Brauchen wir die Erinnerung an Auschwitz? Und wenn ja, welche Formen des Gedenkens wären angemessen? Verfügen moderne Gesellschaften überhaupt über ein kollektives Gedächtnis? Das National- und Geschichtsbewußtsein der Deutschen hängt maßgeblich von ihrem Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ab. Die Frage nach einem angemessenen Umgang mit dieser Vergangenheit ist deshalb so alt wie die Bundesrepublik und das öffentliche Gedenken an den Holocaust ist der tragende Pfeiler deutscher Gedächtnispolitik. Oft genug hat das öffentliche Gedenken und Erinnern an den Holocaust Debatten, Skandale, Mißverständnisse und Peinlichkeiten produziert, die sich vermeintlichen "Sprachregelungen", Tabus und Instrumentalisierungen verdanken sollen. Die Autorin rollt die Geschichte der deutschen Gedächtnispolitik seit 1945 dagegen neu auf: nicht Tabus, sondern Semantiken, die sich den Funktionsbedürfnissen des politischen Systems anpassen, regeln den Umgang mit unserer "schwierigen" Geschichte, so die These in diesem Band, der versucht, die Theorie autopoietischer sozialer Systeme für eine aktuelle Fragestellung nutzbar zu machen. Die Konsequenzen sind erheblich: nicht nur stehen Erinnerungskonzepte zur Disposition, sondern die Gegenwärtigkeit aller Aneignung der Vergangenheit unter funktionalen Bedingungen berührt das politische Selbstverständnis der Bundesrepublik selbst dort, wo man es vielleicht nicht vermutet, sicher aber nicht kommuniziert. Die Frage nach einem "kollektiven" Gedächtnis, in dem der Holocaust einen Platz hat, muß dann ebenso neu gestellt werden, wie das Verhältnis von Politik und Gedächtnis, die Bedingungen, unter denen moderne Gesellschaften ihre Vergangenheiten überhaupt antizipieren, neu ausgelotet werden müssen.
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