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Der erste Gedichtband von Judith Zander Judith Zander, die für ihren Roman >Dinge, die wir heute sagten oder tau Sprache große Präsenz gewinnen.Mit ebenso viel Wirklichkeitssinn wie poetischer Imagination beschreibt sie ihre Welt - immer der Natur, den Dingen und Empfindungen nah.

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Produktbeschreibung
Der erste Gedichtband von Judith Zander Judith Zander, die für ihren Roman >Dinge, die wir heute sagten< großes Lob und viel Aufmerksamkeit erhielt, wurde schon vielfach für ihre Gedichte ausgezeichnet. In >oder tau< hält sie Beobachtungen, Stimmungen, Eindrücke fest, die durch ihre sehr genaue Sprache große Präsenz gewinnen.Mit ebenso viel Wirklichkeitssinn wie poetischer Imagination beschreibt sie ihre Welt - immer der Natur, den Dingen und Empfindungen nah.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Judith Zander wurde 1980 in Anklam geboren und lebt heute in Greifswald. Sowohl ihre Prosa als auch ihre Lyrik wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem 3sat-Preis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs, dem Uwe Johnson-Förderpreis, dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis, dem Fontane-Literaturpreis 2021 und dem Peter-Huchel-Preis 2023.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2012

Doppelbödige Zauberstücke
In ihrem Lyrikband "oder tau" beweist Judith Zander ihre erstaunliche Souveränität

Am Schluss ihres Gedichtbandes "oder tau", dort, wo andere Lyriker ihren Gedichten Gebrauchsanweisungen, Worterklärungen, Zitatnachweise, poetologische Statements oder genaue Entstehungsdaten mitgeben, dort also, wo Zusatzinformationen den Lesern Hilfestellung leisten sollen, finden sich bei Judith Zander drei vorbildliche Gedichte berühmter Autoren: Hölderlins "Diotima", Robert Burns' "A Red, Red Rose" und Sarah Kirschs "Ich in der Sonne deines Sterbemonats". Die Begründung für diese ungewöhnlichen Referenzen, die sich Judith Zander für ihre eigenen Gedichte besorgt hat, lautet: "Einige der Gedichte sind Palimpseste, die ohne den deutlich hindurchschimmernden Vorgänger nicht existieren könnten. Weshalb auch dem Leser der doppelte Boden nicht entzogen werden soll."

Genauer (und schöner) lässt sich nicht sagen, wie die Gedichte von Judith Zander organisiert sind und was sie leisten. Es sind doppelbödige Zauberkunststücke, die sich ebenso an den überlieferten Vorbildern orientieren, wie sie sich an den Leser richten: Von beiden leben sie, und ohne sie leben sie nicht. Judith Zander zeigt in und mit ihren Gedichten, was ihnen vorausging und was sie erst ermöglicht hat; und der Leser, den sie sich vorstellt, soll wissen wollen, was hinter den Gedichten steckt - eine Konstellation, die viele Spielarten der sogenannten "Intertextualität" vom Zitat über die Anspielung bis zur Aneignung begünstigt. Sie verwandelt Rolf Dieter Brinkmanns formwilde "Westwärts"-Verse in ein zitatgespicktes und sogar gereimtes Sonett, widmet dem Gärtner von "sans soucis" ein "lehrgedicht aus der alten zeit" und kauft dem "geheimen rat" bei den Dornburger Schlössern einen Ginkgo-Setzling ab.

Den doppelten Boden ihrer Gedichte erreicht Judith Zander mit Doppel- und Mehrdeutigkeiten. Als Beispiel diene das Gedicht "Elpe, die". Die Elpe ist, worüber gleich die erste Zeile des Gedichts informiert, die "abk. einer abkürzg", also die Abkürzung für die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft). Eine solche LPG wird dann auch zitiert: "unsre lpg hat hundert gänse". Das ist ein immer noch beliebter Ostrock-Song der Klaus-Renft-Combo aus dem Jahr 1973, in dem die Harmlosigkeit erzählt wird, wonach zwar die Schar der hundert Gänse, nicht aber das Gänselieschen, das sie behütet, "zu einem Volkseigentum" gemacht werden kann. Das Gedicht "Elpe, die" charakterisiert DDR-spezifische Befindlichkeiten am Beispiel eines Dorfes, das einigermaßen heruntergekommen zu sein scheint. Darauf deutet der "schandfleck" hin, der verwahrloste Gutshof, auf dessen Ruinen man für die LPG einen "kälberstall" errichtet hat. Heute, so schließt das Gedicht, hört man dort morgens, wie vorzeiten, anstelle der volkseigenen Gänse nur noch das Kreischen der Kraniche, die auf dem Flug nach Süden im nahe gelegenen Peenetal ihren Rastplatz haben.

Man übertreibt sicher nicht, wenn man Judith Zander nachsagt, sie sei tief verwurzelt in der Landschaft an der Ostsee, wo sie auch ihren Roman "Dinge, die wir heute sagten" angesiedelt hat. Dem Darß, dem Bodden, dem Fischland und dem Ort Ahrenshoop mit seiner Künstlerkolonie gelten einige ihrer Gedichte. Von "düsteren landschaften" ist einmal die Rede, allerdings auch von dem "weiteren horizont", der sich dem Betrachter öffnet. Hier entwickelte Judith Zander aus dem, "was mich anging", ihre ganz eigene "art", die, den Gezeiten entsprechend, "zu flug und flut neigt", aber auf "unredliches reet", wie man es am reetgedeckten "romantik hotel" mit dem Café "namenlos" erblicken muss, drastisch "scheißt".

Provinzielle Enge und weltläufige Weite schließen sich nicht aus; plattdeutsche Wendungen und viel Englischsprachiges vor allem aus der Popmusik bezeugen das. So weit sich die Autorin auch räumlich von ihrem heimatlichen Ausgangspunkt entfernen mag - Leipzig, Finnland, Kambodscha und Indien treten in den Blick -, sie bleibt doch immer ihrer eigenartigen, autochthonen Sprachkunst treu: Die durchgehende Kleinschreibung, der Verzicht auf Interpunktion, die kursiv gesetzten Zitate, die lustigen Neologismen und die raffinierten Zeilenbrüche führen zu überraschenden Irritationen. Denn die Verse wirken zunächst wie Anakoluthe: Man erkennt nicht gleich, ob und wo ein Satz endet und ob ein Wort noch zum vorhergehenden oder schon zum anschließenden Satz gehört. So wird die Lektüre zum Dechiffrierungsunternehmen.

Es sind, alles in allem, heitere, gelegentlich sogar übermütige Gedichte. Sie verfangen sich nicht in lyrischer Abgründigkeit und selbstbezogener Daseinstrauer. Sie umgehen das ominöse "lyrische Ich" und bevorzugen stattdessen das berichterstattende "Wir", wie in dem geradezu sprachwissenschaftlich grundierten Gedicht "grundlegende": "dennoch gaben wir eine parole aus wie / wiesenschaumkraut waldlehrpfad hießen / wir uns einander in solchen / zeiten vertraute und solchen leugneten / wir die langue ab die legende diesem / wald- und wiesenlexikon keine karte / ward den grundbucheintragungen / beigegeben in der tat / aber nahmen wir welche vor und / zugegeben verklebten wir zwittrige / blüten mit kuckucksspucke". Wer das entziffert, darf sich belohnt fühlen: Er hat in ein Grundbuch gegenwärtiger Lyrik Einblick genommen.

WULF SEGEBRECHT

Judith Zander: "oder tau". Gedichte.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011. 98 S., br., 11,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Viel Lob spendet Rezensent Burkhard Müller diesem Lyrikband von Judith Zander. Besonders gut gefällt ihm, wie sie ihre Lebenserfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern mit englischen Versatzstücken kombiniert und damit eine "angelsächsische Sehnsucht" in die Gedichte fließen lässt. Er zitiert ein schönes Beispiel für die Beschreibung eines ländlichen Sommers: "un de katten sün high". Auch die Art, wie sie das Enjambement, also den Verssprung benutzt, findet er originell. Nicht alles ist gleich gut gelungen (aber wann ist es das schon?), und manchmal findet er die Wortspiele etwas zu "raffiniert", aber alles in allem steht er zu seinem Lob.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Palimpseste der Judith Zander vereinen schlagkräftige Satire und subtile Ironie. (...) So locker, leicht und frisch werden Traditionen selten entstaubt. (...) Von den Erinnerungen an Kindheit und frühe Jugend über die Liebes- und Körpertexte bis zu den Raum-Gedichten und unorthodoxen Wind- und Wetterversen entwickelt sie ihren eigenen Stil. Als Erfinderin von "Mischworten" ist die Lyikerin unübertroffen. In Worten wie 'schrumpfhaus', 'duckhäusertum', 'scherenschritte' oder 'schattenklinge' schwingen ganze Lebensläufe mit." -- Dorothea von Törne, Die Welt - Die literarische Welt
Es klingt erwas Mädchenhaftes, Vergnügtes, Unernstes an in Zanders Gedichten, in denen es zumeist um die Natur, die Liebe, auch um Familienbeziehungen geht. Sebastian Hammelehle Spiegel Online 20111130