Christoph König nimmt in seinem Buch ein einzelnes Gedicht in den Fokus: »O komm und geh« aus Rilkes Zyklus »Die Sonette an Orpheus« (1922). Große Gedichte, schreibt er, sind wie Subjekte, ebenso entschieden wie selbständig, und sie erheben den Anspruch, gemäß ihrer Eigenart gelesen zu werden. König interpretiert das Gedicht und zeigt die Voraussetzungen seiner Lektüre: Rilkes Idiomatik, die Aneignung literarischer Traditionen, seine Korrespondenz, die 55 Sonette des Zyklus als die Welt des Sonetts, und vor allem die Selbstreflexion der Gedichte. Ein neues Bild Rilkes entsteht: Hinter dem populären, esoterischen, philosophischen oder mythopoetischen Autor wird der Skeptiker greifbar, der in seinem Werk über die Möglichkeitsbedingungen poetischer Erkenntnis nachdenkt. Königs Lektüre, die immer wieder zu dem Gedicht zurückkehrt, umfasst in gleichem Maß die Interpretationsgeschichte, der sie gegenübertritt: König stellt sie in zwanzig Lektüreporträts - von Heidegger, Wittgenstein, Paul Hoffmann, Beda Allemann, Ulrich Fülleborn, Celan oder Eich - dar. Somit liegt ein Buch über einen neuen »Rilke« vor, und ein Buch, das das Potential einer wissenschaftsgeschichtlich aufgeklärten, kritischen Hermeneutik demonstriert.
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