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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Von der Königskirche zum Nationaldenkmal: Thomas W. Gaehtgens macht die Geschichte der Pariser Kathedrale Notre-Dame lebendig.
Der Kunsthistoriker Thomas W. Gaehtgens legt einen schmalen Band über die Pariser Kathedrale Notre-Dame vor. Wer in dem materialreichen, informativen und gut geschriebenen Büchlein über den im April 2019 bei einem Brand schwer beschädigten Kirchenbau zu lesen beginnt, wird es nicht mehr zur Seite legen. Der Leser spürt schnell den großen Kenner Frankreichs, der hier fortsetzt, was er Mitte der achtziger Jahre mit einem stattlichen Bildband über "Versailles" begann: französische Schlösser und Kathedralen als Nationaldenkmäler in den Blick zu nehmen. Auch sein Buch über "Die brennende Kathedrale" von Reims (F.A.Z. vom 19. September 2018) gehört in diese Reihe.
Gaehtgens lässt die jahrhundertealte Geschichte von Notre-Dame, einem Bauwerk der französischen Frühgotik, dessen Grundstein 1163 gelegt wurde, wie auf einer Bühne lebendig werden, zeigt ihren Wandel, der immer wieder auch große stilistische Veränderungen zur Folge hatte. Zur Illustrierung dieser Entwicklung tragen die Abbildungen bei. Die erste gilt dem Annenportal, dem ältesten der drei Westportale, das noch aus einer Vorgängerkirche stammt. Es stellt das Madonnenmotiv "Notre-Dame" als Symbol der Kirche dar, der auch die Könige zu dienen hatten.
Entsprechend beginnt das Buch mit der Beschreibung des Krönungszeremoniells, wie es 1350 von König Johann dem Guten überliefert ist: Salbung mit dem heiligen Öl und Krönung in Reims, dann der Besuch der Abteikirche St. Denis, der Begräbnisstätte der französischen Könige - und erst danach begab sich der König zur Kathedrale Notre-Dame und betrat diese durch das Weltgerichtsportal. Dort hatte er den Schwur abzulegen, die Rechte der Kirche zu respektieren und zu verteidigen.
Während Gaehtgens das erste Kapitel vor allem der Architektur widmet und dabei auf die stilistischen Verwandlungen vom Mittelalter bis zur Renaissance eingeht, gilt das zweite Kapitel der "Kathedrale der Könige". Den Einstieg bildet die spektakuläre und politisch brisante Hochzeit von Heinrich, König von Navarra, Anführer der Hugenotten, und Marguerite de Valois, der Katholikin, im Jahr 1572. Diese Eheschließung, nicht vom Bischof von Notre-Dame vollzogen, fand auf einem Podest vor der Fassade der Kathedrale statt. Am feierlichen Hochamt nahm dann nur die katholische Braut teil, während ihr Gemahl mit seinem Gefolge die Kathedrale verließ.
Mit dieser Eheschließung war laut Gaehtgens die Erwartung verbunden, in der Epoche der Reformation das Ende des Bürgerkrieges und der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten herbeizuführen. Das Gegenteil war der Fall, wenige Tage später folgte die blutige Bartholomäusnacht, der Tausende Hugenotten zum Opfer fielen. Erst über zwanzig Jahre später konvertierte Heinrich zum katholischen Glauben und zog als Heinrich IV., König von Frankreich und Navarra, in die Hauptstadt und zur Messe in Notre-Dame ein. 1685 widerrief Ludwig XIV. dessen Edikt von Nantes, wodurch die Verfolgungen und Vertreibungen der Hugenotten zur offiziellen Politik erklärt wurden. Zur Bitte umgemünzt, (allein) der katholischen Nation ihren Schutz zu gewähren, bringt das die barocke Umgestaltung des Chors mit der dreiteiligen Figurengruppe - Ludwig XIV. und sein Vater Ludwig XIII. wenden sich an die Pietà - zum Ausdruck.
Gaehtgens drittes Kapitel gilt der "Kirche der Nation". Die entscheidende Wende brachte die Französische Revolution. Aber bevor schließlich über hundert Jahre später die Trennung von Kirche und Staat durchgesetzt wurde, fand noch einmal ein spektakuläres Großereignis statt, die Kaiserkrönung Napoleons I. im Jahr 1804. Die Kathedrale wurde zu diesem Anlass so pompös umgestaltet, dass ihre Architektur im Innern gar nicht mehr zu erkennen war.
Auf den letzten Seiten des Buches widmet sich Gaehtgens der Bedeutung von Notre-Dame nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Sie habe die Funktion als Bedeutungsträger nationaler Geschichte beibehalten, aber in Respektierung der Trennung von Kirche und Staat seien nach 1918 der Präsident und die Minister den Messen ferngeblieben. In seinem Roman "Notre-Dame de Paris" schrieb Victor Hugo, jede Zivilisation sei ursprünglich theokratisch und münde schließlich in die Demokratie. Die Geschichte der Kathedrale von Notre-Dame kann man dafür als Beispiel ansehen.
STEFAN TRINKS
Thomas W. Gaehtgens:
"Notre-Dame". Geschichte einer Kathedrale.
C. H. Beck Verlag, München 2020. 128 S., Abb., br., 9,95 [Euro].
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, Jürgen Kaube
"Eine Hommage an ein Bauwerk, in dem sich die Vergangenheit der Hauptstadt Frankreichs wie wohl an keinem anderen Ort spiegelt und verdichtet und in dem sie gegenwärtig und lebendig wird."
Neue Züricher Zeitung, Clemens Klünemann
"Weit mehr als alles Nötige zum Verständnis dieses Baudenkmals."
Tagesspiegel, Bernhard Schulz
"Dieses kleine handliche Buch gibt alles." KunstbuchAnzeiger.de, Gabriele Klempert
"Exzellent bebildert und in einer schönen Sprache verfasst."
sehepunkte, Peter Hoeres
"(Nimmt) sich auf knappem Raum großen Themen aus Vergangenheit und Gegenwart an."
Kölner Stadt-Anzeiger am Sonntag, Stephan Klemm
"Ebenso kompakt wie detailgestützt."
Der Freitag, Erhard Schütz
"Wer in dem materialreichen, informativen und gut geschriebenen Büchlein (...) zu lesen beginnt, wird es nicht mehr zur Seite legen." Frankfurter Allgemeine Zeitung, Stefan Trinks