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Mit kokettem Trotz stellte Goethe seine naturwissenschaftlichen Studien gerne über seine Literatur. Dabei kommt der Anatom, Geologe, Morphologe, Meteorologe oder Farbenlehrer dem Dichter nirgends näher als in der "Münchner Ausgabe", die durch chronologische Anordnung alle Schaffensbereiche verknüpft. Zu verdanken ist das ihrem Herausgeber Karl Richter, der heute achtzigsten Geburtstag feiert. Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen "Literatur und Naturwissenschaft", so der Titel der 1972 erschienenen Habilitationsschrift zur Lyrik der Aufklärung, hat Richter über die Jahre weiterentwickelt und nun anhand von Goethes Altersgedichten vollendet.
Der schmale, zu großer Prägnanz verdichtete Band entfaltet naturkundliche Bezüge vor allem im "West-östlichen Divan", den "Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten" und den "Dornburger Gedichten". Richter konzentriert sich auf wissenschaftlich fundierte lyrische Bildlichkeit sowie auf poetologisch umgesetzte Denkformen wie Metamorphose, wiederholte Spiegelung, Polarität und Steigerung. Ob die Einheit des zweigliedrigen Blattes in "Ginko biloba", das "Farbenspiel" aus dem "Trüben" in "Wiederfinden", oder der Regenbogen im Gedicht "Hochbild", der ohne unüberwindbaren Abstand zwischen strahlendem Helios und der Tränenwand einer schönen Himmelsgöttin gar nicht zustande käme - stets geht es um wissenschaftspoetisch präzise erfasste "Phänomene" der Natur. Richter gelingt so eine naturkundlich fundierte Entschlüsselung der oft dunkel wirkenden Symbolik in Goethes Altersgedichten.
kos.
Karl Richter: "Poesie und Naturwissenschaft in Goethes Altersgedichten". Wallstein Verlag, Göttingen 2016. 144 S., geb., 19,90 [Euro].
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