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© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Auf Kreuzfahrt mit Frank Schulz
Über Kreuzfahrtschiffe dürfe man nicht mehr schreiben, weil David Foster Wallace das so unüberbietbar zynisch getan hat? Das kann nur behaupten, wer diesen Roman von Frank Schulz noch nicht kennt. Der nämlich fügt der entlarvenden Darstellung eines "Fratzenmobs" von Pauschalurlaubern in der Entertainment-Hölle zwischen Pooldeck und Anytime-Bar an Bord des Mittelmeerschiffs "Flipper IV" noch eine Gesellschaftsanalyse hinzu, die es so wohl nur auf Deutsch geben kann - und in ihrer derben Fiesheit nur in der hanseatischen Hintersinnsprosa, wie Schulz sie pflegt.
Das titelgebende "Schiff der baumelnden Seelen" ist Bühne für die Fortsetzung des grotesken Detektivromans "Onno Viets und der Irre vom Kiez", und mit Freude sieht man diesen phlegmatischen Endfünfziger mit seinen Tischtenniskumpanen vom BSV Hollerbeck Eppendorf literarisch weiterleben. Hier nun soll er als "Leibwächter" den verrückten Künstler Donald Maria Jochemsen begleiten, der sich auf der Kreuzfahrt an eine Unterhaltungssängerin heranmachen will. Gut zur Hälfte schwelgt das Buch in Kiez-Reminiszenzen, da geht es etwa um die Frage, wer mit wem vor dreißig Jahren in einer Kneipe namens Plemplem geknutscht hat.
Unter der Kalauer-Oberfläche dräut jedoch dunkel die weltliterarische Tiefe - nicht zufällig ist der Roman von Versen aus Rimbauds "Trunkenem Schiff" gerahmt und durchsetzt, in denen Wasserleichen schlummern. So ist es auch mit dieser vordergründig lustigen Geschichte: Die Reibung der alternden Hamburger Lebenskünstler am fremden Milieu des Kreuzfahrtschiffs schlägt zwar immer wieder überaus komische Funken, aber je länger das Schiff fährt, desto klarer wird auch, dass die posttraumatische Belastungsstörung der Titelfigur nicht nur eine metaliterarische Anspielung auf ihr erstes Abenteuer ist. Sondern sie hat einen bitterernsten Kern, den Frank Schulz langsam, aber sicher freilegt.
Was Foster Wallace übrigens auch nicht zu bieten hat, sind theatralische Zwischenkapitel auf Plattdeutsch samt politisch korrekter Übersetzung, in denen ein gewisser Kasper Spackennacken von einer neumodischen Gretel gemaßregelt wird ("Mäch den Kopp zu, Späckennäcken!"). Wenn er in einem Nachspiel Weihnachten feiert, ist dies das letzte Aufbäumen des vulgären Humors und der Hochkomik am Ende eines Buches, das im Grunde todtraurig ist.
JAN WIELE.
Frank Schulz: "Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen".
Galiani Berlin Verlag, Berlin 2015. 326 S., geb., 19,99 [Euro].
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