In Pacific, Tom Drury revisits the community of Grouse County, the setting of his landmark debut, The End of Vandalism. When fourteen-year-old Micah Darling travels to Los Angeles to reunite with the mother who abandoned him seven years ago, he finds himself out of his league in a land of magical freedom. Back in the Midwest, an ethereal young woman comes to Stone City on a mission that will unsettle the lives of everyone she meets - including Micah's half-sister, Lyris, and his father, Tiny, a petty thief. An investigation into the stranger's identity uncovers a darkly disturbed life, as parallel narratives of the comic and tragic, the mysterious and quotidian, unfold in both the country and the city.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2017Von da an wusste er, wie man schießt
Hinterwäldler mit Tiefgang: Tom Drury entwirft in seiner meisterhaften Romantrilogie "Grouse County" ein Panorama aus der Mitte Amerikas.
Alle möglichen Leute glauben heute zu wissen, wie es in den sogenannten "flyover states" zugeht, selbst wenn sie sich in Amerika gar nicht auskennen. Sämtliche Bundesstaaten, die zwischen Kalifornien und New York liegen, werden mit diesem Begriff mal eben in einer arroganten Geste zum Gebiet der Hinterwäldler erklärt, die Trump an die Macht gebracht haben; dass es auch dort sehr verschiedene Menschen gibt, einfach unter den Tisch gekehrt.
Zugegeben: Zur Klischeebildung um sogenannte Rednecks, Hicks, Hillbillies, also um Leute, die backwards sind und aus den backwoods kommen, haben Literatur, Film und populäre Musik einiges beigetragen. Wenn man "Nebraska", "Dakota" oder "Iowa" sagt, kommen einem sofort Bilder und Songs in den Sinn, beim Stichwort "Mittlerer Westen" sieht man zwischen den Weizenfeldern und Wassertürmen auch gern schon die arme, dumme Landbevölkerung in ihren heruntergekommenen Trucks daherfahren und mit Schrotflinten auf Straßenschilder schießen.
Die Romane des 1956 in Iowa geborenen Tom Drury nehmen einiges von solchem Lokalkolorit und solchen Klischees auf, durchaus auch die Neigung zum Delinquententum oder zumindest zum Sichdurchwursteln. Auch den lakonischen Stil, der oft mit solchen Themen verbunden ist, pflegt er - und doch weckt sein Erzählen nicht das gern damit verbundene sarkastische oder nihlistische "Am Ende sind wir doch alle tot"-Gefühl, sondern das einer mitleidigen Ironie.
Mit anderen Worten: Es gibt ein literarisches Surplus bei Drury, und seine Figuren sind keine Abziehbilder, sondern gewitzte oder melancholische Menschen mit Tiefgang, selbst wenn sie wortkarg scheinen. Dass Drury künstlerisch etwas will, sieht man auch daran, dass er sich, ähnlich wie einst William Faulkner mit Yoknapatawpha, einen fiktiven Landkreis für seine Geschichten ausgedacht hat. Er heißt Grouse County, und man muss sich dieses Schneehuhnland im nördlichen Teil des Mittleren Westens vorstellen, irgendwo zwischen Minnesota, Illinois und der kanadischen Grenze.
Drei Romane hat Dury in dieser Gegend spielen lassen: "The End of Vandalism" (1994), "Hunts in Dreams" (2000) und "Pacific" (2013). Anstatt den jüngsten davon, wie die beiden vorausgehenden, nun auch einzeln ins Deutsche zu übertragen, bringt der Verlag Klett-Cotta ihn dankenswerterweise mit diesen zusammen als Romantrilogie heraus, die folgerichtig "Grouse County" heißt.
Im Mittelpunkt stehen einige Figuren, die Drury über eine Zeitspanne von fast dreißig Jahren durchs Leben begleitet, allen voran der Dorfsheriff Dan Norman, der gern die Ordnung erhalten und seine Mitmenschen vor Übel bewahren will, der im letzten Roman aber nur noch privater Ermittler ist, weil ihm alles zuviel wurde und er kein sechstes Mal fürs Amt kandidieren wollte. Aber der gute Mann steht auch in enger Verbindung mit den weniger sattelfesten Menschen: So wirft er ein Auge auf Louise Darling, die Frau eines Gelegenheitsverbrechers, mit der er bald darauf zusammenlebt. Der verlassene Ehemann wiederum, der den ulkigen Namen Tiny Darling trägt, zeugt mit einer Frau namens Joan einen Sohn namens Micah. So entspinnt sich eine vertrackte Patchwork-Geschichte. Der Roman "Pazifik" folgt dem nunmehr vierzehnjährigen Micah nach Kalifornien und thematisiert damit die Landflucht der jüngeren Generation aus Grouse County.
Aber so gerne man diesen Hauptfiguren durch die dicke Trilogie folgt, so sehr freut man sich auch an den scheinbar überflüssigen Nebengeschichten, die bei Drury vielleicht letztlich die Hauptsache sind. Er pflegt ein panoramatisches Erzählen, fast als ob er wie Dos Passos oder Döblin alle Menschen in seiner Handlungswelt beschreiben wollte, selbst wenn sie nur kurz durchs Bild fahren wie eine dicke Frau in einem Truck, an deren Beschreibung sich eine wunderbare Passage über Durchreisende anschließt.
Drury erreicht oft die Genauigkeit filmischer Makro-Aufnahmen; vor allem aber zeichnet er sich durch einen sehr eigentümlichen Humor aus, der oft auch Phänomene der Popkultur aufspießt. Da gibt es etwa eine Kneipenschlägerei um die Frage, "ob die Country-Sängerin Tanya Tucker abgewirtschaftet habe", oder an der Volkshochschule von Stone City belegt jemand einen Kurs über die "großen Rock-Poeten": Tom Petty und Wallace Stevens. Am besten beherrscht der Autor die Kunst des Aussparens: "Von da an wusste Charles, wie man auf etwas schießt, zumindest mit einem Gewehr." Wie dieser Satz subtil eine Katastrophe vorausahnen lässt, ist großartig. Obwohl er dauernd von weitaus berühmteren Kollegen gelobt wird, gilt Drury selbst in Amerika noch als Geheimtipp. Es gibt keinen Grund, warum das so bleiben sollte.
JAN WIELE.
Tom Drury: "Grouse County". Romantrilogie.
Aus dem Amerikanischen von Gerhard Falkner und Nora Matocza. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017. 795 S., geb., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hinterwäldler mit Tiefgang: Tom Drury entwirft in seiner meisterhaften Romantrilogie "Grouse County" ein Panorama aus der Mitte Amerikas.
Alle möglichen Leute glauben heute zu wissen, wie es in den sogenannten "flyover states" zugeht, selbst wenn sie sich in Amerika gar nicht auskennen. Sämtliche Bundesstaaten, die zwischen Kalifornien und New York liegen, werden mit diesem Begriff mal eben in einer arroganten Geste zum Gebiet der Hinterwäldler erklärt, die Trump an die Macht gebracht haben; dass es auch dort sehr verschiedene Menschen gibt, einfach unter den Tisch gekehrt.
Zugegeben: Zur Klischeebildung um sogenannte Rednecks, Hicks, Hillbillies, also um Leute, die backwards sind und aus den backwoods kommen, haben Literatur, Film und populäre Musik einiges beigetragen. Wenn man "Nebraska", "Dakota" oder "Iowa" sagt, kommen einem sofort Bilder und Songs in den Sinn, beim Stichwort "Mittlerer Westen" sieht man zwischen den Weizenfeldern und Wassertürmen auch gern schon die arme, dumme Landbevölkerung in ihren heruntergekommenen Trucks daherfahren und mit Schrotflinten auf Straßenschilder schießen.
Die Romane des 1956 in Iowa geborenen Tom Drury nehmen einiges von solchem Lokalkolorit und solchen Klischees auf, durchaus auch die Neigung zum Delinquententum oder zumindest zum Sichdurchwursteln. Auch den lakonischen Stil, der oft mit solchen Themen verbunden ist, pflegt er - und doch weckt sein Erzählen nicht das gern damit verbundene sarkastische oder nihlistische "Am Ende sind wir doch alle tot"-Gefühl, sondern das einer mitleidigen Ironie.
Mit anderen Worten: Es gibt ein literarisches Surplus bei Drury, und seine Figuren sind keine Abziehbilder, sondern gewitzte oder melancholische Menschen mit Tiefgang, selbst wenn sie wortkarg scheinen. Dass Drury künstlerisch etwas will, sieht man auch daran, dass er sich, ähnlich wie einst William Faulkner mit Yoknapatawpha, einen fiktiven Landkreis für seine Geschichten ausgedacht hat. Er heißt Grouse County, und man muss sich dieses Schneehuhnland im nördlichen Teil des Mittleren Westens vorstellen, irgendwo zwischen Minnesota, Illinois und der kanadischen Grenze.
Drei Romane hat Dury in dieser Gegend spielen lassen: "The End of Vandalism" (1994), "Hunts in Dreams" (2000) und "Pacific" (2013). Anstatt den jüngsten davon, wie die beiden vorausgehenden, nun auch einzeln ins Deutsche zu übertragen, bringt der Verlag Klett-Cotta ihn dankenswerterweise mit diesen zusammen als Romantrilogie heraus, die folgerichtig "Grouse County" heißt.
Im Mittelpunkt stehen einige Figuren, die Drury über eine Zeitspanne von fast dreißig Jahren durchs Leben begleitet, allen voran der Dorfsheriff Dan Norman, der gern die Ordnung erhalten und seine Mitmenschen vor Übel bewahren will, der im letzten Roman aber nur noch privater Ermittler ist, weil ihm alles zuviel wurde und er kein sechstes Mal fürs Amt kandidieren wollte. Aber der gute Mann steht auch in enger Verbindung mit den weniger sattelfesten Menschen: So wirft er ein Auge auf Louise Darling, die Frau eines Gelegenheitsverbrechers, mit der er bald darauf zusammenlebt. Der verlassene Ehemann wiederum, der den ulkigen Namen Tiny Darling trägt, zeugt mit einer Frau namens Joan einen Sohn namens Micah. So entspinnt sich eine vertrackte Patchwork-Geschichte. Der Roman "Pazifik" folgt dem nunmehr vierzehnjährigen Micah nach Kalifornien und thematisiert damit die Landflucht der jüngeren Generation aus Grouse County.
Aber so gerne man diesen Hauptfiguren durch die dicke Trilogie folgt, so sehr freut man sich auch an den scheinbar überflüssigen Nebengeschichten, die bei Drury vielleicht letztlich die Hauptsache sind. Er pflegt ein panoramatisches Erzählen, fast als ob er wie Dos Passos oder Döblin alle Menschen in seiner Handlungswelt beschreiben wollte, selbst wenn sie nur kurz durchs Bild fahren wie eine dicke Frau in einem Truck, an deren Beschreibung sich eine wunderbare Passage über Durchreisende anschließt.
Drury erreicht oft die Genauigkeit filmischer Makro-Aufnahmen; vor allem aber zeichnet er sich durch einen sehr eigentümlichen Humor aus, der oft auch Phänomene der Popkultur aufspießt. Da gibt es etwa eine Kneipenschlägerei um die Frage, "ob die Country-Sängerin Tanya Tucker abgewirtschaftet habe", oder an der Volkshochschule von Stone City belegt jemand einen Kurs über die "großen Rock-Poeten": Tom Petty und Wallace Stevens. Am besten beherrscht der Autor die Kunst des Aussparens: "Von da an wusste Charles, wie man auf etwas schießt, zumindest mit einem Gewehr." Wie dieser Satz subtil eine Katastrophe vorausahnen lässt, ist großartig. Obwohl er dauernd von weitaus berühmteren Kollegen gelobt wird, gilt Drury selbst in Amerika noch als Geheimtipp. Es gibt keinen Grund, warum das so bleiben sollte.
JAN WIELE.
Tom Drury: "Grouse County". Romantrilogie.
Aus dem Amerikanischen von Gerhard Falkner und Nora Matocza. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017. 795 S., geb., 28,- [Euro].
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