Anselm ist Botaniker und leidenschaftlicher Orchideenforscher. Mitte des 19. Jahrhunderts begibt er sich auf eine Expedition nach Madagaskar. Dort findet er nicht nur die schönste Orchidee der Welt, sondern Erfüllung, die aber nur von kurzer Dauer ist. Auf dem Schiff zurück in die Heimat verrückt sich etwas in Anselm: Aus seiner Schulter wächst eine Orchidee. Zu Hause angekommen, bringen ihn seine Eltern in eine Nervenheilanstalt, wo er sich bald wieder erholt. Seiner wissenschaftlichen Laufbahn scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Doch die Zeit arbeitet gegen ihn: Die politischen Umbrüche verändern sein Umfeld. Die wissenschaftlichen Neuerungen durch Darwin stellen seine Theorien auf den Kopf. Und die überstürzte Reise nach China bringt Ungeahntes zutage. Verena Stauffer beweist in ihrem Debütroman ein besonderes Gespür für die Wahrnehmungen und Empfindungen ihrer Figuren. Sie lässt uns teilhaben an einer höchst sinnlichen Reise in den fernen Osten und führt uns noch weiter – in die Abgründe und das Innerste der menschlichen Psyche. "Eines Tages, so erzählte er später, begannen die Orchideen sich zu bewegen, irgendwann legten sie ihre Blätter auf seinen Kopf, hielten ihn und legten ihre Blütenhäupter daneben."
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2020NEUE TASCHENBÜCHER
Von Orchideen
besessen
Der Stern von Madagaskar ist legendär und real zugleich. Für den Schweizer Botaniker Anselm ist die Orchideenart eine Obsession. Mitte des 19. Jahrhunderts macht er sich nach Ostafrika auf, um sie zu entdecken. Ein Sog aus betörenden Gerüchen, Geschmäckern, Farben und Klängen benebelt ihn auf der Insel. Seine wissenschaftliche Methodik verschwimmt zusehends mit schwindelerregenden Wahrnehmungszuständen. Nachdem er die Königin der Blumen gefunden hat, glaubt er, ihm wachse eine Orchidee aus der Schulter. Der Österreicherin Verena Stauffer gelingt in ihrem 2018 erstmalig erschienenen Debütroman „Orchis“ ein sprachlich opulenter Hybrid aus wissenschaftshistorischem Abenteuer, Psychogramm und Halluzination, der Anselms psychedelische Bewusstseinszustände als überbordenden sinnlichen Rausch am Rande zum Wahnsinn fasst. Ein ernüchterndes und doch notwendiges Gegengewicht sind Stauffers Beschreibungen der damals noch jungen Psychiatrie, die mit heute abstrus wirkenden Methoden wie Schlafentzug und Sturzbädern hantierte: Anselm muss ins Sanatorium und sein botanisches Genie kommt ins Wanken. SOFIA GLASL
Verena Stauffer: Orchis. Roman. btb, München 2020. 256 Seiten,
11 Euro.
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Von Orchideen
besessen
Der Stern von Madagaskar ist legendär und real zugleich. Für den Schweizer Botaniker Anselm ist die Orchideenart eine Obsession. Mitte des 19. Jahrhunderts macht er sich nach Ostafrika auf, um sie zu entdecken. Ein Sog aus betörenden Gerüchen, Geschmäckern, Farben und Klängen benebelt ihn auf der Insel. Seine wissenschaftliche Methodik verschwimmt zusehends mit schwindelerregenden Wahrnehmungszuständen. Nachdem er die Königin der Blumen gefunden hat, glaubt er, ihm wachse eine Orchidee aus der Schulter. Der Österreicherin Verena Stauffer gelingt in ihrem 2018 erstmalig erschienenen Debütroman „Orchis“ ein sprachlich opulenter Hybrid aus wissenschaftshistorischem Abenteuer, Psychogramm und Halluzination, der Anselms psychedelische Bewusstseinszustände als überbordenden sinnlichen Rausch am Rande zum Wahnsinn fasst. Ein ernüchterndes und doch notwendiges Gegengewicht sind Stauffers Beschreibungen der damals noch jungen Psychiatrie, die mit heute abstrus wirkenden Methoden wie Schlafentzug und Sturzbädern hantierte: Anselm muss ins Sanatorium und sein botanisches Genie kommt ins Wanken. SOFIA GLASL
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»Der Österreicherin Verena Stauffer gelingt in ihrem Debütroman ein sprachlich opulenter Hybrid aus wissenschaftshistorischem Abenteuer, Psychogramm und Halluzination.« Sofia Glasl, Süddeutsche Zeitung