Man kommt nicht um ihn herum. Welches Museum, welches Schloss wir auch betreten: irgendwo hängt immer ein Gemälde, das die Stoffe illustriert, denen er in seinen "Metamorphosen" die prägende Gestalt gegeben hat, ob es nun der Mythos von Daedalus und Ikarus ist oder die amourösen Abenteuer des alten Schwerenöters Jupiter. Generationen von Lateinschülern haben sich durch seine brillanten Hexameter gequält, nur um später - mit etwas mehr Begeisterung - seine Liebeslehren zu verschlingen.Dating-Coach, Frauenversteher, Geschichtenerzähler: Melanie Möller porträtiert den Dichter Ovid und verortet ihn in seiner Zeit. Sie stellt seine Werke vor und zeigt, wie sie später rezipiert wurden. Und sie versucht Antworten auf bis heute diskutierte Fragen, darunter: Hatte Ovid wirklich etwas mit der Affäre der Augustus-Enkelin Julia zu tun - und musste deshalb in die Verbannung gehen? Und hat er dort, im Exil am Schwarzen Meer, wirklich seine Zeit mit dem Schreiben von Lehrbüchern über das Angeln zugebracht?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2016Leben ist nicht gleich Kunst
Alles Rolle! Ovids "Metamorphosen", dieser unendliche Fundus der Mythologie, handeln nicht nur von Verwandlungen, sondern stammen selbst von einem wahren Proteus. Die Lex Catulli, also die in der Gegenwartsliteratur so gern vergessene Trennung von Kunst und Leben, beherrscht er wie kaum einer. Ovid ist ein schalkhafter Spieler mit Themen, Formen und Gattungen, der mit seinem Beinamen Naso dem Publikum poetisch eine Nase zeigt. Die Liebeselegien "Amores" verdanken sich etwa der Hilfe Amors, der dem Epiker einen Versfuß klaut, um so dem Hexameter für das elegische Maß den Pentameter an die Seite zu stellen. Die Autobiographie in den "Tristien" wimmelt von Verfremdungen, die Christoph Ransmayr in "Die letzte Welt" dankbar fortschreibt. Und die "Ars amatoria" ist durch die distanzierenden Distichen mehr als ein bloßer Erotikratgeber, für den ihn unsere neugierig übersetzenden Großväter hielten. All das entfaltet Melanie Möller mit leichter, aber kundiger Hand in einem der Auftaktbändchen zur neuen Reihe "Reclam 100 Seiten". Das Zentrum bilden natürlich die "Metamorphosen", die aus gut vierzig Rollenperspektiven in rund 12 000 Versen etwa 250 Mythen entfalten. Einen besseren Reiseproviant kann man sich gar nicht denken - ein intellektueller Wachmacher, gegen den auch mehrere "Coffee-to-go" nicht ankommen.
kos.
Melanie Möller: "Ovid".
Reclam Verlag, Stuttgart 2016. 108 S., br., 10,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alles Rolle! Ovids "Metamorphosen", dieser unendliche Fundus der Mythologie, handeln nicht nur von Verwandlungen, sondern stammen selbst von einem wahren Proteus. Die Lex Catulli, also die in der Gegenwartsliteratur so gern vergessene Trennung von Kunst und Leben, beherrscht er wie kaum einer. Ovid ist ein schalkhafter Spieler mit Themen, Formen und Gattungen, der mit seinem Beinamen Naso dem Publikum poetisch eine Nase zeigt. Die Liebeselegien "Amores" verdanken sich etwa der Hilfe Amors, der dem Epiker einen Versfuß klaut, um so dem Hexameter für das elegische Maß den Pentameter an die Seite zu stellen. Die Autobiographie in den "Tristien" wimmelt von Verfremdungen, die Christoph Ransmayr in "Die letzte Welt" dankbar fortschreibt. Und die "Ars amatoria" ist durch die distanzierenden Distichen mehr als ein bloßer Erotikratgeber, für den ihn unsere neugierig übersetzenden Großväter hielten. All das entfaltet Melanie Möller mit leichter, aber kundiger Hand in einem der Auftaktbändchen zur neuen Reihe "Reclam 100 Seiten". Das Zentrum bilden natürlich die "Metamorphosen", die aus gut vierzig Rollenperspektiven in rund 12 000 Versen etwa 250 Mythen entfalten. Einen besseren Reiseproviant kann man sich gar nicht denken - ein intellektueller Wachmacher, gegen den auch mehrere "Coffee-to-go" nicht ankommen.
kos.
Melanie Möller: "Ovid".
Reclam Verlag, Stuttgart 2016. 108 S., br., 10,- [Euro].
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