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Michael Hoffmann untersucht den Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die Geburt einer gemäßigten parlamentarischen Rechten in Frankreich, die zum ersten Mal alle bürgerlich-nationalen Kräfte in einer Fraktion und ab 1924 in einer Partei, der Fédération Républicaine, gruppiert. Der Autor konzentriert sich besonders auf das Verhältnis von politischer Kultur und Parteibildungsprozess, da sich die parlamentarische Rechte aus zwei verschiedenen Traditionslinien speist, einer nationalliberalen und einer konservativ-katholischen. Die "liberal-konservative Sammlung" entwickelte sich in den 1920er Jahren…mehr

Produktbeschreibung
Michael Hoffmann untersucht den Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die Geburt einer gemäßigten parlamentarischen Rechten in Frankreich, die zum ersten Mal alle bürgerlich-nationalen Kräfte in einer Fraktion und ab 1924 in einer Partei, der Fédération Républicaine, gruppiert. Der Autor konzentriert sich besonders auf das Verhältnis von politischer Kultur und Parteibildungsprozess, da sich die parlamentarische Rechte aus zwei verschiedenen Traditionslinien speist, einer nationalliberalen und einer konservativ-katholischen. Die "liberal-konservative Sammlung" entwickelte sich in den 1920er Jahren zu einem Pfeiler der republikanischen Ordnung, was die Akzeptanz der laizistischen Republik durch die Katholiken voraussetzte.

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Autorenporträt
Michael Hoffmann, geboren 1974, Historiker, ist Gymnasiallehrer für Geschichte und Latein am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2008

Frontkämpfer als Grabenüberwinder
Die parlamentarische Rechte in Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg

Das französische Parteiensystem weist bis heute eine markante Besonderheit auf: Im Unterschied zu Deutschland und Großbritannien, aber auch zu Spanien oder Griechenland verfügt es über keine stabile Sammlungspartei der rechten Mitte. Dass sich in Frankreich kein Pendant zu den britischen Tories oder der deutschen CDU herausbildete, liegt nicht allein an dem präsidial ausgerichteten politischen System der V. Republik. Bereits vor 1958 war innerhalb des französischen Parteienspektrums die "droite modérée" nicht in feste parteipolitische Strukturen eingebunden. Vielmehr konkurrierten hier diverse Parteien ohne verfestigte organisatorische Strukturen miteinander, deren Lebenszeit häufig nicht über einige Jahre hinausreichte. Dabei gab es nach dem Ersten Weltkrieg eine etwa zehn Jahre währende Phase, in der sich erstmals eine politische Strömung verfestigte, welche Konservativen wie Liberalen eine parteipolitische Heimat bot. Die Frage, unter welchen Umständen sich das Projekt einer liberal-konservativen Sammlung erstmals erfolgreich realisieren ließ, wirft damit erheblichen Erkenntnisgewinn nicht nur für die französische Geschichte der zwanziger Jahre ab, sondern vermag auch wichtige Einsichten in die Verfasstheit des französischen Liberalismus wie Konservatismus zu liefern.

Die Studie von Michael Hoffmann geht dieser Frage nach und kann mit Fug und Recht als eine beispielhafte Pionierstudie eingestuft werden. Denn der Autor musste sich in Ermangelung von Parteiarchiven das entsprechende Material mühsam aus einer Fülle verstreuter Nachlässe von politisch aktiven Personen zusammenklauben. Daneben wertete er nahezu fünfzig Zeitungen für den Zeitraum 1919 bis 1928 aus. Hoffmann bereichert die Forschung vor allem dadurch, dass er sein beeindruckendes Material mit heuristisch überaus ergiebigen Fragen aufschließt, die er im Wesentlichen der politischen Kulturforschung entlehnt. Damit betritt er absolutes Neuland in Bezug auf Frankreich, da die dortige Parteienforschung sehr organisationslastig ausgerichtet ist und Parteien nicht als politische Akteure auffasst, deren Erfolg davon abhängt, ob es ihnen gelingt, in der politischen Kultur fest verankerte politische Grundüberzeugungen und Ordnungsvorstellungen aufzugreifen - ein Ansatz, der sich in der internationalen Parteienforschung bewährt hat und nun erstmals auf Frankreich übertragen wird.

Bettet man die Aktivität von Parteien in vorhandenen politisch-kulturellen Grundmustern ein, so wird das ganze Ausmaß der Problematik deutlich, die das Projekt einer liberal-konservativen Sammlungspartei in Frankreich zu bewältigen hatte. Denn auf der Ebene der politischen Kultur war Frankreich seit der Französischen Revolution durch den Fundamentalkonflikt zwischen einer republikanisch-laizistischen Subgesellschaft und einem katholisch-konservativen antirepublikanischen Milieu so polarisiert, dass man von den "deux France" spricht. Dieser tiefe kulturelle Graben erschwerte eine politische Annäherung zwischen republikanischen Liberalen und katholischen Konservativen, die im Nachbarstaat Deutschland unter dem Vorzeichen einer gemeinsamen Frontstellung gegen die immer mehr an Boden gewinnende sozialistische Arbeiterbewegung bereits praktiziert wurde. Frankreich hingegen erlebte im Gefolge der radikalen Trennung zwischen Staat und Kirche durch die Separationsgesetze des Jahres 1905 einen veritablen Kulturkampf, dessen Auswirkungen erst durch die vergemeinschaftende Kraft des Ersten Weltkriegs so abgeschwächt wurden, dass in der Nachkriegszeit erstmals ein gemeinsames parteipolitisches Vorgehen zwischen Liberalen und Konservativen auf der Agenda stand.

Hoffmann bestätigt in seiner Studie die auch für den deutschen Fall belegte These, wonach vom Ersten Weltkrieg eine enorme Integrationswirkung nach innen ausging. Die katholische Rechte wurde im Zeichen der lagerüberspannenden "union sacrée" in die nationale Gemeinschaft eingegliedert; im Herbst 1915 gelangte erstmals seit dem Jahre 1877 wieder ein Vertreter der katholischen Rechten zu einem Ministeramt. Erkauft wurde diese Einbindung in die republikanische Ordnung durch die gemeinsame Berufung auf ein neues Nationskonzept, das die emanzipatorische Qualität der Nationsidee, wie sie bei der aus der jakobinischen Tradition stammenden Linken ursprünglich anzutreffen war, durch die Abgrenzung gegen den äußeren Feind (Deutschland) und durch die Konstruktion eines inneren Feindes (Pazifisten) zunehmend verdrängte.

Die eigentliche Bewährungsprobe für die Haltbarkeit des Kriegskonsenses sollte sich allerdings erst in der Nachkriegszeit ereignen: Hier zeigte sich, dass die im Krieg gebauten Brücken zwischen Liberalen und Konservativen stark genug waren, um im Parlament eine zwar stets neu auszuhandelnde, aber im Ganzen belastbare Kooperation zwischen den vormals durch die Streitfrage des Laizismus geschiedenen Gruppierungen zu ermöglichen. Noch wichtiger ist der Befund, dass der katholische Konservatismus in diesem Prozess in pragmatischer Weise die laizistische Ordnung hinnahm und sich auf die Abschwächung der kirchenfeindlichen Gesetzgebung der Vorkriegszeit beschränkte, was in drei wichtigen Politikfeldern gelang: Die französische Republik errichtete eine Botschaft beim Vatikan; sie duldete die Rückkehr einzelner Kongregationen nach Frankreich, und sie verständigte sich mit der Kirche in der heiklen Frage der Verwaltung des kirchlichen Eigentums und Vermögens auf einen im Übrigen bis heute gültigen Modus Vivendi.

Dafür waren die bis 1914 im Kern systemoppositionellen Konservativen auch bereit, die Spielregeln der parlamentarischen Republik so zu verinnerlichen, dass sie zu einem konstruktiven und verlässlichen Partner in diversen Regierungen der rechten Mitte wurden und sich auch in für sie schwierigen Politikfeldern einer Koalitionsräson unterwarfen. Dieser Transformationsprozess des französischen Konservatismus sticht deutlich ab von dem gänzlich anderen Muster im deutschen Fall. Die unter verschiedenen Parteinamen fungierende "droite modérée" wandelte sich von einer reinen Honoratiorenvereinigung zu einer programmorientierten Mitgliederpartei und fand auf diese Weise auch Anschluss an die durch den Wahlsieg des Linkskartells im Jahre 1924 ausgelöste außerparlamentarische Mobilisierungswelle.

Allerdings zeigten sich auch die Grenzen der Integrationskraft nach rechts: Zwar zog man 1926 auch mit Unterstützung der katholischen Kirche einen klaren Trennungsstrich zum Radikalnationalismus der "action française". Aber es fiel den Parteien der rechten Mitte zunehmend schwer, die Generation der Frontkämpfer, die Ende der zwanziger Jahre ein Lebensalter erreicht hatten, das sie für höhere politische Ämter geeignet erscheinen ließ, politisch einzubinden. Die instruktive Studie von Michael Hoffmann lädt damit zu der Nachfrage ein, ob nicht in den dreißiger Jahren mit dem Eintritt der Frontkämpfergeneration in die erste Reihe der Politik die französische Republik ähnlich überfordert war wie die deutsche Republik von Weimar.

WOLFRAM PYTA.

Michael Hoffmann: Ordnung, Familie, Vaterland. Wahrnehmung und Wirkung des Ersten Weltkriegs auf die parlamentarische Rechte im Frankreich der 1920er Jahre. Oldenbourg Verlag, München 2008. 545 S., 74,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit großem Interesse hat der Historiker Wolfram Pyta diese Studie zur französischen Rechten nach dem Ersten Weltkrieg gelesen, die ihm tiefe Einblicke in die Entwicklung und Verfasstheit des französischen Konservatismus gewährte. Ausführlich schildert Pyta in seiner informativen Rezension den Fundamentalkonflikt zwischen dem republikanisch-laizistischen Lager und einem antirepublikanisch-katholischen Milieu, der Frankreich seit der französischen Revolution spaltete und in dem Pyta auch einen der Gründe dafür sieht, dass sich die moderate Rechte dort bis heute nicht in einer Sammlungspartei vereinigt hat. Sehr instruktiv erscheint dem Rezensenten, wie Michael Hoffmann nun darlegt, dass sich diese beiden Lager unter der Einwirkung des Ersten Weltkriegs zur Zusammenarbeit gezwungen sahen und sich die katholische Rechte endlich in die republikanische Ordnung fügte. Dass diese politische Symbiose wieder zerbrach, als die Generation der Frontkämpfer in die politischen Ämter drängte, bietet laut Pyta wiederum Stoff für eine weitere Studie. Mit "Ordnung, Familie, Vaterland" hat Hoffmann thematisch, aber vor allem auch durch seine enorme Materialsichtung wichtige Pionierarbeit geleistet, lobt Pyta.

© Perlentaucher Medien GmbH