Ein Sohn, der seinen Vater erschlägt, das Rätsel der Sphinx löst, seine Mutter heiratet, seine wahre Identität entdeckt und folglich Selbstblendung vollzieht: Das ist der Kern des Ödipus-Mythos, der schon in der Antike weitverbreitet war und bis in die Moderne fortlebt. Die vorliegende Arbeit leistet eine umfangreiche und gattungsübergreifende Bestandserhebung zu den literarischen Bearbeitungen des Ödipus-Stoffes. Den Schwerpunkt bilden dessen tragische Bearbeitungen bei Aischylos, Sophokles und vor allem Euripides im Spannungsfeld zwischen nachgewiesenen Abhängigkeiten und ausgeprägtem Innovationscharakter. Im Zuge dieser komparatistischen Untersuchung von einzelnen fragmentarisch oder vollständig erhaltenen Texten wird ein Bogen zu den römischen Dichtern Accius und Seneca geschlagen, um aufzuzeigen, in welchem Umfang und in welcher Weise sie auf die genannten griechischen Vorgänger rekurrieren. Insgesamt gelingt es dieser Untersuchung, nicht nur die gattungsinternen Abhängigkeiten der vielfältigen Ödipus-Verarbeitungen, sondern auch den Innovationsanspruch in einer breit angelegten Studie schärfer und systematischer als zuvor zu präsentieren.
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