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Radikal, queer und urkomisch! Komponistin, Pionierin, Freigeist und Frauenrechtlerin – Ethel Smyth hatte viele Gesichter. Ihre außergewöhnliche musikalische Begabung, ihr rebellisches Wesen, ihre Zielstrebigkeit und die Leidenschaft, mit der sie ihre beruflichen und politischen Ziele verfolgte, beeindrucken bis heute. Mit wilder Entschlossenheit überwand sie alle gesellschaftlichen Hürden auf dem Weg zur professionellen Komponistin. Sie verkehrte mit Clara Schumann, Edvard Grieg und Johannes Brahms, war offen lesbisch, eng befreundet mit Emmeline Pankhurst und Virginia Woolf und komponierte…mehr

Produktbeschreibung
Radikal, queer und urkomisch! Komponistin, Pionierin, Freigeist und Frauenrechtlerin – Ethel Smyth hatte viele Gesichter. Ihre außergewöhnliche musikalische Begabung, ihr rebellisches Wesen, ihre Zielstrebigkeit und die Leidenschaft, mit der sie ihre beruflichen und politischen Ziele verfolgte, beeindrucken bis heute. Mit wilder Entschlossenheit überwand sie alle gesellschaftlichen Hürden auf dem Weg zur professionellen Komponistin. Sie verkehrte mit Clara Schumann, Edvard Grieg und Johannes Brahms, war offen lesbisch, eng befreundet mit Emmeline Pankhurst und Virginia Woolf und komponierte die berühmte Suffragetten-Hymne »The March of the Women«. In ihren Erinnerungen lässt sie ihr außergewöhnliches Leben mit viel Witz, Charme und Selbstironie Revue passieren. »Sie ist vom Stamm der Pioniere, der Bahnbrecher. Sie ist vorausgegangen und hat Bäume gefällt und Felsen gesprengt und Brücken gebaut und so den Weg bereitet für die, die nach ihr kommen.« Virginia Woolf über Ethel Smyth
Autorenporträt
Dame Ethel Mary Smyth setzte 1877 im Alter von 19 Jahren mittels eines Hungerstreiks den Wunsch gegen ihre Eltern durch, Komposition zu studieren und wurde zu einer der ersten professionellen Komponistinnen des modernen Europa. Einige ihrer Werke wurden trotz der damaligen Widerstände gegen weibliche Komponisten an großen Konzerthäusern uraufgeführt; ihr Werk »Der Wald« war über 100 Jahre lang die einzige Oper einer Komponistin an der Metropolitan Opera in New York.
Rezensionen
»Ethel Smyth hatte eine flammende Seele. Sie brannte ununterbrochen, ob sie komponierte, ob sie schrieb ... ob sie als Suffragette agitierte oder ob sie in einer Art Kimono ein Orchester dirigierte.« Bruno Walter

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2023

Die Suffragette am Tisch des Kaisers

Sie war eine Komponistin von Format,

entschiedene Kämpferin für Frauenrechte und stilsichere Autorin überdies: Ein erfrischender Band macht mit Ethel Smyth bekannt.

Von Jan Brachmann

Von Jan Brachmann

Von jahrzehntelang eingeübtem Understatement nur mühsam kaschiert, bricht doch Bitterkeit aus Ethel Smyth hervor, als sie kurz nach ihrem 75. Geburtstag im Jahr 1933 das Resümee ihres Lebens zieht: "Also, mit dem Berühmtsein ist das so eine Sache. Ja, es stimmt, ich habe meine eigenen Opern dirigiert und liebe Bobtails; ich trage immer nur Tweedkleidung, und an kalten Winternachmittagen habe ich darin sogar Konzerte gegeben; ich war eine militante Suffragette und habe zu meinem 'March for the Women' vom Fenster des Holloway-Gefängnisses herunter mit meiner Zahnbürste den Takt geschlagen, ich habe Bücher geschrieben, Reden gehalten, Rundfunksendungen gemacht, und ich achte nicht immer darauf, dass mein Hut gerade sitzt. Ich bin tatsächlich berühmt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich seit über vierzig Jahren sozusagen meinen Job mache, und es ist mir dabei nicht gelungen, auch nur ein winzig kleines Rädchen im englischen Musikapparat zu werden. Meine Bekanntheit hat auch nicht geholfen, meinen Namen auf die Programmzettel zu bringen."

Dass sie zweimal die Ehrendoktorwürde verliehen bekam und vom englischen König als Dame Commander of the Order of the British Empire in den Adelsstand erhoben wurde, schreibt sie mit grimmigem Grinsen ihren Verdiensten im Rasentennis und ihren guten Kontakten zu einflussreichen Männern des Woking Golf Clubs zu - nicht aber ihren musikalischen Verdiensten. Dabei hatte Ethel Smyth, 1858 in Südengland geboren und 1944 gestorben, auf dem Gebiet der Musik mehr erreicht als jede Frau ihrer Zeit. Ihr gelang es, dass die Berliner Hofoper Unter den Linden ein Bühnenwerk von ihr zur Uraufführung brachte; sie setzte als erste Frau überhaupt ein Werk am Königlichen Opernhaus Covent Garden in London durch und ebenso an der Metropolitan Opera New York.

Ihren Wunsch, Musik zu studieren, hatte sie ihrem Vater, einem Generalmajor der britischen Artillerie, mit einem häuslichen Hungerstreik und einer mehrwöchigen Sprechverweigerung abtrotzen müssen. 1877 gestattete er ihr es, nach Leipzig zu gehen, wo sie zunächst am Konservatorium, dann bei dem mit Johannes Brahms befreundeten Ehepaar Heinrich und Elisabeth von Herzogenberg zur Komponistin ausgebildet wurde. Die Ernsthaftigkeit ihres Studiums überzeugte dann auch den Vater.

Smyth hat zwischen 1919 und 1940 insgesamt sechs Erinnerungsbücher verfasst, nach eigenen Angaben aus doppelter Not heraus: Einmal war die argentinische Bank, die ihr Vermögen verwaltet hatte, pleitegegangen; zum anderen nahmen ihre Hörprobleme - bis zur fast völligen Ertaubung - zu, sodass sie kaum noch musikalisch tätig sein konnte. Deshalb versuchte Smyth sich selbst, so schreibt sie, als Unterhaltungsschriftstellerin, mit spürbarem Erfolg übrigens. Aus diesen sechs Büchern hat die Berliner Anglistin Heddi Feilhauer eine Kompilation erstellt und ins Deutsche übersetzt. Der Titel "Paukenschläge aus dem Paradies" ist Feilhauers eigene Erfindung, spielt aber an auf Smyths Vorlesung "Weibliches Pfeifen in Eden" aus dem Jahr 1933, worin sie die Unterdrückung weiblicher Kreativität in der Musik mit wütendem Witz zurückverfolgt bis zu Adam und Eva.

Feilhauers Buch ist ein Spaß an Geist und Stil, eine erfrischende Bereicherung unserer musikgeschichtlichen Kenntnis. Sie bringt das pointierte, teils bissige, teils zarte Englisch von Smyth in ein wundervoll zu lesendes Deutsch. Die Offenherzigkeit der Auskünfte ist jederzeit durch ein unfehlbares Taktgefühl ausbalanciert - in einer Sprache, die Diskretion und Deutlichkeit vereint.

Ganz unverklemmt unterrichtet Smyth ihre Leser gleich zu Beginn darüber, dass ihre erotischen Neigungen eher Frauen als Männern galten. Schon als Schülerin hatte sie sich einen Katalog der Leidenschaften angelegt, in den sie die Namen aller Mädchen und Frauen eintrug, die sie gern geheiratet hätte, wenn sie ein Mann gewesen wäre (übrigens trug sie gern die Kleidung ihres ältern Bruders und kletterte auf Bäume). Die größte Leidenschaft ihres Lebens war Elisabeth von Herzogenberg, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Wie weit die Erwiderung dieser Liebe ging, verschweigt Smyth freilich.

Tragisch wurde die Beziehung dadurch, dass der Schriftsteller Henry Brewster, der Mann von Elisabeths Schwester Julia, sich in Smyth verliebte und auch sie sich - ein seltener Fall in ihrem Leben - zu diesem Mann hingezogen fühlte. Über diese Liaison zerbrach die Freundschaft zu den Herzogenbergs. Smyth und Brewster lebten bis zu dessen Tod als unverheiratetes Paar zusammen: mit der wechselseitigen Lizenz zu jeweils eigenen Affären. Er schrieb auch das Libretto zu ihrer Oper "The Wreckers".

Ethel Smyth verkehrte in der High Society des alten Europas. Die im englischen Exil lebende französische Kaiserin Eugénie, Witwe von Napoléon III., war eine ihrer engsten Freundinnen, zu deren Teepartys Smyth auf dem Fahrrad kam. Die Kaiserin machte sie bekannt mit Queen Victoria, die sich bei der Durchsetzung der Uraufführung von Smyths Messe in D-Dur behilflich zeigte.

In Berlin genoss Smyth die Freundschaft der Familie des damaligen Reichskanzlers Bernhard von Bülow und gewann die Sympathien von Kaiser Wilhelm II., von dessen Kunstsinn und politischer Einstellung sie keine hohe Meinung hegte, von dessen Qualitäten als Gesellschafter und Gesprächspartner sie sich dann aber angenehm überrascht zeigte. Überhaupt gehört die abwägende Gerechtigkeit in der Beurteilung von Persönlichkeiten zu den Stärken dieses Buches. Auch Brahms spießt sie auf wegen dessen Herablassung gegenüber komponierenden Frauen, gesteht ihm aber eine große Güte, verborgene Hilfsbereitschaft, Mut und Kompromisslosigkeit in künstlerischen Urteilen und vor allem einen hohen Rang als Komponist zu.

Einer der Männer freilich, die am besten in diesem Buch wegkommen, ist Peter Tschaikowsky, den sie als vollendeten welterfahrenen Gentleman erlebt: gewinnend, zuvorkommend, unterstützend, achtungsvoll und ernsthaft interessiert an ihrem künstlerischen Talent.

Wie schon an der Biographie der deutschen Komponistin Emilie Mayer fällt auch am Lebensweg von Ethel Smyth auf, dass es eher die sozial als konservativ geltenden Schichten waren, die ihre Begabung förderten: der Hochadel und das Militär. Das Bürgertum hingegen begegnete ihr mit Skepsis. Zwei Jahre lang engagierte sich Smyth als Kämpferin für das Frauenwahlrecht, warf bei Protestaktionen Scheiben ein und ging dafür ins Gefängnis. Sie beschreibt auch dieses Kapitel mit großer Nüchternheit. Feilhauer teilt in ihrem Epilog die kurze Chronik zum letzten Eintrag im Katalog der Leidenschaften von Smyth mit: eine beiderseits innige Freundschaft mit Virginia Woolf.

Ethel Smyth: "Paukenschläge aus dem Paradies". Erinnerungen.

Hrsg. und a. d. Englischen von Heddi Feilhauer. Ebersbach & Simon Verlag, Berlin 2023. 240 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Neuedition der Erinnerungen der Komponistin Ethel Smyth nutzt Rezensentin Marianne Zelger-Vogt, um umfassend über das Leben der Engländerin zu informieren, die sich allen Konventionen zum Trotz ein selbstbestimmtes Leben nicht nur in der Musikwelt, sondern auch als Socialite aufbauen konnte. In diesen Erinnerungen kann Zelger-Vogt nicht nur etwas zum "Gemeinschaftsgeist der Suffragetten" lesen, sondern auch über das innere Milieu der deutschen Musiklandschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert mitsamt Persönlichkeiten wie Clara Schumann und Johannes Brahms. Leider ist für sie zu bemängeln, dass die Edition weder Werk- noch Personenverzeichnis, noch biografische Einordnungen enthält, im Gegensatz zur für sie überlegenen Ausgabe von 1988. Trotz dessen hofft die Kritikerin, dass das "neu erwachte Interesse an weiblichem Musikschaffen" das Werk der Komponistin endlich im ihr gebührenden Licht erscheinen lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.12.2023

Sie ging voraus
Ethel Smyth kämpfte ihr Leben lang: für eine Karriere als Komponistin, für das Frauenwahlrecht, die freie Liebe. Jetzt wird sie in großem Stil neu entdeckt.
„Sein Auftreten bei anderen Frauen – oder Weibsbildern, wie er sie oft bezeichnete – war weniger ausgesucht. Gefiel ihm ihre Erscheinung nicht, konnte er ziemlich unangenehm sein, waren sie hübsch, hatte er die peinliche Angewohnheit, sich mit geschürzten Lippen in seinem Sessel zurückzulehnen, über seinen Schnurrbart zu streichen und sie anzustarren wie ein begieriger Junge die Marmeladentörtchen.“ So unverblümt beschreibt Ethel Smyth das schlechte Benehmen von Johannes Brahms, wenn er in Leipzig im Hause der befreundeten Familie von Herzogenberg weilte.
Auch sonst nimmt Ethel Smyth in ihren Erinnerungen kein Blatt vor den Mund. Stets erzählt sie direkt, auch ohne Schonung ihrer selbst aus ihrem abenteuerlichen und vor allem selbstbestimmten Leben, das sie sogar für Monate ins Gefängnis führte, nachdem sie mit anderen englischen Frauenrechtlerinnen Fensterscheiben eingeschmissen hatte.
Aus den mehrbändigen Memoiren der bedeutenden Komponistin und Suffragette hat Heddi Feilhauer nun so viel ausgewählt, übersetzt und herausgegeben, dass man das Leben und Wirken dieser außergewöhnlichen Frau gut nachvollziehen kann. Nachdem er ihre Messe in D 1893 gehört hatte, sagte George Bernard Shaw: „Da Frauen in der Profession Victor Hugos auffallend erfolgreich sind, kann ich nicht erkennen, warum sie nicht gleichermaßen in der von Liszt Erfolg haben sollten.“
Es wäre denn auch an der Zeit, Smyths Erinnerungen komplett zu übersetzen, weil sie über das Autobiografische hinaus ungemein lebendige und unverstellte Einblicke in die europäische Welt vom Viktorianismus in England bis in den Zweiten Weltkrieg hinein bieten.
Ethel Smyth starb 1944 in Woking in der Grafschaft Surrey. In ihren späten Lebensjahren ertaubte sie völlig. Als Memoirenschreiberin war sie berühmt, schon 1910 bekam sie ihren ersten Ehrendoktor, zwei weitere, unter anderem von der Universität Oxford, folgten. König George V. erhob sie 1922 zur Dame Commander des Order of the British Empire, und mit dem „March of the Women“ schuf sie die durchschlagskräftige Kampfhymne der englischen Frauenbewegung. Dennoch blieben ihre musikalischen Werke in England mehr oder weniger unaufgeführt.
Ihr Resümee fällt bitter aus: Seit über vierzig Jahren habe sie „ihren Job“ gemacht und es sei ihr dabei nicht gelungen, „auch nur ein winziges Rädchen im englischen Musikapparat zu werden“. Das liege, so sagten manche Freunde, daran, dass sie sich der Oper zugewandt und allzu sehr am deutschen Musikbetrieb orientiert habe. Dabei habe sie sich doch zuerst „vergeblich die Knöchel wund geklopft an den Türen der englischen Konzerthäuser“: „Aber wenn man seine Musik nicht in der Öffentlichkeit zu Gehör bringen kann, ist das, als empfehle man einem Maler, seine Werke im dunklen Keller zu verstecken.“
Virginia Woolf hat Ethel Smyth, ihre Kraft, Energie, Leidenschaft und ihren Mut bestens charakterisiert: „Sie ist vom Stamm der Pioniere, der Bahnbrecher. Sie ist vorausgegangen und hat Bäume gefällt und Felsen gesprengt und Brücken gebaut und so den Weg bereitet für die, die nach ihr kommen.“
Hineingeboren wurde sie 1858 in Sidcup in der Grafschaft Kent in die Familie des Generalmajors John Hale Smyth und seiner Frau Nina Emma Struth, die in Paris groß geworden war und noch fünf weitere Töchter und einen Sohn hatte. Von Beginn an zeigte Ethel, dass ihr mehr das Draufgängertum ihres Bruders Johnny nachahmenswert war als Mädchenspiele.
So erzählt sie von ihrer frühesten Erinnerung: „Bei mir handelte es sich um einen Sprung aus unserem Ponywagen ... der damit endete, dass ich rücklings auf dem Weg landete.“ Ethel hatte nicht beachtet, dass Johnny und der Stallknecht immer in Fahrtrichtung absprangen. Und so stellt sie fest, dass ihre „bewusste Lebensrückschau mit der ersten von einer langen Reihe schmerzhafter Landungen“ anfing. Trotzdem schreibt sie: „Gar kein schlechter Beginn!“
Es ist der kernige Humor, der die Erinnerungen dieser imponierenden Künstlerin durchzieht und einen dazu verleitet, den Anekdotenreichtum als Quintessenz dieser Memoiren zu genießen. Das mag auch an der Auswahl liegen. Dennoch ist Ethel Smyths stolze Klarheit programmatisch zu verstehen, weil sie sich von Kindesbeinen an als eigenständige, freie Persönlichkeit definiert und lebenslang danach gehandelt hat.
Dass sie dabei als Britin einen ungestörten Hang zu Gekrönten und Adeligen hatte, wirkt eher spleenig. Doch ihre scharfen Beobachtungen ließ sie sich nicht trüben. So schilderte sie aus Anlass der Uraufführung ihrer Oper „Der Wald“ in Berlin 1902 beim Zusammentreffen mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. einerseits den Respekt vor dem Herrscher, zeichnete ihn als irgendwie eindrucksvolle und im Gespräch zuweilen unterhaltsame Persönlichkeit.
Aber den fatalen kaiserlichen Einfluss auf die kulturellen Verhältnisse in Berlin kritisierte sie deutlich: „Sein Kunstgeschmack war unglaublich reaktionär. Gerade hatte er zum Beispiel dem Himmel öffentlich für die Siegesallee gedankt, einem künstlerischen Monument, das ganz frei ist vom Geist der Moderne.“ Das kaiserliche Berlin erschien ihr „eher so etwas zu sein wie das Zentrum eines Sklavenstaates und nicht das einer Zivilgesellschaft“. „Der Wald“ wurde dann sowohl in England wie – als erste Oper einer Frau überhaupt – auch 1903 an der New Yorker Metropolitan Opera unter großem Beifall aufgeführt. Erst 2016 erlebte dort wieder die Oper einer Komponistin eine Premiere, die der Finnin Kaija Saariaho.
In ihrem Streben als Musikerin, dem Kampf für das allgemeine Frauenwahlrecht und was die Freiheit von Liebesbeziehungen anging, seien sie lesbisch oder mit verheirateten Männern, ging sie jede Herausforderung furchtlos an. Schon als Heranwachsende rebellierte sie gegen väterliche Auflagen und Bestrafungen, um ihren Wunsch durchzusetzen, Komponistin zu werden und sich in Leipzig ausbilden zu lassen: „Ich weigerte mich, in die Kirche zu gehen, weigerte mich, bei unseren Dinnerpartys zu singen, weigerte mich auszureiten, weigerte mich, zum Essen zu erscheinen oder mit irgendwem zu sprechen –, und eines Tages zertrümmerte mein Vater mit einem Stiefeltritt beinahe meine verschlossene Schlafzimmertür.“ Ethel jedoch gewann und durfte studieren. In Leipzig lernte sie Clara Schumann kennen, verliebte sich in Lisl von Herzogenberg, erlebte Brahms, aber auch Edvard Grieg, Antonín Dvořák und Peter Tschaikowski, der ihr zu mehr Instrumentationsstudien riet.
Heute tut sich was in der öffentlichen Wahrnehmung von weiblichen Musik- und Kunstschaffenden: Ihre Werke werden endlich aufgeführt, Dirigentinnen haben weltweit Erfolg, Komponistinnen werden mit höchsten Preisen ausgezeichnet. Das gilt auch für Ethel Smyth. Ihre Stücke werden wiederentdeckt, zu ihrem 150. Geburtstag wurde 2008 in Detmold ein mehrtägiges Ethel-Smyth-Festival geboten, es gab ein Symposion an der Universität Oxford. Die Zahl von Radioproduktionen und Einspielungen steigt, eine Internationale Ethel-Smyth-Gesellschaft hat sich gegründet und eine Forschungsstelle hat die Arbeit am Musikwissenschaftlichen Seminar Detmold-Paderborn aufgenommen.
HARALD EGGEBRECHT
Das kaiserliche Berlin
erschien ihr als „Zentrum
eines Sklavenstaats“
Erste Komponistin mit einer Oper an der Met: Ethel Smyth.
Foto: Sasha/Getty
Ethel Smyth:
Paukenschläge aus
dem Paradies.
Erinnerungen. Hrsg.
und aus dem Englischen übersetzt von Heddi Feilhauer. Ebersbach & Simon, Berlin 2023.
256 Seiten, 24 Euro.
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