Karl Richter zeigt am Beispiel der Alterslyrik Goethes, auf wie vielen Wegen seine naturwissenschaftliche Arbeit die Poesie und Poetologie seiner Gedichte mit geprägt hat. Die naturwissenschaftlichen Arbeiten Goethes werden oft als das ganz Andere, womöglich Entbehrliche betrachtet, gerade auch von Freunden seiner Dichtung. Gegen solche Verkürzungen der Rezeption stellt Karl Richter am Beispiel der Alterslyrik Goethes dar, was Poesie und Poetologie dem produktiven Dialog von Dichtung und Naturforschung im Schaffen Goethes verdanken. Naturphänomene, die den Forscher beschäftigen, bilden auch einen zentralen Bereich lyrischer Symbolik. Naturwissenschaftliche Denkbilder - Metamorphose, Polarität und Steigerung, wiederholte Spiegelungen - verwandeln sich in Prinzipien poetischer Strukturierung. Zeitgeschichte wird aus dem weiten Zusammenhang einer alles Leben umschließenden Naturgeschichte gedeutet. Kunst und Naturbeobachtung wirken in Formen einer lyrischen Katharsis zusammen. Erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wird zunehmend erkannt, wie neuartig, ja modern die Alterslyrik Goethes ist. Am Beispiel des »West-östlichen Divan" und Gedichten der Spätzeit Goethes zeigt Karl Richter, wie viel zu ihrer Poesie beigetragen hat, dass Goethe nicht nur Dichter war.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2016Karl Richters Goethe
Mit kokettem Trotz stellte Goethe seine naturwissenschaftlichen Studien gerne über seine Literatur. Dabei kommt der Anatom, Geologe, Morphologe, Meteorologe oder Farbenlehrer dem Dichter nirgends näher als in der "Münchner Ausgabe", die durch chronologische Anordnung alle Schaffensbereiche verknüpft. Zu verdanken ist das ihrem Herausgeber Karl Richter, der heute achtzigsten Geburtstag feiert. Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen "Literatur und Naturwissenschaft", so der Titel der 1972 erschienenen Habilitationsschrift zur Lyrik der Aufklärung, hat Richter über die Jahre weiterentwickelt und nun anhand von Goethes Altersgedichten vollendet.
Der schmale, zu großer Prägnanz verdichtete Band entfaltet naturkundliche Bezüge vor allem im "West-östlichen Divan", den "Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten" und den "Dornburger Gedichten". Richter konzentriert sich auf wissenschaftlich fundierte lyrische Bildlichkeit sowie auf poetologisch umgesetzte Denkformen wie Metamorphose, wiederholte Spiegelung, Polarität und Steigerung. Ob die Einheit des zweigliedrigen Blattes in "Ginko biloba", das "Farbenspiel" aus dem "Trüben" in "Wiederfinden", oder der Regenbogen im Gedicht "Hochbild", der ohne unüberwindbaren Abstand zwischen strahlendem Helios und der Tränenwand einer schönen Himmelsgöttin gar nicht zustande käme - stets geht es um wissenschaftspoetisch präzise erfasste "Phänomene" der Natur. Richter gelingt so eine naturkundlich fundierte Entschlüsselung der oft dunkel wirkenden Symbolik in Goethes Altersgedichten.
kos.
Karl Richter: "Poesie und Naturwissenschaft in Goethes Altersgedichten". Wallstein Verlag, Göttingen 2016. 144 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit kokettem Trotz stellte Goethe seine naturwissenschaftlichen Studien gerne über seine Literatur. Dabei kommt der Anatom, Geologe, Morphologe, Meteorologe oder Farbenlehrer dem Dichter nirgends näher als in der "Münchner Ausgabe", die durch chronologische Anordnung alle Schaffensbereiche verknüpft. Zu verdanken ist das ihrem Herausgeber Karl Richter, der heute achtzigsten Geburtstag feiert. Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen "Literatur und Naturwissenschaft", so der Titel der 1972 erschienenen Habilitationsschrift zur Lyrik der Aufklärung, hat Richter über die Jahre weiterentwickelt und nun anhand von Goethes Altersgedichten vollendet.
Der schmale, zu großer Prägnanz verdichtete Band entfaltet naturkundliche Bezüge vor allem im "West-östlichen Divan", den "Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten" und den "Dornburger Gedichten". Richter konzentriert sich auf wissenschaftlich fundierte lyrische Bildlichkeit sowie auf poetologisch umgesetzte Denkformen wie Metamorphose, wiederholte Spiegelung, Polarität und Steigerung. Ob die Einheit des zweigliedrigen Blattes in "Ginko biloba", das "Farbenspiel" aus dem "Trüben" in "Wiederfinden", oder der Regenbogen im Gedicht "Hochbild", der ohne unüberwindbaren Abstand zwischen strahlendem Helios und der Tränenwand einer schönen Himmelsgöttin gar nicht zustande käme - stets geht es um wissenschaftspoetisch präzise erfasste "Phänomene" der Natur. Richter gelingt so eine naturkundlich fundierte Entschlüsselung der oft dunkel wirkenden Symbolik in Goethes Altersgedichten.
kos.
Karl Richter: "Poesie und Naturwissenschaft in Goethes Altersgedichten". Wallstein Verlag, Göttingen 2016. 144 S., geb., 19,90 [Euro].
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»eine naturkundlich fundierte Entschlüsselung der oft dunkel wirkenden Symbolik in Goethes Altersgedichten« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2016 »Richter gelingt so eine naturkundlich fundierte Entschlüsselung der oft dunkel wirkenden Symbolik in Goethes Altersgedichten.« (kos, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2016) »Die Lektüre der kurzen, im besten Sinne einleuchtenden Interpretationen ist ein Genuss.« (Gerhard Sauder, Saarbrücker Zeitung, 22.12.2016)