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Er war nicht nur ein Opernstar, sondern einer der schillerndsten Zeitgenossen: Sir Peter Jonas, ein toller Typ, elegant, spleenig, humorvoll. Mit einer Familiengeschichte, die exemplarisch für die Wirren des 20. Jahrhunderts steht. Seine Mutter stammte aus dem Libanon, sein Vater aus einer jüdischen Familie aus Hamburg. Er selber wuchs in England auf, schaffte es mit Disziplin und britischer Coolness an die besten Opernhäuser der Welt, arbeitete mit Sir Georg Solti oder Sergiu Celibidache. 1993 wurde er Intendant der Bayerischen Staatsoper München, wo er für seine Inszenierungen einerseits…mehr

Produktbeschreibung
Er war nicht nur ein Opernstar, sondern einer der schillerndsten Zeitgenossen: Sir Peter Jonas, ein toller Typ, elegant, spleenig, humorvoll. Mit einer Familiengeschichte, die exemplarisch für die Wirren des 20. Jahrhunderts steht. Seine Mutter stammte aus dem Libanon, sein Vater aus einer jüdischen Familie aus Hamburg. Er selber wuchs in England auf, schaffte es mit Disziplin und britischer Coolness an die besten Opernhäuser der Welt, arbeitete mit Sir Georg Solti oder Sergiu Celibidache. 1993 wurde er Intendant der Bayerischen Staatsoper München, wo er für seine Inszenierungen einerseits in den Himmel gehoben, andererseits in Grund und Boden verdammt wurde. 1999 adelte ihn die Queen.

Sein Hauptanliegen war es, Hochkultur zugänglich zu machen. Sein Projekt »Oper für alle«, bei dem er Aufführungen auf den Max-Joseph-Platz übertrug, wurde für viele Städte modellhaft.

Im April 2020, im Alter von 73 Jahren, erlag Sir Peter Jonas dem Krebs. In den zwei Jahren vor seinem Tod führte er zahlreiche Gespräche mit der Autorin Julia Glesner. »Schreiben sie schnell«, bat er, ehe er ihr Einblick in sein atemberaubendes Leben gewährte.

Ein Muss für alle Opernfans!


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Autorenporträt
Julia Glesner, geboren 1975 in Saarlouis, nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Politologie und Germanistik in Mainz und Paris promovierte sie am Graduiertenkolleg der HfG Karlsruhe/ZKM. Nach Stationen als Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit an der Oper Erfurt und als Leiterin Kommunikation und Marketing der Klassik Stiftung Weimar ist sie seit 2017 Professorin für Kultur und Management an der Fachhochschule Potsdam.

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Wolfgang Schreiber verneigt sich vor der Peter-Jonas-Biografie von Julia Glesner und würdigt sie mit einer hymnischen Besprechung. Allein, dass die Kulturmanagement-Professorin neben Donna Leon für das Vorwort auch Jonas selbst noch für die Mitarbeit gewinnen konnte, ringt dem Kritiker höchste Anerkennung ab. Auf 650 Seiten taucht er hier ab ins Leben des britischen Opernintendanten, liest von dessen Stationen, Erfolgen, Maximen und dem langen Kampf gegen den Krebs. Mehr noch: Schreiber reist während der Lektüre zu den großen Wirkungsstätten von Sir Peter - Chicago, London und München -  liest neben persönlichen Anekdoten auch Porträts von Weggefährten und erhält interessante Einblicke ins Kultursystem. Dass die Autorin keine Hagiografie verfasst, sondern die Vielzahl an Quellen mit der nötigen Distanz auswertet, verbucht der Kritiker als besonderen Gewinn dieses monumentalen Werks.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.06.2021

Von Beginn an
das Ende im Blick
Der 2020 verstorbene Opernintendant Sir Peter Jonas
wird in einer mitreißenden Biografie geehrt
VON WOLFGANG SCHREIBER
In seinem Leben, den vier reifen Jahrzehnten wenigstens, hat der Brite Sir Peter Jonas wohl eine alte lateinische Lebensregel befolgt: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem, auf Deutsch: Was immer du tust, handle klug und bedenke das Ende! Immer das Finish im Blick: Mehr als sein halbes Leben stand im Zeichen der früh diagnostizierten, permanent ihn bedrohenden Krebserkrankung. Den Tod hat Sir Peter dank zahlreicher operativer Eingriffe, seinem vitalen Überlebenswillen, dank seiner Leidenschaft für die nachhaltige Ideen- und Kulturarbeit heroisch hinausgezögert – jahrzehntelang.
Dabei war dieses Leben, mit all dem unnachgiebigen Einsatz für eine erneuerte Opern- und Orchesterkultur, dermaßen erfüllt von Scharfblick, Tatendrang und Kommunikationslust samt britischem Humor, dass eine Biografie sogar von stattlichen 650 Seiten vielleicht als zu knapp bemessen erscheinen mag. Ist sie aber nicht. Das Buch erzählt vielmehr mit ungeheurer Materialfülle und voller Empathie den turbulenten Lebenslauf des Mannes, erforscht seine Antriebskräfte, die Probleme und auch Widersprüche: „Jenseits der öffentlichen Figur des strahlenden, brillanten, witzigen Intellektuellen war Peter Jonas eine komplexe und versehrte Persönlichkeit.“ Wahrlich eine enorme Aufgabe für die Biografin, die sich das Vertrauen des zunächst skeptischen Opernmanagers aus dem Vereinigten Königreich erst erwerben musste.
Ihre Einblicke in ein „atemberaubendes Leben“ und die Tatsache, dass Julia Glesner irgendwann sogar die aktive Mitarbeit Sir Peters an ihrem biografischem Projekt gewinnen konnte, waren für die Studentin der Theaterwissenschaft und Philologie, heute Professorin in Potsdam, sicherlich ein Abenteuer. Vergleichbar nur mit dem der Autorin des Vorworts, der US-amerikanischen Krimi-Dichterin Donna Leon, Italien- und Barockopern-Sympathisantin. Ihre Freundschaft mit Peter Jonas war 1993 entstanden, im Zeichen der bizarren Regietheaterwunderwelt von Georg Friedrich Händels Oper „Giulio Cesare in Egitto“ an der Bayerischen Staatsoper, Jonas’ allergrößtem Coup.
Der in Zeitlupe stürzende monströse Dinosaurier auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters blieb für Donna Leon epochal, „heute ist Händel allgegenwärtig, und das verdankt er Peter, dem Genius dieser ersten Aufführung“. Drei Eigenschaften von Peter Jonas haben sie sofort beeindruckt: Intelligenz, Anstand, Charme – „mein Gott, der Mann hätte eine Statue von ihrem Sockel charmieren können“. Beide hatten die Absicht, gemeinsam die Jonas-Buchbiografie zu stemmen, das Projekt kam nicht mehr zustande.
Dass nun Julia Glesner bei all ihrer offenen Bewunderung für den Mann die Distanzhaltung einer Biografin nicht aufgegeben hat, verschafft ihrem Buch den Vorzug philologischer Redlichkeit im Umgang mit der Masse an Zeugnissen und Dokumenten, auf immerhin 40 Fußnotenseiten exakt belegt. Ihre Wissbegier erscheint grenzenlos: Zwei Jahre hat die Autorin Gespräche mit dem nun schon betagten, der tödlichen Krankheit ausgelieferten Peter Jonas geführt, der sie bereitwillig, ja mit bestrickendem Schwung durch die Welt seiner Erinnerungen lotste, seiner Gefühls- und Gedankenkreise. Jonas war, bis in seine coolen Münchner Pressekonferenzen hinein, ein fantastischer Erzähler. Das fließt gleichsam osmotisch in Glesners belebten Sprachfluss ein. Ihre Beobachtungslust und stilistische Begabung rücken auch die verzweigtesten Berufs- und Lebenskonstellationen von Peter Jonas in die fühlbare Nähe des Lesers.
Das beginnt mit der nicht einfachen Familiengeschichte des am 14. Oktober 1946 in London Geborenen. Die Mutter, schottischer und spanisch-libanesischer Herkunft, war einst nach Jamaika ausgewandert; der Vater, ein säkularisierter Jude, konnte 1933 mit der Familie nach London emigrieren. Ihren Sohn ließen sie in einem englischen Benediktiner-Internat erziehen. Das forderte sein Leben heraus, förderte den Workaholic – die Autorin billigt ihm eine benediktinische Maxime zu: „Müßiggang ist der Seele Feind.“ Jonas liebte die katholischen Festrituale, deren Ästhetik, weniger die Inhalte. Die Kunst nicht nur der Barockepoche sei katholisch, lautete seine Überzeugung, keinesfalls protestantisch. München war der richtige Ort für ihn.
Die zentrale Textmasse der Biografie gilt den drei großen Musikstädten der Karriere – Chicago, London, München. Doch es werden zuerst einmal, auf langen 200 Seiten, die Fundamente des Charakters und der Berufslaufbahn erkundet, da wird die Person minutiös beschrieben – „er war absurd groß und bis zu seiner Krebserkrankung ein athletischer, muskulöser Mann gewesen“, der „das Image des skurrilen Briten“ hervorkehrte und gern sich mit roten Socken zum Smoking schmückte. Andererseits: der „religiös musikalische Mensch“, der Wanderer, der Kenner eleganter Autos, des Fußballs (Verein: Crystal Palace) und des Cricketspielens (mit Freund Zubin Mehta), der Kino- und Ingmar-Bergmann-Fan. Es gab die wilden Literaturstudienjahre kulturellen Suchens, die Freundschaft mit dem Dirigenten Mark Elder, dann plötzlich die alles entscheidende Entdeckung der Opernmagie. Und die bezaubernd scheue Annäherung eines Newcomers an die graziöse Sopranistin Lucia Popp, die sich Jahre später mit ihm zu beider Glückseligkeit verband.
Scheinbar Episodenhaftes erhält Schwergewicht. Ins Mark traf den Jugendlichen Peter der Unfalltod der geliebten Schwester Kathryn, die bei einem Autounfall ums Leben kam. Ihr Grabspruch, den sie schon testamentarisch bestimmt hatte, stammte aus der Feder des großen Theologen Teilhard de Chardin und wurde für Jonas zum Lebensmotto: Happy the man who fails to stifle his vision – Glücklich ist der, dem es nicht gelungen ist, seine Vision zu ersticken. Peter Jonas nannte sich gern, der brutalen Krankheit ungeachtet, einen „Glückspilz“.
Zehn Jahre Chicago. Peter Jonas wurde 1974 General Manager des Chicago Symphony Orchestra unter Music Director Georg Solti, dessen Psyche und Stil er zu taxieren hatte. Er lernte jetzt die Strukturen des Klassikbetriebs von der Pike auf, die Psychologie der Orchestermusiker und der Starvirtuosen, der sogenannten großen Dirigenten, denen er auf Augenhöhe begegnete, von Claudio Abbado und Daniel Barenboim bis zu Carlos Kleiber. Die Freundschaften zu ihnen hielten lebenslang, Arbeitsglück und –stress waren erheblich.
Zurück nach London, 1984 an die Spitze der English National Opera (ENO), des zweiten Opernhauses der Stadt. Aber da war zunächst Wien, wie ein Krimi liest sich das Tauziehen um Jonas, den die zwei künftigen Chefs der Wiener Staatsoper lockten, Claudio Abbado und Claus Helmut Drese. London gewann ihn: Julia Glesners Detektivarbeit unter den Institutionen und Solisten erscheint perfekt entfaltet, die Hintergründe der persönlichen, künstlerischen und finanziellen Interessen leuchten auf. Der Streit um das Coliseum, das Gebäude der ENO und sein Grundstück, forderte Jonas zum Kampf heraus, sein Triumph: Der britische Arts Council gab am Ende für das Coliseum 10,8 Millionen Pfund, Jonas’ Vermächtnis: Die akute Gefahr der Fusionierung beider Londoner Operninstitute hatte er gebannt.
Wie es Peter Jonas künstlerisch gelang, die English National Opera trotz finanzieller Schäden in die Höhenlage zu bringen, wird von Julia Glesner akribisch dargestellt, auch in Porträts gewichtiger Kulturpolitiker, Regisseure, Dirigenten, Sänger. Jonas schaffte alles „durch eine Kombination von großen und kühnen theatralischen Ideen, einem unbeirrbaren Bekenntnis zu hohen musikalischen Standards und langfristigen künstlerischen Zielen“. Im Jahr 1991 macht die britische Queen den Opernmanager zum „Commander of the British Empire“.
Kompliziert der Weg nach München 1993, die Konfrontation mit den Interessen der Kulturpolitik des Freistaats Bayern, der weltberühmten Staatsoper nach der Ära Wolfgang Sawallischs und August Everdings. Die traditionalistische Haltung des verwöhnten Publikums an Deutschlands größtem Operntempel forderte den neuen Intendanten heraus, und die Händel-Oper „Giulio Cesare in Egitto“, mit dem Dinosaurier als futuristischem Sinnbild, das der britische Regisseur Richard Jones erfunden hatte, schockierte die Münchner, aber faszinierte sie auch. Jonas’ Barockopernmanege eroberte München, der Inder Zubin Mehta wurde sein weltmännischer Generalmusikdirektor.
Der britische Staatsintendant Jonas bewunderte „das deutsche Theatersystem“, die historisch gewachsene Vielfalt der Kultur in Deutschland, „wen wundert’s nach seinen Erfahrungen in Chicago und London“. So konnte seine Engagement in München zum Höhepunkt der dramaturgischen und künstlerischen Lebensarbeit werden. Über alles schätzte er die Stabilität an den deutschen Theatern, die demokratische Errungenschaft eines funktionierenden Abonnementsystems. „Zugänglichkeit“ zum Opernhaus für alle Menschen, das war sein gesellschaftliches Ziel. Insoweit stimmt der leider auch etwas vordergründige Buchtitel „Oper für alle“. So nannte Peter Jonas die live übertragenen, bis heute populären Open-air-Aufführungen auf dem Münchner Max-Joseph-Platz.
„Peter mochte es, wenn es ein wenig riskant wurde“, die Autorin zitiert den Ausspruch fast beiläufig und lässt somit die Charakterstärke, den Lebensmut und die Widersprüchlichkeit des charismatischen Kunst- und Menschenfreunds aufscheinen, der vier Jahrzehnte lang ein todkranker, gegen den Krebs ankämpfender Mann war. „Peter Jonas“, schreibt Daniel Barenboim im Nachwort der Biografie, „war ein extrem zäher Mensch. In den letzten Wochen seines Lebens haben wir täglich telefoniert.“ Und allabendlich spielte Barenboim für Jonas bis zuletzt ein von ihm gewünschtes Klavierstück.
„Memento mori“, die alte lateinische Metaphysik, war für ihn schicksalhaft. Wirklich berührend in diesem großartigen Buch ist die Dokumentation des langen Sterbens von Peter Jonas, der Tortur von Bestrahlungen, Chemotherapien, Lebensverlängerungen, Zumutungen, Hoffnungen. Jonas hat der Autorin seinen körperlichen Zustand, den Verfall, seine Sorgen, Abschiedsgesten für die Freunde freimütig mitgeteilt.
Die Umstände der letzten Party in der Münchner Schellingstraße in der Osteria Italiana, seinem und Zubin Mehtas Stammlokal. Julia Glesner denkt an die letzten Begegnungen mit dem im April 2020 – seiner schwindenden Existenz sehr bewusst – Sterbenden.
Der stürzende Dinosaurier
im Nationaltheater blieb
auch für Donna Leon epochal
Die Kunst sei katholisch,
lautete seine Überzeugung;
München war richtig für ihn
Julia Glesner: Oper für alle. Die Biografie von
Sir Peter Jonas. Mit einem Vorwort von Donna Leon. Insel Verlag, Berlin 2021. 653 Seiten, 34 Euro.
Sir Peter Jonas als Intendant der Bayerischen Staatsoper München, daselbst
Foto: Regina Schmeken
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»Wirklich berührend in diesem großartigen Buch ist die Dokumentation des langen Sterbens von Peter Jonas ... Jonas hat der Autorin seinen körperlichen Zustand, den Verfall, seine Sorgen, Abschiedsgesten für die Freunde freimütig mitgeteilt.« Wolfgang Schreiber Süddeutsche Zeitung 20210608