Polemik darf als Reizwort der Gegenwart gelten. Als beträten wir eine morsche Brücke, erfolgt umgehend eine staatstragend formulierte Direktive, man möge sich mäßigend, besonnen und sachlich zum Sachverhalt äußern und um keinen Preis die Säge anlegen, damit nicht, ritsche-ratsche, ein Spalt durchs Gebälk zum Riss, zum Bruch, zur Falle werde und die beiden Seiten der Meinungsufer ewiglich trenne, die Streithähne womöglich in den Fluten eines reißenden Flusses untergingen. Ist Polemik also ein Brandbeschleuniger oder ein Schmiermittel, vielleicht gar essence concentrée westlicher Streitkultur? Lässt sie sich möglicherweise wettbewerblich und mithin ökonomisch ausdeuten? Diese Streitschrift stellt die These auf, dass Polemik eine enge Verwandte der Empathie sei. Wer erfahren will, welche Rolle hierbei Giottos spätmittelalterliche Heiligen-Fresken, Tarantinos Fußfetisch, Descartes' Täuschergott, Luthers Verhältnis zu Italien und Fridays for Future sowie die Hutmode der Herzöge von Burgund spielen, muss diesen Essay lesen.
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