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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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Vertraute Rezepte mit wilder Mischung: Alain Mabanckous neuer Roman "Petit Piment" erzählt von der jüngeren Geschichte Kongos
Der aus der Republik Kongo stammende Romancier Alain Mabanckou schreibt leichthändig Romane, die virtuos zentralafrikanische Motive, Sitten, Vorstellungen und Erzählweisen variieren. Schon "Zerbrochenes Glas" (2005) und "Stachelschweins Memoiren" (2006 ausgezeichnet mit dem Prix Renaudot) haben gezeigt, welche Souveränität und Innovationskraft Mabanckou im Umgang mit diesen Elementen entwickeln kann: Wie ein Meisterkoch verwandelt er bekannte Zutaten in ein überraschendes, leichtes und zudem für viele Leser verführerisches Gericht, seine Romane haben ein im besten Sinne des Wortes breites Publikum überzeugen können. Vor kurzem ist nun sein neuer Roman "Petit Piment" - abermals von Holger Fock und Sabine Müller übersetzt - bei Liebeskind erschienen. Wer den Autor nicht kennt, wird seine Zeit bei der Lektüre nicht verschwenden, doch er wird den Autor nicht in Hochform kennenlernen. Für Kenner mag das Buch ein Baustein im Mabanckou-Gebäude sein, aber eher an einer Seitenwand, nicht gerade ein Eckstein.
Erzählt wird die Geschichte eines Waisenjungen, sie lässt sich in grob vier Teile und Rollen gliedern: die Jugend in einem Waisenhaus, die mit dreizehn Jahren abrupt mit einer Flucht endet, das Leben als jugendlicher Straßengangster, die psychischen Probleme des nunmehr Erwachsenen sowie diverse Therapieversuche und als Ausklang sozusagen ein Attentatsversuch samt der Folgen. Die Handlung beginnt in Loango, zwanzig Kilometer von Pointe-Noire entfernt, der Rest spielt dann in dieser kongolesischen Hafenstadt, in der Mabanckou einen Teil seiner Jugend verbracht hat. Von einer Rückkehr dorthin im Jahr 2012 berichtete er in "Die Lichter von Pointe-Noire".
Der junge Held Petit Piment (Kleine Pfefferschote) trägt eigentlich den klangvollen Namen Tokumisa Nzambe po Mose yamoyindo abotami namboka ya Bakoko (in Lingala: "Wir wollen Gott dafür danken, dass der schwarze Moses im Land seiner Vorfahren geboren wurde"), den er Papa Moupelo verdankt. Moupelo ist ein lebensfroher Priester, der den Waisen den Pygmäentanz seiner Heimat Zaire beibringt, "vor allem jenen unglaublichen Hüftschwung, der damit endete, dass der Priester sich hinkauerte und dann mit einem kleinen Kängurusprung einen Meter weiterhüpfte" - eine willkommene Abwechslung vom alltäglichen Schreckensregime, das Dieudonné Ngoulmoumako, der sadistische und scheinheilige Leiter des Waisenhauses mit seinen Gehilfen etabliert hat. Moupelo ist eine der fünf Figuren, die dem Roman Farbe und Aroma verleihen.
Seinen Spitznamen verdankt Petit Piment den kriminellen Zwillingen Songi-Songi und Tala-Tala, die den Helden in ihre Aktivitäten einbinden, ihn zur Flucht anstiften und als Bandenmitglied ausnehmen. Zu den pittoresken Charakteren gehört weiterhin die großherzige und -brüstige Puffmutter Mama Fiat 500, die Petit Piment aus Kriminalität und Straßenleben holt, oder der traditionelle Heiler Ngampika, der ihm dabei helfen soll, den gewaltsamen Tod ebenjener Dame zu verwinden. Denn der verfolgt Petit Piment: Er verliert seine Arbeit als Lagerist am Hafen und irrt erinnerungsgestört durch die Stadt.
Im Hintergrund stehen die sozialistische Revolution von Marien Ngouabi 1969, die ethnischen Rivalitäten und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen. Der Waisenhausdirektor greift Ideologie und Propaganda der neuen Machthaber freudig auf, wie Sabine Niangui, eine Betreuerin, die dem Helden als Ersatzmutter dient, in Erinnerung an die gute alte Zeit beklagt: "Das hatte nichts zu tun mit der heutigen Welt, in der Politik und Kindererziehung vermischt und Waisenhäuser zu Laboratorien der Revolution gemacht werden und ihre Kinder zu Meerschweinchen, an denen herumexperimentiert wird!" Auch Ngoulmoumako gerät schließlich unter die Räder - zu Recht, muss man angesichts seiner Vetternwirtschaft sagen. Mabanckou bindet das historische Geschehen als Rahmen diskret und daher überzeugend ein.
Weniger überzeugend ist der Handlungsaufbau im Ganzen, der zu keinem solchen werden will. Zwar hat Mabanckou, der an der University of California in Los Angeles lehrt und auch schon die Ehre hatte, 2015/16 am Collège de France zu unterrichten, sich gewiss etwas dabei gedacht; seit Anfang seines Werkes verteidigt er die Abschweifung als literarische Technik. Doch fällt auf, dass es ihm in "Petit Piment" erst am Schluss gelingt, die Klammer zu schließen, und das nur mit Mühe und Not.
Selbst dann fragt man sich, wie das Leben im Waisenhaus und die Freundschaft mit Bonaventure, das Straßenleben in Pointe-Noire und die spätere Phase psychischer Erkrankung wohl zusammenhängen. Man könnte der Ehrenrettung halber den Versuch, einen Schelmenroman zu schreiben, für den episodischen Aufbau verantwortlich machen: Aber auch für dieses Romangenre hat der Roman zu starke Unwuchten, ist das Waisenhaus viel zu schwer-, die Krankheit hingegen zu leichtgewichtig. Schließlich wirken die Figuren mitunter schematisch und bereits bekannt, vorneweg die fiesen Zwillinge, die an Koty und Koté aus "Stachelschweins Memoiren" erinnern. Kurz: Hier hat ein sehr guter Autor einen Roman vorgelegt, der nicht ganz so gut ist.
NIKLAS BENDER
Alain Mabanckou:
"Petit Piment". Roman.
Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller.
Liebeskind, München 2019. 240 S., geb., 20,- [Euro].
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