächsten Story. Genau das ist das Manko dieses Buchs: Sein Autor interessiert sich für Geschichten, für Szenen, für kurze Begegnungen, für seine Reise, für sich, aber nicht wirklich für Indien. Seine Neugier ist Selbstbefriedigung, nicht Erkenntnisdrang, sein Staunen mehr Koketterie als Überwältigung. Er sieht Indien, aber nicht seinen Sinn, sondern meistens nur sich selbst. Manchmal liest sich das ganz apart. Mit der Zeit aber wird es belanglos.
str.
"Notbremse nicht zu früh ziehen! - Mit dem Zug durch Indien" von Andreas Altmann. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2003. 188 Seiten, eine Karte. Broschiert, 7,90 Euro. ISBN 3-499-23374-6.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Etwas belanglos findet die Rezensentin mit dem Kürzel "str." dieses Indienbuch, dessen Autor sich für vieles interessiere, bloß irgendwie für Indien nicht. So bewertet die Rezensentin seine Neugier bei der beschriebenen Zugfahrt durchs Land als Selbstbefriedigung, Erkentnisdrang kann sie dahinter nicht erkennen. Auch sein Staunen sieht für sie mehr nach Koketterie als nach Überwältigung aus. "Zum Glück findet er jede Menge Stories", lesen wir "was aber in Indien kein Kunststück ist".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Altmann reist nicht stellvertretend für Abenteuerarme. Er berichtet, um zu verführen, will den Leser mit Sehnsucht vergiften Hamburger Morgenpost Geradezu glücklich dürften Daheimgebliebene sein, wenn sie die Geschichten des Reisejournalisten Andreas Altmann lesen." -- NDR
Geradezu glücklich dürften Daheimgebliebene sein, wenn sie die Geschichten des Reisejournalisten Andreas Altmann lesen. NDR