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Im Horrorfilm wird das nächste Schrecknis immer von diesem unheilkündenden Akkord eingeleitet. Bei Ryu Murakami ist es umgekehrt: Sein großartig überdrehter Roman "Piercing" erzeugt die genretypischen Dissonanzen im Geiste des Lesers, so meisterlich spielt der japanische Filmemacher und Schriftsteller auf der Klaviatur des wohligen Schauderns. Der Familienvater Kawashima wird nachts von der Obsession geplagt, sein neugeborenes Kind ermorden zu müssen. "Hauchdünne Äderchen durchzogen die Pfirsichhaut seiner Wangen. Kawashima strich über die Oberfläche dieses zarten Flaums, zuerst mit der Fingerspitze und dann ebenso behutsam mit der Spitze des Eispickels." Wie bei jedem guten Psychotiker steckt ein ungestilltes Liebesbedürfnis dahinter: Kawashima wurde als Kind von seiner Mutter nach allen Regeln der Kunst gequält. Auf Anraten seines inneren Alter Egos beschließt er, alternativ eine junge Prostituierte zu töten. Doch er gerät an Chiaki, die von ihrem Vater missbraucht wurde und Kawashima an Wahnhaftigkeit in nichts nachsteht. Es entwickelt sich eine verstörende Romanze, in der die Sexphantasie des einen die Zerstörungslust des anderen beflügelt. Die beiden Seelenverwandten arbeiten ihre Leidensgeschichten in einer eigenartigen Paartherapie auf, indem sie einander mit allerhand zweckentfremdetem Gerät versehren. Der kathartische Effekt besteht in der am Ende gewonnenen Sicherheit: Für diesen Wahnsinn gibt es kein Heilmittel. (Ryu Murakami: "Piercing". Roman. Verlag Liebeskind, München 2009. 176 S., geb., 16,90 [Euro].) brey
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