Bagdad und das Spiral-Minarett von Samarra
Der Journalist Henning Lauritz hat ständig Visionen von übelsten Kriegsszenen, sie überfallen ihn nachts, aber auch schon tagsüber. Er war noch nie in einem Kriegsgebiet.
Unerklärlicherweise erhält Henning den wichtigsten Journalistenpreis seiner
Branche. Dabei ist er doch aussortiert worden, besser gesagt, kaltgestellt worden, weil er ein…mehrBagdad und das Spiral-Minarett von Samarra
Der Journalist Henning Lauritz hat ständig Visionen von übelsten Kriegsszenen, sie überfallen ihn nachts, aber auch schon tagsüber. Er war noch nie in einem Kriegsgebiet.
Unerklärlicherweise erhält Henning den wichtigsten Journalistenpreis seiner Branche. Dabei ist er doch aussortiert worden, besser gesagt, kaltgestellt worden, weil er ein investigativer Journalist ist und intensiv zu HIV Aids recherchiert hat. Das gefiel nicht allen, deutlicher noch, es gefiel kaum jemanden. Also hatte er plötzlich keinen Broterwerb mehr.
Sein erstes Buch war über seine eher ungewöhnliche Art der Zeugung. In vitro. Ein Fremdspender gab seinen Samen, um damit eine Eizelle zu befruchten, die dann seiner Mutter eingepflanzt wurde (also genetisch war er mit keinem seiner beiden Eltern verwandt). Das erfuhr er aber erst mit zwölf Jahren, als sein Vater dringend Hilfe eines Blutverwandten brauchte und seine Mutter einen Schlaganfall erlitt. Aus dem nachfolgenden Koma erwachte sie nicht mehr. Plötzlich Vollwaise und plötzlich die Erkenntnis, dass seine Eltern nicht seine Eltern waren, stürzte für Henning zuerst einmal alles zusammen. Deswegen reiste er nach Texas (wo er ‚entstand) und recherchierte. Dieses Buch machte ihn berühmt und brachte ihm viel Geld ein. Und doch bereits damals stieß er an Grenzen. Und auch sonst ging einiges in seinem Leben schief. Das brachte ihn an den Abgrund, Alkohol, Drogen, unbändiger Sex.
Nun steht er also vor Cosima de Burnes, die ihm bei der Verleihung zuflüstert, dass er sich gefällig zusammenreißen soll. Sein Lebensmensch Peter Sämann und dessen Liebespartner sind bei der Verleihung dabei. Ehemalige Arbeitskollegen, die ihn bislang schnitten, kommen jetzt wieder auf ihn zu. Was so ‚fünfzehn Minuten Ruhm’ ausmachen... Auch ein Kollege, mit dem er früher ganz gerne zusammenarbeitete, spricht ihn an, will ihn am nächsten Tag treffen. Obwohl dieser auf die Dringlichkeit des Treffens hinwies, erscheint er jedoch nicht. Man findet ihn tot, erstickt an einem Stück Sachertorte. Schließlich ist man ja in Wien. Und alles hängt irgendwie mit Bagdad zusammen...
Warum ein Journalist sich leichtfertig in gefahrvolle Situationen begibt, ist ungewöhnlich (sagt ein Schreiberling mit Erfahrungen in Kriegsgebieten). Aber natürlich ist das für die Dramatik des Buches von besonderer Bedeutung. Also wird mal von Rügen abgesehen...(kein Verweis vom Presserat für vorsätzliche Gefährdung, mit einem Zwinkern in den Augen).
Was jedoch erfolgt im Roman ist ein Feuerwerk an Ereignissen, der eher ungewöhnlichen und unglaublichen Art. Hier passiert so viel, dass der lesende Mensch das gar nicht glauben mag. (Und doch könnte ein Körnchen oder gar ein ganzer Felsenblock Wahrheit in diesem Roman stecken). Auf jeden Fall spielt der Roman mit Dingen, die heutzutage (leider) nicht unvorstellbar sind. Larry Beinhart in ‚American Hero’ hat es in den 90ern bereits vorgemacht. Es gibt Dinge, die sind unglaublich. ‚Embedded journalists‘ und Edward Snowdon …, und sie passieren tatsächlich.
Sprachlich liest sich das Buch großartig, dazu die schnelle Abfolge von Ereignissen. So dass man gar nicht großartig merkt, dass es an die 750 Seiten sind, die man dabei ist heftigst durchzulesen.
Zitat: „Manchmal kann sich auch ein Engel nach Babel verirren“ (der Turm zu Babel steht für sprachliche Verwirrung). Und bald folgt ‚Nullort’, ein neues Buch von Roger Wortmann, dem wortgewaltigen Wortmann.
Das Umschlagsbild ist sehr modern gestaltet: in Rot, auffallend, rote Pixel, die aus Babal Babel Babel bestehen, durch die das Minarett von Samarra (spirale of Samarra) scheint. Optimal passend zum Inhalt, denn es ist nichts wie es scheint…