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POLITIKWISSENSCHAFT. Ein langer schwarzer Freitag sei das Jahr 1989 für die sozialwissenschaftliche Prognosefähigkeit gewesen - so faßte Klaus von Beyme einmal den Zusammenbruch des Sozialismus zusammen. In der Tat verkörpert der Zusammenbruch des Sozialismus für die politikwissenschaftliche und soziologische Theoriebildung eine Art Scheidewand, hinter der einige, sicher nicht alle Theorien wegen Falsifizierung oder Nichtbewährung verschwanden. Seine Schlußfolgerung hieß daher: "Es muß also nach neuen Theorien gesucht werden, die sich besser bewähren." Diese gibt es. Aber sie neigen - so Walter Reese-Schäfer - dazu, in sich selbst zu kreisen und neuartige Denkansätze abzuwehren. Er meint, daß die Politikwissenschaft - ebenso wie unsere Gesellschaft - einen Innovationsschub nötig habe, und will daher "gängige, aber eingerostete Kategorien und Herangehensweisen der Politikwissenschaft einem Innovationsschub" aussetzen. Er greift deswegen nur solche Ansätze auf, die Bedeutung erlangten und/oder von denen zu erwarten ist, daß sie in der nächsten Zeit noch präsent sein werden. Dazu gehören der Neokorporatismus ebenso wie die feministische Theorie, die Idee von der Risikogesellschaft ebenso wie die der Zivilgesellschaft. Reese-Schäfer, der bei der Verbreitung der Kommunitarismus-Debatte in Deutschland eine Vorreiterrolle hatte, entfaltet die kommunitarischen Politiktheorien vor allem von Amitai Etzioni und Charles Taylor. Sehr gelungen ist auch die breite und ausdifferenzierte Darstellung von Moderne und Postmoderne, die auch demjenigen, der sich noch nie mit Modernisierungstheorien und postmoderner Denkweise beschäftigt hat, jene Theorieansätze nahebringt. Das Kapitel über Niklas Luhmanns Systemtheorie der Politik zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, daß die Kompliziertheit und Komplexität seines Gedankengebäudes auf verständliche Weise dargelegt wird. Insgesamt geht Reese-Schäfer über eine reine Präsentation der verschiedenen Ansätze hinaus. In manchen Kapiteln entwickelt er eigene Ansätze, wie etwa hinsichtlich der Theorien des Globalisierungsprozesses. So schlägt er vor, dem faktischen Prozeß der Globalisierung einen Universalismusdiskurs gegenüberzustellen. Reese-Schäfer stellt sowohl die amerikanischen als auch die europäischen "neueren Tendenzen und Entwicklungen" der politischen Theorie vor und wirkt so ihrer Ausgrenzung entgegen. (Walter Reese-Schäfer: Politische Theorie heute. Neuere Entwicklungen und Tendenzen. Lehr- und Handbücher der Politikwissenschaft. R. Oldenbourg Verlag, München 2000. 403 Seiten, 68,- Mark.)
MARIANNE KNEUER
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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