Studienarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Politik - Methoden, Forschung, Note: 2,0, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Institut für Politische Wissenschaft), Veranstaltung: Nationale und supranationale Aspekte zu den 8. Wahlen zum Europäischen Parlament 2014, Sprache: Deutsch, Abstract: Was die Parteiensysteme und das Wahlverhalten in den jungen osteuropäischen Demokratien angeht, so scheinen viele Beobachter gerne abwarten zu wollen, bis sich eine politische Landschaft scheinbar konsolidiert habe und diese dann mit „bewährten“ Mitteln für Westeuropa beackern ließe. Der zentrale Denkfehler besteht jedoch im Ausblenden der Tatsache, dass sich eine Dekonsolidierung auch in traditionsreichen, älteren Demokratien vollziehen kann und dann mitnichten als Kinderkrankheit bewertet würde, was bei den östlichen „Novizen“ jedoch häufig so ausgelegt würde. Außerdem kann man nach 25 Jahren postkommunistischer Entwicklung und weiterer Kongruenz zum Westen davon ausgehen, dass der größte Teil der Bevölkerung wenigstens ihr halbes Erwachsenenleben in Berührung mit demokratischen Wahlen gekommen ist und auch eine starke autoritäre Legacy, ob nun kommunistisch oder nicht, entsprechend langwierige Lernprozesse nicht zu verhüten vermag, wenn auch ihre Nachwirkungen nicht vollkommen ignoriert werden können. Die Tschechoslowakei war vor dem Zweiten Weltkrieg die letzte funktionierende Demokratie in Mitteleuropa und einer der reichsten Staaten der Welt. In vielerlei Hinsicht ist Tschechien unter allen anderen ehemaligen Ostblockstaaten noch am ehesten mit den neuen Bundesländern vergleichbar, jedoch ohne einen großen westlichen Bruder zu haben, der einem sein eigenes System übergestülpt hätte. Grundsätzlich postuliert die Seminararbeit, dass die äußerst niedrige Wahlbeteiligung des tschechischen Wahlvolks als Symptom mehrerer sich überlagernder Faktoren darstellt: Einmal die empfundene Nachrangigkeit der Europawahl (als sogenannte Second-Order-Election), sodann die resignative Gleichgültigkeit der Nichtwählerschaft bedingt durch die Nachwirkungen der Ostblockzeit und der postkommunistischen Systemtransformation und schlussendlich der politische Wechsel nach den nationalen Parlamentswahlen von 2013, welche das bei den vorangegangenen Europawahlen existente Protestwählerpotential eindämmte.