Spiritistische Sitzungen, übersinnliche Erscheinungen und Geister: Anekdotenreich, rasant und spannungsgeladen erzählt Thomas Knoefel die Geschichte des modernen Okkultismus als eine Faszination, die bis heute nicht nachlässt. Denn was wäre eine Welt ohne Wunder? Während Marx und Engels metaphorisch von einem in Europa umhergehenden Gespenst sprechen, verschafft sich in der Neuen Welt ein vielleicht echter Geist Gehör: Durch Klopfgeräusche erscheint er den Schwestern Margaretta und Catherine Fox, im Haus eines methodistischen Farmers aus Hydesville, im Bundesstaat New York. Etwas nimmt seinen Anfang, das so bald kein Ende mehr nehmen wird. Dabei überwindet der Okkultismus die Grenzen zwischen den sozialen Klassen sowie den Geschlechtern und zeigt sich mithin modern: Die Avantgarden lassen sich in ihrer künstlerischen Arbeit von okkulten Ideen und den Geistern leiten, und selbst wenn ein Medium des Betrugs entlarvt oder pathologisiert wird, tut das seiner Wirkung keinen Abbruch, denn es beschwört dessen ungeachtet weiterhin eine Zeit, in der das Okkulte groß wurde und Glauben und Wissen noch eins waren. Das Medium weiß von ihrer Fortdauer bis in die Gegenwart zu zeugen.
»Nie zuvor ist mit so scharfem Geist über die Welt der Geister geschrieben worden, nie wurde das Übersinnliche mit solcher Sinnlichkeit umfasst. Das Okkulte Brevier ist ein Meisterwerk, eine fantastische Entdeckungsreise in die Grenzgebiete zwischen hier und dort.« - Jan Schomburg
»Nie zuvor ist mit so scharfem Geist über die Welt der Geister geschrieben worden, nie wurde das Übersinnliche mit solcher Sinnlichkeit umfasst. Das Okkulte Brevier ist ein Meisterwerk, eine fantastische Entdeckungsreise in die Grenzgebiete zwischen hier und dort.« - Jan Schomburg
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2019Wer weiß schon, wo Suggestion endet und Betrug beginnt
Lust aufs Bizarre: Thomas Knoefel lädt ein zu einer Reise durch die hohe Zeit von Okkultismus und Spiritismus.
Dem "Medium Mensch" in der Blütezeit des Okkultismus zwischen 1848 und 1930 widmet sich Thomas Knoefel in seinem Buch. Bereits 2007 legte er gemeinsam mit Andreas Fischer eine ansprechend konzipierte CD-Box mit "okkulten Stimmen" und "medialer Musik" aus rund hundert Jahren vor, eine Pioniertat der Erschließung entlegener Audioquellen aus dem Grenzland zwischen religiöser Ekstase, okkultistischem Experiment und künstlerischem Spiel. Man ist also gespannt auf dieses "Okkulte Brevier".
Mangelnde Belesenheit ist Knoefel wahrlich nicht vorzuwerfen, fast hundert Seiten Endnoten belegen das. Die einschlägige wissenschaftliche Literatur zur Geschichte des Spiritismus und Okkultismus, die klassischen Quellentexte des Genres, okkultistisch inspirierte Belletristik - alles wird zitiert und kommentiert. In zehn Kapiteln nimmt der Autor die Leser mit auf eine Reise zu den Trancemedien des Spiritismus, in die Zauberberg-Salons der ersten Parapsychologen, zur Theosophin Madame Blavatsky, in die Gummizellen von Psychotikern, zu Geisterfotografen, in die Ateliers der Avantgarde. Hier und da finden auch einige mystisch Entrückte aus der Vormoderne Verwendung. Ein autobiographischer Prolog zeigt uns den Autor als Teilnehmer an einem afroamerikanischen Kult und schildert seine Begegnungen mit dem okkulten Untergrund der DDR.
Das alles erscheint als wahres Tohuwabohu, in dem auch die Kapitelüberschriften keine Orientierung geben. Zeiten, Orte, Protagonisten wechseln rasch. Wer das Personal des Okkultismus nicht schon vorher kannte, verirrt sich wahrscheinlich bald in der Vielzahl erwähnter Namen und Anekdoten. Das ist schade, denn Knoefel hat etliche Schmankerln aus den unaufgeräumten Winkeln der Überlieferung zusammengetragen. Der Tonfall des Autors freilich variiert wenig, und man fühlt sich am Ende der Lektüre etwas erschlagen von den angehäuften Kuriositäten: ein okkultistischer Eintopf, der an den Dutch Kettle der Hexen in Macbeth erinnert: "Molchesaug und Unkenzehe, Hundezung und Hirn der Krähe ... Tigereingeweid hinein, und der Brei wird fertig sein."
Die körperlich-sexuelle Seite des Themas "Medien" wird in diesem Brevier mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt. Das Agieren im schummrigen Spannungsfeld zwischen Esoterik und Erotik befreit Knoefel allerdings von jeder ätherischen Feinstofflichkeit. Man erfährt da einiges über die vibrierenden Körpermassen des Mediums, erregtes Stöhnen, Erektionen und die parapsychologischen Doktorspiele im Münchener Haus des Parapsychologen Albert von Schrenck-Notzing. Man sollte an diese gespenstische Wunderkammer nicht die nüchternen Maßstäbe akademischer Wissenschaft anlegen. Das "Okkulte Brevier" will wohl anders gelesen werden - wer Lust aufs Bizarre hat, wird am ehesten auf seine Kosten kommen.
Doch warum dann der aufwendige Anmerkungsapparat für diese Spielwiese? Die Verlässlichkeit des Anhangs ist gering: Hier passt die zitierte Literatur nicht zum Thema, dort nicht zur Epoche, und besonders spektakuläre Befunde haben gerne gar keinen Nachweis. Quellenkritik sucht man vergebens, das Wörtchen "soll" legitimiert notfalls jedes Hörensagen. Ist dies nur Nonchalance, weil vor allem geistreiche Belesenheit aufblitzen soll? Will der Anhang eine Travestie der äußeren Merkmale wissenschaftlicher Publikationen sein? Wohl nicht, sondern die Leser sollen suggestiv im Sinne des Autors eingenommen werden, ohne dass der Verfasser sich verbindlich auf einen Standpunkt einlässt. Das Atmosphärische sei wichtiger als die Frage - so Knoefel - was von den erzählten Begebnissen "Betrug oder echt gewesen sein könnte ... - die Zeichen bleiben in der Schwebe". Eine solche Relativierung ist charakteristisch für den esoterischen Diskurs der Moderne.
Spätestens seit dem neunzehnten Jahrhundert sind Okkultismus und Esoterik nicht mehr denkbar ohne dieses Spiel auf der Grenze zwischen non-fiction und fiction. Denn hinter die historisch-kritisch geschulten Zweifel der Moderne können wir nicht mehr zurück, das Okkulte kann zumindest öffentlich nur noch mit spielerischem Halbernst präsentiert werden. Aus dieser Zwickmühle kommen wir nicht mehr heraus, ganz gleich wie vielen Voodoo-Hühnern wir den Kopf abbeißen.
Im Falle des "Okkulten Breviers" ist diese Vermeidung eines Standpunktes zunächst ein Spiel, auf das man sich um des Lesevergnügens willen einlassen mag. Aber wenn Knoefel den Esoterik-Faschisten Julius Evola und den rechtsradikalen Filou Louis Pauwels zitiert, wird damit eine Spur in unbehagliche Regionen gelegt. Denn Autoren wie diese beiden stehen für den Angriff auf die Vernunft. Die Mittel dieses Angriffs sind: Suggestion statt Argument, Hörensagen statt Faktencheck, das animierende Locken mit angeblich verhüllten Wahrheiten hinter einer seichten Scheinwelt des Mainstreams. Diese Rhetorik ist ein gefährliches Spielzeug, wenn sie den spiritistischen Salon verlässt und ins Politische vordringt: Die übelsten Finsterlinge sitzen heute in Beraterstäben und Parlamentsfraktionen.
DIETHARD SAWICKI
Thomas Knoefel: "Okkultes Brevier". Ein Versuch über das Medium Mensch.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2019.
394 S., Abb., geb., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lust aufs Bizarre: Thomas Knoefel lädt ein zu einer Reise durch die hohe Zeit von Okkultismus und Spiritismus.
Dem "Medium Mensch" in der Blütezeit des Okkultismus zwischen 1848 und 1930 widmet sich Thomas Knoefel in seinem Buch. Bereits 2007 legte er gemeinsam mit Andreas Fischer eine ansprechend konzipierte CD-Box mit "okkulten Stimmen" und "medialer Musik" aus rund hundert Jahren vor, eine Pioniertat der Erschließung entlegener Audioquellen aus dem Grenzland zwischen religiöser Ekstase, okkultistischem Experiment und künstlerischem Spiel. Man ist also gespannt auf dieses "Okkulte Brevier".
Mangelnde Belesenheit ist Knoefel wahrlich nicht vorzuwerfen, fast hundert Seiten Endnoten belegen das. Die einschlägige wissenschaftliche Literatur zur Geschichte des Spiritismus und Okkultismus, die klassischen Quellentexte des Genres, okkultistisch inspirierte Belletristik - alles wird zitiert und kommentiert. In zehn Kapiteln nimmt der Autor die Leser mit auf eine Reise zu den Trancemedien des Spiritismus, in die Zauberberg-Salons der ersten Parapsychologen, zur Theosophin Madame Blavatsky, in die Gummizellen von Psychotikern, zu Geisterfotografen, in die Ateliers der Avantgarde. Hier und da finden auch einige mystisch Entrückte aus der Vormoderne Verwendung. Ein autobiographischer Prolog zeigt uns den Autor als Teilnehmer an einem afroamerikanischen Kult und schildert seine Begegnungen mit dem okkulten Untergrund der DDR.
Das alles erscheint als wahres Tohuwabohu, in dem auch die Kapitelüberschriften keine Orientierung geben. Zeiten, Orte, Protagonisten wechseln rasch. Wer das Personal des Okkultismus nicht schon vorher kannte, verirrt sich wahrscheinlich bald in der Vielzahl erwähnter Namen und Anekdoten. Das ist schade, denn Knoefel hat etliche Schmankerln aus den unaufgeräumten Winkeln der Überlieferung zusammengetragen. Der Tonfall des Autors freilich variiert wenig, und man fühlt sich am Ende der Lektüre etwas erschlagen von den angehäuften Kuriositäten: ein okkultistischer Eintopf, der an den Dutch Kettle der Hexen in Macbeth erinnert: "Molchesaug und Unkenzehe, Hundezung und Hirn der Krähe ... Tigereingeweid hinein, und der Brei wird fertig sein."
Die körperlich-sexuelle Seite des Themas "Medien" wird in diesem Brevier mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt. Das Agieren im schummrigen Spannungsfeld zwischen Esoterik und Erotik befreit Knoefel allerdings von jeder ätherischen Feinstofflichkeit. Man erfährt da einiges über die vibrierenden Körpermassen des Mediums, erregtes Stöhnen, Erektionen und die parapsychologischen Doktorspiele im Münchener Haus des Parapsychologen Albert von Schrenck-Notzing. Man sollte an diese gespenstische Wunderkammer nicht die nüchternen Maßstäbe akademischer Wissenschaft anlegen. Das "Okkulte Brevier" will wohl anders gelesen werden - wer Lust aufs Bizarre hat, wird am ehesten auf seine Kosten kommen.
Doch warum dann der aufwendige Anmerkungsapparat für diese Spielwiese? Die Verlässlichkeit des Anhangs ist gering: Hier passt die zitierte Literatur nicht zum Thema, dort nicht zur Epoche, und besonders spektakuläre Befunde haben gerne gar keinen Nachweis. Quellenkritik sucht man vergebens, das Wörtchen "soll" legitimiert notfalls jedes Hörensagen. Ist dies nur Nonchalance, weil vor allem geistreiche Belesenheit aufblitzen soll? Will der Anhang eine Travestie der äußeren Merkmale wissenschaftlicher Publikationen sein? Wohl nicht, sondern die Leser sollen suggestiv im Sinne des Autors eingenommen werden, ohne dass der Verfasser sich verbindlich auf einen Standpunkt einlässt. Das Atmosphärische sei wichtiger als die Frage - so Knoefel - was von den erzählten Begebnissen "Betrug oder echt gewesen sein könnte ... - die Zeichen bleiben in der Schwebe". Eine solche Relativierung ist charakteristisch für den esoterischen Diskurs der Moderne.
Spätestens seit dem neunzehnten Jahrhundert sind Okkultismus und Esoterik nicht mehr denkbar ohne dieses Spiel auf der Grenze zwischen non-fiction und fiction. Denn hinter die historisch-kritisch geschulten Zweifel der Moderne können wir nicht mehr zurück, das Okkulte kann zumindest öffentlich nur noch mit spielerischem Halbernst präsentiert werden. Aus dieser Zwickmühle kommen wir nicht mehr heraus, ganz gleich wie vielen Voodoo-Hühnern wir den Kopf abbeißen.
Im Falle des "Okkulten Breviers" ist diese Vermeidung eines Standpunktes zunächst ein Spiel, auf das man sich um des Lesevergnügens willen einlassen mag. Aber wenn Knoefel den Esoterik-Faschisten Julius Evola und den rechtsradikalen Filou Louis Pauwels zitiert, wird damit eine Spur in unbehagliche Regionen gelegt. Denn Autoren wie diese beiden stehen für den Angriff auf die Vernunft. Die Mittel dieses Angriffs sind: Suggestion statt Argument, Hörensagen statt Faktencheck, das animierende Locken mit angeblich verhüllten Wahrheiten hinter einer seichten Scheinwelt des Mainstreams. Diese Rhetorik ist ein gefährliches Spielzeug, wenn sie den spiritistischen Salon verlässt und ins Politische vordringt: Die übelsten Finsterlinge sitzen heute in Beraterstäben und Parlamentsfraktionen.
DIETHARD SAWICKI
Thomas Knoefel: "Okkultes Brevier". Ein Versuch über das Medium Mensch.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2019.
394 S., Abb., geb., 28,- [Euro].
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