Tomatensoße als Rauschmittel? Amphetamine im Lebkuchen? Hopfen mit Morphinwirkung? - So manches, was wir essen und trinken, enthält psychotrope Stoffe, natürliche chemische Drogen, oder setzt sie in uns frei. Das Wissen darum ist seit jeher die Grundlage der Kochkunst - aber in größerem Rahmen erforscht wurde es noch nie. Psychotrope Alkaloide und Amine sind in der Pflanzenwelt recht verbreitet. Zahlreiche Lebensmittel enthalten daher solche Stoffe, natürliche Drogen. Inzwischen interessiert sich auch die Lebensmittelforschung für die chemischen Prozesse, die bei der Zubereitung oder beim Stoffwechsel solcher Lebensmittel ablaufen. Denn der Appetit des Menschen wird wesentlich davon beeinflusst. Spezifische Rezepturen und aufwendige Verfahren dienen häufig dazu, opiatwirksame Stoffe zu erzeugen - egal, ob es sich um Lebkuchen oder eine italienische Tomatensoße handelt, um Pilzgerichte oder Wurstwaren, um Fruchtsäfte oder Cola. Und oft kommt es auf die richtigen Gewürze an. In vielen Kulturen gelten Rauschmittel als normale Nahrung, und noch der Bayer spricht von flüssigem Brot, wenn er sein Bier meint. Denn Bier enthält Hopfen. Und das darin enthaltene «Hopein» wirkt ähnlich wie ein Morphin. Dieses Buch gibt einen umfassenden Überblick über die zahlreichen stimmungsbeeinflussenden und vor allem stimmungshebenden Stoffe in unserer täglichen Nahrung.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2010Im Wurstrausch
Zu welchen eklatanten Fehlschlüssen naturwissenschaftlicher Reduktionismus führen kann, offenbart das von Udo Pollmer herausgebene Buch "Opium fürs Volk". Es klärt über berauschende oder beruhigende Substanzen (Amphetamine, Amine, Alkaloide) auf, die sich in kleinsten Dosen in nahezu allen Nahrungsmitteln verbergen. In den Grenzen ihres Faches ist diese kulinarische Psychopharmakologie durchaus interessant. Wer hätte gedacht, dass sich aus Petersilienöl Ecstasy herstellen lässt? Pollmer und seine Mitautoren meinen allerdings, auf biochemischer Grundlage eine globale Kulturgeschichte der Ernährung entwerfen zu können. Die Grundthese, der Mensch empfinde als wohlschmeckend, was ihm physiologisch behagt, mag unter Berücksichtigung des acquired taste haltbar sein. Doch werden Speisezubereitungen mit dem unbewussten Ziel ausgetüftelt, den Rauschmittelgehalt der Kost zu steigern? Waren die Kämpfe um die Kontrolle der Gewürzhandelsrouten "Drogenkriege"? Selbst innerhalb des Pollmerschen Denksystems sind solche Folgerungen absurd. Die stimmungsaufhellende Potenz des Safrans ist keine Erklärung für dessen hohen Marktwert in Europa, wo die Speisekammer weit billigere Glücklichmacher wie Opiat im Weizen oder Speed in Wurstwaren zur Verfügung stellt. Die Zusammenhänge zwischen Kochtopf, Gaumen und Stoffwechsel dürften komplizierter sein, als Biologisten ahnen. ("Opium fürs Volk". Natürliche Drogen in unserem Essen. Hrsg. von Udo Pollmer. Rowohlt Verlag, Hamburg 2010. 223 S., br., 8,95 [Euro].)
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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zu welchen eklatanten Fehlschlüssen naturwissenschaftlicher Reduktionismus führen kann, offenbart das von Udo Pollmer herausgebene Buch "Opium fürs Volk". Es klärt über berauschende oder beruhigende Substanzen (Amphetamine, Amine, Alkaloide) auf, die sich in kleinsten Dosen in nahezu allen Nahrungsmitteln verbergen. In den Grenzen ihres Faches ist diese kulinarische Psychopharmakologie durchaus interessant. Wer hätte gedacht, dass sich aus Petersilienöl Ecstasy herstellen lässt? Pollmer und seine Mitautoren meinen allerdings, auf biochemischer Grundlage eine globale Kulturgeschichte der Ernährung entwerfen zu können. Die Grundthese, der Mensch empfinde als wohlschmeckend, was ihm physiologisch behagt, mag unter Berücksichtigung des acquired taste haltbar sein. Doch werden Speisezubereitungen mit dem unbewussten Ziel ausgetüftelt, den Rauschmittelgehalt der Kost zu steigern? Waren die Kämpfe um die Kontrolle der Gewürzhandelsrouten "Drogenkriege"? Selbst innerhalb des Pollmerschen Denksystems sind solche Folgerungen absurd. Die stimmungsaufhellende Potenz des Safrans ist keine Erklärung für dessen hohen Marktwert in Europa, wo die Speisekammer weit billigere Glücklichmacher wie Opiat im Weizen oder Speed in Wurstwaren zur Verfügung stellt. Die Zusammenhänge zwischen Kochtopf, Gaumen und Stoffwechsel dürften komplizierter sein, als Biologisten ahnen. ("Opium fürs Volk". Natürliche Drogen in unserem Essen. Hrsg. von Udo Pollmer. Rowohlt Verlag, Hamburg 2010. 223 S., br., 8,95 [Euro].)
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