Philipp Lenard war Naturforscher, Nobelpreisträger und Nationalsozialist. Die letzten beiden Charakterisierungen sind die, in denen er bislang vornehmlich gesehen wurde. Einerseits ist er als Vorzeigewissenschaftler des Kaiserreichs bekannt, dem wir bleibende und nicht in Frage stellbare Erkenntnisse zum Elektron, zum Atom oder zum Photoeffekt verdanken, und auf den eine Reihe wissenschaftlicher Instrumente und Begriffe zurückgehen. Andererseits erscheint er als der ideologisch verirrte Vertreter einer durch Rasse determinierten Naturwissenschaft, der sich in Schriften und Kampagnen den Nationalsozialisten andiente und von Ihnen ge- und verehrt wurde. Diese zwei Erscheinungsweisen des zweiten deutschen Nobelpreisträgers der Physik stehen sich dabei gegenüber, als wenn es sich um zwei verschiedene Menschen handelte: So vorbildhaft der Direktor von Deutschlands wohl modernsten und größten Physikinstitut am Vorabend des Ersten Weltkriegs war, so aufsässig, kompromisslos und radikal stellte sich der bekannteste Gegner der Relativitätstheorie gegen die Republik und hinter Adolf Hitler. Dazu tritt aber noch eine dritte Erscheinungsform von Lenards Persönlichkeit, die des zweifelnden, bisweilen verzweifelten Preßburger Weinhändlersohns, der sich gegen vielerlei Widerstände als Naturforscher zu verwirklichen suchte und dabei eine Reihe von Grenzen, geographischen und anderen, überwinden musste.
Die kritisch kommentierte Ausgabe von Lenards Lebenserinnerungen wird durch zahlreiche zeitgenössische Quellen, Abbildungen und Tagebucheintragungen ergänzt und eröffnet so neben der biographischen Darstellung auch neue Perspektiven auf die Geschichte der Physik, auf ihre Kämpfe um die Moderne, das Spannungsfeld zwischen theoretischer und experimenteller Physik und die Ressourcenabhängigkeit der Laborpraxis.
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