Was geschieht mit Gedächtnis und mit Erinnerungen, wenn sie zu Schrift werden? Wie lassen sich diese für jeden Menschen so bedeutsamen, ewig aktuellen Größen in literarischen Texten wie Romanen gestalten und darstellen? Welcher Poetik und Ästhetik bedient sich die Imagination, wenn sie Vergangenheit in einem Werk repräsentiert, als erzähltes Erinnern in eine Geschichte und zu einem Selbstbild formt?
Erzähltheoretische und poetologische Fragen zum Zusammenhang von Memoria, Geschichte und Identität werden behandelt vor dem Hintergrund philosophischer und geisteswissenschaftlicher Diskurse der Gegenwart. Ein interdisziplinärer Zugriff, der anthropologisch und kulturwissenschaftlich orientiert ist, trägt diese vielfältigen theoretischen Überlegungen zu einem literaturwissenschatlichen Ansatz zusammen: Mnemonisches Schreiben als Archäologie des Selbst. Dieses an der antiken Rhetorik ausgerichtete Textmodell leitet die Analyse der Romane Jean Rouauds (* 1952). Das ambitionierte und mit allen Mitteln postmoderner Erzählkunst arbeitende Romanwerk der französischen Gegenwartsliteratur vermittelt ein komplexes und buntes Tableau französischer Vergangenheit, das es mit existentiellen Fragestellungen und menschlichen Urerfahrungen verbindet. Auf diese Weise entsteht ein literarisch hoch reflektiertes und dabei ungemein humorvolles und persönliches Erzählwerk, das auf kulturelles und personales Gedächtnis gleichermaßen zugreift und dabei menschliche Erfahrungswelten in paradigmatischer Form darbietet.
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