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Die "Schule von Jasnaja Poljana" auf dem Landgut Leo N. Tolstois kann in keiner Darstellung zur Geschichte der Reformpädagogik übergangen werden. Die vorliegende Neuedition enthält u.a. alle Grundtexte zu dem berühmten Schulmodell 1859-1862. Vereinigt sind in einem Band beide Teile der erstmals 1907 erschienenen deutschen Gesamtausgabe von "Pädagogischen Schriften" des russischen Dichters (Redaktion: Raphael Löwenfeld, Übersetzungen: Otto Buek). Tolstoi, seit Jugendtagen ein Verehrer von Jean-Jacques Rousseau, lehnte Erziehung als Zwang und Indoktrination ab: "Die einzige Grundlage der…mehr

Produktbeschreibung
Die "Schule von Jasnaja Poljana" auf dem Landgut Leo N. Tolstois kann in keiner Darstellung zur Geschichte der Reformpädagogik übergangen werden. Die vorliegende Neuedition enthält u.a. alle Grundtexte zu dem berühmten Schulmodell 1859-1862. Vereinigt sind in einem Band beide Teile der erstmals 1907 erschienenen deutschen Gesamtausgabe von "Pädagogischen Schriften" des russischen Dichters (Redaktion: Raphael Löwenfeld, Übersetzungen: Otto Buek). Tolstoi, seit Jugendtagen ein Verehrer von Jean-Jacques Rousseau, lehnte Erziehung als Zwang und Indoktrination ab: "Die einzige Grundlage der Erziehung ist die Erfahrung und ihr einziges Kriterium ist die Freiheit." Misstrauen entmutigt uns Menschen und führt zur Starre. Kinder lernen rein gar nichts, wenn sie in regelrechten Verhören examiniert und mit Strafandrohungen eingeschüchtert werden. Begegnung - statt Reglementierung - und Methodenvielfalt - statt Dogmatismus - sollten in Jasnaja Poljana walten. "Nur die Freiheit seitens der Schüler, zu wählen, was und wie man lernen soll", kann "eine Grundlage für den Unterricht abgeben". "Der Lehrer strebt stets unwillkürlich danach, die Methode des Unterrichts zu wählen, die ihm am bequemsten" erscheint. Indessen ist "nur diejenige Unterrichtsart die richtige, mit der die Schüler zufrieden sind." Der Staatsmacht waren das Wunder eines freien Lehrens und Lernens in Jasnaja Poljana sowie die beteiligten Studenten suspekt. Sie ließ 1862 die Räume des Grafen polizeilich durchsuchen und verschaffte sich sogar Zugang zu den persönlichsten Aufzeichnungen. Der Unterricht musste eingestellt werden. Doch Tolstoi versuchte nur ein Jahrzehnt später einen Neuanfang, erarbeitete ein bahnbrechendes "ABC-Buch" und galt gegen Ende seines Lebens als Pionier einer Pädagogik, die der Herrschaft von Menschen über Menschen nicht dienlich ist. Tolstoi-Friedensbibliothek Reihe B, Band 16 (Signatur TFb_B016) Herausgegeben von Peter Bürger, Editionsmitarbeit: Ingrid von Heiseler

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Autorenporträt
Leo (Lew) Nikolajewitsch Tolstoi (1828-1910) stammte aus einer begüterten russischen Adelsfamilie; die Mutter starb bereits 1830, der Vater im Jahr 1837. Zunächst widmete sich der junge Graf dem Studium orientalischer Sprachen (1844) und der Rechtswissenschaft (ab 1847). 1851 Eintritt in die Armee des Zarenreiches (Kaukasuskrieg, Krimkrieg 1854). 1862 Eheschließung mit Sofja Andrejewna, geb. Behrs (1844-1919); das Paar hatte insgesamt dreizehn Kinder (Hauptwohnsitz: Landgut Jasnaja Poljana bei Tula). Literarischen Weltruhm erlangte L. Tolstoi durch seine Romane "Krieg und Frieden" (1862-1869) und "Anna Karenina" (1873-1878). Ab einer tiefen Krise in den 1870er Jahren wurde die seit Jugendtagen virulente religiöse Sinnsuche zum "Hauptmotiv" des Lebens. Theologische bzw. religionsphilosophische Arbeiten markieren die Abkehr von einem auf dem Pakt mit der Macht erbauten orthodoxen Kirchentum (Exkommunikation 1901). Für Christen sah Tolstoi ausnahmslos keine Möglichkeit der Beteiligung an Staats-Eiden und Tötungsapparaten (Militär, Justiz, Todesstrafe, Herrschaftsideologie des Patriotismus, blutige Revolution mit Menschenopfern). Die in der Bergpredigt Jesu erkannte "Lehre vom Nichtwiderstreben" ließ ihn schließlich zu einem Inspirator Gandhis werden. Lackmusstext für den Wahrheitsgehalt aller Religionen waren für Tolstoi die Ablehnung jeglicher Gewalt und das Zeugnis für die Einheit der ganzen menschlichen Familie. Thomas Mann fand wenig Gefallen an der hochmoralischen "Kunsttheorie" und den (von Rosa Luxemburg z.T. durchaus geschätzten) Traktaten des späten Tolstoi, bemerkte aber - mit Blick auf die vielen Millionen Toten des Ersten Weltkriegs - 1928 anlässlich der Jahrhundertfeier von Tolstois Geburt: "Während der Krieg tobte, habe ich oft gedacht, dass er es nicht gewagt hätte auszubrechen, wenn im Jahre vierzehn die scharfen, durchdringenden grauen Augen des Alten von Jasnaja Poljana noch offen gewesen wären."