Satire oder nicht
Wer da glaubt, die Romane eines Comedians müssten doch lustig oder zumindest amüsant sein, der irrt sich gewaltig. Herman Koch nämlich, niederländischer Autor, Schauspieler, Kolumnist und TV-Comedian, ist eher ein schreibender Misanthrop, sein Roman «Odessa Star» von 2003, zehn
Jahre später auch auf Deutsch erschienen, zeigt dies sehr deutlich. Es ist nämlich eine geradezu…mehrSatire oder nicht
Wer da glaubt, die Romane eines Comedians müssten doch lustig oder zumindest amüsant sein, der irrt sich gewaltig. Herman Koch nämlich, niederländischer Autor, Schauspieler, Kolumnist und TV-Comedian, ist eher ein schreibender Misanthrop, sein Roman «Odessa Star» von 2003, zehn Jahre später auch auf Deutsch erschienen, zeigt dies sehr deutlich. Es ist nämlich eine geradezu niederschmetternde Geschichte, thematisch der Fernsehserie «Breaking Bad» verwandt, die sich aus einer derart bösartigen Erzählhaltung heraus entwickelt, dass man sich als Leser am Ende einfach nur resigniert wünscht: Hätte man doch dieses unerfreuliche Buch nie zu Hand genommen!
Den Durchbruch zum Bösen begeht hier Fred Moorman, ein Endvierziger in der Midlife-Crisis, der unter seinem so völlig unspektakulären Leben leidet, sich als Versager fühlt. Er wünscht sich sehnlich einen anderen Bekanntenkreis, schämt sich für seinen popligen Opel, träumt stattdessen von einem schwarzen Jeep Cherokee mit allem Schnickschnack. Als ihm sein protzig auftretender ehemaliger Schulkamerad Max G. begegnet, sieht er in dem vermutlich mafiosen Jugendfreund einen Helfer für den Aufstieg aus seinem drögen Mittelstandsdasein. Was folgt ist eine haarsträubende Geschichte, in deren Verlauf wir nicht nur die bucklige Verwandtschaft des fragwürdigen Helden näher kennen lernen, sondern auch ihn selbst, wir erleben ihn samt Frau und halberwachsenem Sohn zum Beispiel bei einem Urlaub auf Menorca. Währenddessen sorgen der zwielichtige Freund und dessen Bodyguard dafür, dass die unliebsame Mitbewohnerin in Freds Haus spurlos verschwunden ist, als er zurückkommt.
Die dezent eingebauten Thrillerelemente kontrastieren mit vielen geradezu unappetitlichen Szenen im Leben dieses Antihelden, dessen Häme vor nichts haltzumachen scheint. Seien es die schon eine viertel Stunde vor Öffnung des Speisesaals «wie eine Herde an einem Wasserloch» wartenden Senioren im Hotel, über die er sich ärgert, die einen penetranten Geruch nach Apotheke und Windeln ausströmen und dann binnen kurzem das Buffet ratzeputz leer fressen, oder der mongoloide Junge, dessen Anblick ihn so stört, dass er ihn am liebsten im Pool ertränken würde. Er mokiert sich aber auch über die grottenhässlichen Belgier und die ewig Fish and Chips mampfenden Engländer, der menschenfeindliche Protagonist gehört also unzweifelhaft zur Spezies der Kotzbrocken. Man fragt sich als Leser, mit welchem Kalkül der Autor seine wirre Geschichte mit so unappetitlichen Szenen wie die Kopulation des Nägel kauenden Französischlehrers mit seiner hässlichen Frau oder die Ekel erregenden Zustände in der Wohnung seiner dementen Mitbewohnerin anreichert. Ist es der pure Spaß am Unkorrekten, Geschmacklosen, Gehässigen? Ist diese sarkastische, zynische Erzählhaltung ein bewusst eingesetztes Stilmittel, trickreich die Erwartungen der Leser zu konterkarieren, sind alle diese Tiraden eines Egomanen also nur als Satire zu verstehen?
Dann aber wäre die Übertreibung als typisches Kennzeichen der Satire hier auf die Spitze getrieben, die Grenze zur Verunglimpfung ist eindeutig überschritten. Ich hatte vielmehr das ungute Gefühl, dem Autor ist seine Story irgendwie entglitten. Denn vieles daran ist derart haarsträubend und verworren, dass man sich nur wundert, - die völlig abstruse Szene um die TV-Sendung «Wer wird Millionär» ist ein beredtes Beispiel dafür, aber auch der Mord an Max G. oder die manipulierte Gasleitung des Schwagers. Und wenn der Junge mit Dow-Syndrom als «Mongo» bezeichnet wird, als ein Halbmensch, dessen Eltern sich schämen müssten, ihn gezeugt zu haben, dann ist man einfach nur angewidert von diesem unsäglichen «Thriller». Nun könnte man einwenden, all diese Tabubrüche begeht ja nur der fiese Ich-Erzähler Fred, eine Romanfigur also, stünde dem nicht entgegen, dass dieser unsägliche Held durchaus wohlmeinend beschrieben wird von seinem Schöpfer Herman Koch, eine abgrenzende Distanz ist da für mich nicht erkennbar.