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Zoran Drvenkar begleitet eine verwöhnte Prinzessin
Pandekraska Pampernella ist elf Jahre alt, Prinzessin aus dem Königreich Florin und hat einen Namen, der ist wie sie selbst: ungewöhnlich und ein bisschen prätentiös. Sie kann reiten, zu jeder Zeit ihren Willen durchsetzen und im Notfall erwachsene Männer niederstrecken. Niemals verlässt sie den Palast ohne ihren Chronisten, ihren Leibwächter und eine ihrer exzellenten Frisuren mit pittoresken Namen wie "Bob Up the Mountain" oder "Frizzy Allover". Sie bekommt Geschenke von Angelina Jolie und geht schwimmen mit Johnny Depp. Fast überflüssig zu erwähnen, dass es der Papst höchstpersönlich war, der sie taufte. Was soll diesem Mädchen noch fehlen?
Vor allem eine beste Freundin. Und genau die möchte Pandekraska Pampernella im gleichnamigen Buch des erfolgreichen Kinderbuchautors Zoran Drvenkar nun finden. Die Eltern der Prinzessin kümmern sich herzlich wenig um ihre Tochter und lieber um ihre Autosammlung und die jahrelange Zitronensaftdiät. Pandekraska hat zwar eine - wie sollte es anders sein - außergewöhnliche Patentante. Aber abgesehen von ihr und den ergebenen Bediensteten im Palast ist es ziemlich einsam in Pandekraskas Leben. Ändern soll sich das mit Hilfe eines ausgefeilten Algorithmus, der bei der Freundinnensuche behilflich ist.
Abwechselnd erzählen die Prinzessin und ihr treu ergebener Chronist Domingo Yglesias De Sacramento, genannt Don Pluto, von dieser ereignisreichen Suche. Drvenkars Buch ist schnell, unterhaltsam und witzig, ein bisschen Roadmovie, ein bisschen Krimi. Denn statt einer besten Freundin hat die junge Prinzessin eine Erzfeindin und ein großes Geheimnis, dessen vollständige Auflösung wohl in weiteren Pandekraska-Büchern enthüllt werden muss. Auf diese ominöse Feindin, die persönlich nie auftaucht, dürfen sich Leser freuen, sollte sie so sein wie die anderen weiblichen Figuren des Buches. Denn nicht nur Pandekraska, sondern auch die Mädchen, die ihr im Laufe der Geschichte begegnen, sind tolle Charaktere. Nicht gefällig, sondern eigen im besten Sinne: selbstbewusst und durchgeknallt, streckenweise aber auch unsympathisch, arrogant und unsicher. Dass Pandekraska sich so schwertut, eine Freundin zu finden, hat auch damit zu tun, dass sie es den Anwärterinnen nicht gerade leichtmacht: ",Ich hasse Tennis', sagte Vicky und rülpste. ,Das habe ich gesehen.' Sie warf mir einen schiefen Blick zu. ,Du wusstest das und hast mich trotzdem herausgefordert?!' ,Ich konnte nicht widerstehen.'"
Bei ausgefeilten Figuren und einer Geschichte, die nur so sprüht vor Witzen und Ideen, wundert es allerdings, dass "Pandekraska Pampernella" manchmal ein bisschen zu sehr platte Klischees bedient. Da kriegen Iren so viele Kinder, dass sie sie kaum auseinanderhalten können, und der Bösewicht Böff Stroganoff ist natürlich ein Russe. Nun ist es nicht per se schlimm, mit Klischees zu spielen. Aber auf den Tonfall kommt es doch an. Eine Passage ist regelrecht menschenverachtend. Da heißt es über Kinder in Indien: "Einmal geriet er in eine Gruppe bettelnder Kinder, die an seiner Kleidung zupften und sich an seinen Beinen festhielten. Es war ein wenig, wie durch Schlamm zu waten. Mein Leibwächter schleifte die Kinder ein paar Meter mit sich, dann ließen sie von ihm ab. Erst später sollte er herausfinden, dass sie ihm das Handy aus der Jacke geklaut hatten."
Schon klar, hier erzählt eine verwöhnte Prinzessin. Aber wenn ebendieses geklaute Telefon im Verlauf der Geschichte zum Problem wird, dient die Passage eben nicht nur dazu, die Arroganz der Prinzessin zu illustrieren. Abgesehen davon, fällt es schwer, eine Protagonistin, die in ärmeren Kindern Dreck sieht, noch irgendwie sympathisch zu finden. Das muss man auch nicht, aber darauf ist die Hauptfigur trotz ihrer Schwächen angelegt. Zwar bringt der Aufenthalt in Indien die Prinzessin dazu, ihre Rolle in der Welt zu überdenken, denn Nisha, die Pandekraska dort kennenlernt, kämpft mit ihren Freundinnen gegen die Ausbeutung von Kindern. Aber ob es, um diesen Prozess zu zeigen, solcher Formulierungen bedarf, ist zumindest diskutabel.
Dennoch möchte man nach all den wilden Irrfahrten wissen, wie es weitergeht mit Pandekraska Pampernella und ihren potentiellen Freundinnen. Besonders Vicky, die vier Jahre älter als die Prinzessin ist und vom Algorithmus ignoriert wurde, ist trotz ihrer scheinbaren Defizite besonders charmant und in ihrer Menschenkenntnis der Prinzessin ein ganzes Stück voraus. Nicht nur deshalb wäre sie eine sehr gute Kandidatin für den Platz der besten Freundin, holt sie die Prinzessin doch mit ihrer klugen Art immer wieder vom hohen Ross herunter: "Sie schien mich überhaupt nicht ernst zu nehmen, lachte mich aus und gab mir das Gefühl, ein verwöhntes Gör zu sein. Dennoch fühlte es sich an, als würde sie mich mögen." Und darum, weiß Vicky, geht es in einer Freundschaft: "Was deine beste Freundin auch macht, sie darf es falsch machen und du verzeihst ihr, denn sie ist deine beste Freundin und sie macht es nie absichtlich falsch, denn sie liebt dich." Diese Einsicht fehlt der Prinzessin stellenweise noch. Zum Glück, möchte man sagen. Genau das macht die Geschichte eben auch interessant.
ANNA VOLLMER
Zoran Drvenkar: "Pandekraska Pampernella". Roman.
Illustriert von Martin Baltscheit. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2021. 336 S., geb., 14,95 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Zoran Drvenkar erzählt von einer Prinzessin, die sich in der
ganzen Welt herumtreibt, um eine Freundin und sich selbst zu finden
VON MICHAEL SCHMITT
Man wächst nicht, wenn man sich fürchtet. Passt als Warnung – oder als naseweiser Kommentar – derzeit in fast jedes Gespräch. Steht aber explizit im neuen Kinderbuch von Zoran Drvenkar, zusammen mit ein paar weiteren ähnlichen Sätzen, aber auch vielen abenteuerlichen Episoden, die die Grenzen eines bürgerlichen Kinderzimmers überschreiten. Und mit entsprechend zahlreichen Anlässen, den Umgang mit Furcht und Schrecken in den Griff zu bekommen. Zu den Abenteuern gleich mehr, erst mal zur Frage des Wachstums: Die Heldin des Romans ist elf Jahre alt und ein bisschen zu klein geraten, vor allem scheinen ihr ihre kurzen Beine zu missfallen. Mit ihrem hellen Kopf darf sie dagegen durchaus zufrieden sein. So wie sie von sich selbst erzählt und wie andere Stimmen im Roman von ihr berichten, sind Denken und Lernen für sie kein Problem, eher schon Langeweile, weil nichts sie auf Dauer beschäftigen kann. Diesen Kopf schmückt sie daher auch jeden Morgen mit einer neuen aufwendigen Frisur, das ist ein Ritual, aber vielleicht auch ein Halt in ihrem Kinderleben, eine Art von autosuggestiver Selbstbestätigung – „ich habe eine Frisur, also bin ich“ – denn wer schnell denkt, hat meist auch bald ein Problem mit sich selbst, und dann kommen die Ängste. Mit denen kennen sich die jungen Charaktere in den Romanen von Zoran Drvenkar gut aus, meist werden sie damit in mehr oder weniger fantastischen Szenarien heimgesucht. So auch in diesem Fall: Das Mädchen heißt Pandekraska Pampernella, wird als Prinzessin mit König und Königin als Eltern vorgestellt, möchte aber selbst nicht so benannt werden, obwohl sie sich oft benimmt wie eine Prinzessin. Sie hat einen Stab von Helfern um sich, einen Bodyguard und einen Chronisten, der ihr umtriebiges Leben protokolliert, aber sie hat keine beste Freundin, und das ist das Motiv, das die Handlung in Gang bringt. Es geht um eine Suche, vorderhand nach einer anderen Person, die unabdingbar zum Leben eines Mädchens dazugehört, im Kern aber wohl eher nach dem angemessenen Bild der Heldin von sich selbst.
In einem Buch für junge Leserinnen wäre das an sich nichts Besonderes – aber in diesem Fall verläuft das eher nach der Devise „Lebe lieber ungewöhnlich“. Ohne irgendeine Rücksicht auf Realismus schickt Zoran Drvenkar seine Heldin und ihren kleinen Hofstaat mit rasender Geschwindigkeit rund um die Welt, um geeignete Mädchen zu finden, die als „beste Freundin“ neben einer so anspruchsvollen, neunmalklugen jungen Dame wie Pandekraska bestehen könnten. Das geht so flott, dass „Globalisierung und Beschleunigung“ keine geeigneten Kategorien dafür sind, sondern eher vielleicht kindliche Allmachtsfantasien und Heldinnenträume. Zoran Drvenkar konfrontiert sie mit allen attraktiven Rollen, in denen jugendliche Vorbilder derzeit gerne zu Identifikationsfiguren gehypt werden können: Mit einer kindlichen Tierschützerin in einer entlegenen Wildnis, mit einer Heroine der Teenie-Popkultur, mit Kämpferinnen gegen Kinderarbeit und gesellschaftliche Ungerechtigkeit – aber auch mit einer Fünfzehnjährigen, die ganz anders ist, weil sie nämlich nur ihren Spaß sucht. Doch gerade dieses Mädchen ist zu alt, um einer Elfjährigen die passende Gesellschaft zu sein.
Mit jeder dieser Bekanntschaften und mit jeder der turbulenten Eskapaden geht für die Prinzessin eine meist schmerzliche Einsicht in eigene Schwächen oder mangelndes Engagement einher, insofern ist „Pandekraska Pampernella“ ein Bildungsroman, angesiedelt an der Schwelle von der Kindheit zur Jugend. Aber dieser traditionelle Kern ist gut getarnt, durch Cliffhanger, die nicht aufgelöst werden und auf eine Fortsetzung verweisen, sowie durch Hinweise auf ein Identitätsproblem der Heldin, das sich nicht allein durch die Suche nach einer Freundin wird lösen lassen. Man darf gespannt sein. (ab 10 Jahre)
Zoran Drvenkar: Pandekraska Pampernella. Beltz & Gelberg 2021. 333 Seiten, 14,95 Euro.
Die Heldin wird
mit rasender Geschwindigkeit
rund um die Welt geschickt
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