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Theorie und Praxis der Unternehmensführung
Peter-Jürgen Jost: Ökonomische Organisationstheorie. Eine Einführung in die Grundlagen. Verlag Th. Gabler, Wiesbaden 2000, 219 Seiten, 48 DM.
Peter-Jürgen Jost will den mikroökonomischen Ansatz für die betriebswirtschaftliche Organisationstheorie fruchtbar machen. Sein Lehrbuch, das seiner Lehrtätigkeit als Professor für Organisationstheorie an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar entspringt, ist gut gegliedert. Eine einfache und klare Sprache macht seine Ausführungen leicht verständlich. Zudem werden die theoretischen Aussagen durch zahlreiche gut plazierte Beispiele aus der Praxis der Unternehmensführung didaktisch sinnvoll veranschaulicht. Die formale Klarheit und Lesbarkeit geht jedoch mit Mängeln in der Begriffsbildung einher. Studenten und Praktiker sind daher vor einer unkritischen Lektüre des Buches zu warnen.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Da bereits im ersten Teil bei der Definition des Begriffs der ökonomischen Organisation inhaltlich-konzeptionelle Mängel zutage treten, bleiben auch die darauf aufbauenden Teile, in denen die Effizienz ökonomischer Organisationen und die ökonomische Analyse von Organisationen behandelt werden, teilweise widersprüchlich.
Jost legt seinem Begriff der ökonomischen Organisation die berühmte Ökonomik-Definition von Lionel Robbins von 1932 zugrunde: "Ökonomik ist die Wissenschaft, die menschliches Verhalten untersucht als eine Beziehung zwischen Zielen und knappen Mitteln, die unterschiedliche Verwendung finden können." Doch berücksichtigt Jost nicht konsequent, daß Robbins im selben Essay, nur eine halbe Seite weiter, schreibt: "We do not say that the product,ion of potatoes is economic activity and the production of philosophy is not."
Auf der Grundlage dieser Definition besteht - wie der Mikroökonom und Nobelpreisträger Gary Becker 1965 gezeigt hat - die wichtigste einschränkende Bedingung für individuelle Entscheidungen mit Blick auf die stets knappe Ressource Zeit. Unabhängig von der Frage, ob ein Individuum materielle oder immaterielle Ziele verfolgt, muß es "immer und überall" Entscheidungen über die Aufteilung seiner Zeit treffen. Aus diesem Grund gibt es keinen menschlichen Lebensbereich, der nicht mittels der Methode Ökonomik analysiert werden könnte.
Deshalb ergibt es auch keinen Sinn, wenn Jost mit explizitem Bezug auf die Ökonomik-Definition von Lionel Robbins versucht, einen Begriff der ökonomischen Organisation zu definieren. Auf der Grundlage der Ökonomik-Definition von Robbins und den von Becker gezogenen Folgerungen gibt es keine nichtökonomischen Organisationen in unserer Welt. Es verwundert den Leser deshalb auch nicht, daß Jost keine Beispiele für nichtökonomische Organisationen nennt. Letztlich besteht jede Organisation aus individuellen Investitionen der knappen Ressource Zeit. Obwohl der Autor sieht, daß auch bei der Verfolgung nichtmaterieller Ziele ökonomische Schwierigkeiten entstehen, unterschätzt er offensichtlich die Reichweite des (mikro)ökonomischen Ansatzes zur Erklärung menschlichen Verhaltens.
Dabei verharrt Jost während des Versuchs, die Effizienz von Organisationen zu beurteilen, nicht einmal selbst in seinem Paradigma des methodologischen Individualismus. Nach seiner Abgrenzung ist eine Organisation effizient, "wenn es unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich ist, eine alternative Organisation zu gestalten, die ihre Stakeholder mindestens gleich gut stellt". Die entscheidende Frage lautet für den Leser dann: Wie kann aufgrund welcher Informationen entschieden werden, ob alle "Stakeholder" mindestens gleich gut gestellt worden sind?
Zur Beantwortung dieser Frage unterscheidet Jost relevante und unrelevante Stakeholder für den Wertschöpfungsprozeß einer Organisation - ohne wahrzunehmen, daß er dadurch erstens das gesamte "Stakeholder"-Konzept ad absurdum führt und zweitens ein Effizienzkonzept nach Gutsherrenart formuliert: "Je bedeutender nun eine Stakeholder-Gruppe für die Organisation ist, desto eher muß die Organisation deren Ansprüchen genügen, desto eher müssen ihre Interessen bei der Gestaltung der Organisation berücksichtigt werden." Das heißt jedoch, daß der Autor implizit der wohlfahrtsökonomischen Tradition folgt und letztlich die Existenz eines theoretischen Konstrukts wie einer "sozialen Wohlfahrtsfunktion" für den Wertschöpfungsprozeß einer Organisation annimmt.
Damit fällt er bei seinem Versuch, den mikroökonomischen Ansatz für die Organisationstheorie fruchtbar zu machen, der gleichen Anmaßung von Wissen anheim, die Friedrich August von Hayek 1945 in seinem Aufsatz "The Use of Knowledge in Society" kritisiert hat. Jost sollte bei der Überarbeitung seines Buches deshalb das Urteil von James Buchanan von 1959 beachten: "Welfare economics, new and old, have generally assumed omniscience in the observer, although the assumption is rarely made explicit, and even more rarely its implications examined."
NORBERT TOFALL
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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