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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Lustbejahendes Manifest, volkspädagogische Aufklärungsarbeit und Fördermittelantrag in eigener Sache: Paulita Pappel über das Drehen und Schauen von Pornos
In der "ZDF Magazin Royale"-Ausgabe vom 11. März 2022 rühmte sich der Moderator Jan Böhmermann einer Pionierleistung. Er und sein Team hätten einen "ethisch korrekten Hochglanzporno produziert", verkündete er, und der sei vollständig mit Rundfunkgebühren finanziert worden. Allerdings durfte das Video mit dem genreüblich sprechenden Titel "FFMM straight/queer doggy BJ ORAL squirting orgasm ROYALE (gebührenfinanziert)" aus juristischen Gründen nicht während der Sendung und auch sonst zu keinem Zeitpunkt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt werden. Lediglich ein paar zensierte Ausschnitte bekam das Publikum zu sehen, und Böhmermann reichte den albern verklausulierten Hinweis nach, dass der Film ohne jeden schwarzen Balken umstands- und kostenlos im Netz zu finden sei.
Als Koproduzentin und Regisseurin des ersten GEZ-Pornos zeichnet Paulita Pappel verantwortlich. Die 1987 in Madrid als Paula Alamillo Rodriguez geborene Wahlberlinerin begann mit Anfang zwanzig, als Darstellerin in Pornos mitzuwirken, wechselte irgendwann zunehmend hinter die Kamera, gründete zwei einschlägige Plattformen und gelangte als engagierte queerfeministische Pornoentrepreneurin auch durch Auftritte in jugendfreien Medienformaten zu Bekanntheit. Nun hat Pappel als Sachbuchautorin debütiert. "Pornopositiv", so der Titel der Schrift, die sich teilweise als lustbejahendes Manifest liest, dann wieder als volkspädagogisch ambitionierte Aufklärungsarbeit, vor allem aber als Fördermittelantrag in eigener Sache.
So sei der Böhmermann-Porno, wie Pappel ihren Lesern versichert, keineswegs als feixende Provokation gemeint gewesen, sondern als Beispiel für einen didaktischen Stimulationsfilm, der im Repertoire öffentlich-rechtlicher Mediatheken ihrer Meinung nach selbstverständlich sein sollte. Da Sex nun mal zum Leben gehöre, so der Gedankengang, falle es folglich unter den staatlichen Bildungsauftrag, Pornographie anzubieten, in der positive Bilder von fachgerechtem Verhütungsmittelgebrauch, Einvernehmlichkeit und sexueller Vielfalt vermittelt würden. Mit öffentlichen Geldern geförderte Pornoproduktionen wären in der Lage, sich von Marktzwängen zu befreien, Darstellern würden faire Bedingungen angeboten, und Konsumenten könnten sich rechtschaffen und diskriminierungssensibel erregen. Ein Win-win-Szenario für alle Beteiligten. Pappel ist nicht die Erste, die ein derartiges Anliegen verfolgt. Die Berliner Jusos plädierten bereits vor Jahren für die staatliche Subventionierung von Pornographie, die sich als feministisch versteht. Das macht die Sache längst nicht weniger befremdlich: Ein Film, in dem Sexualkundeunterricht, Weltverbesserungsabsicht und das Ziel, den Betrachter zu stimulieren (nach landläufigem Verständnis ist dies der Hauptzweck eines Pornos), aufeinandertreffen, erhält von offizieller Stelle das Gütesiegel der Förderungswürdigkeit - allein der Gedanke schwankt zwischen unheimlich und unfreiwillig komisch. Und glaubt Pappel ernsthaft, dass der als moralisch einwandfrei zertifizierte Porno irgendjemanden davon abhalten würde, in den Untiefen des Internets nach expliziten Bildern zu suchen, die ihm wirklich zusagen?
Zu den hervorstechenden Eigentümlichkeiten des Bandes gehört, dass Pappel häufig abrupt von reflektierter, unaufgeregt vorgetragener Libertinage zu bieder-missionarischem Enthusiasmus wechselt. So schildert sie, wie sie als junger Mensch Pornographie noch als patriarchales Teufelszeug verdammt habe. Irgendwann dämmerte ihr, dass Feminismus und ein offensiv ausgelebtes Verhältnis zur eigenen Lust kein Widerspruch seien.
Die eigentliche Erleuchtung kam jedoch erst, als sie erstmals als Pornodarstellerin vor der Kamera stand. "Es wurde einer der schönsten Tage meines Lebens", ein sexpositives Damaskuserlebnis. Damals wurde Saulus zur Paulita. Allerdings war es von den vergleichsweise soften Filmen feministischer Regisseurinnen, mit denen Pappel anfangs zusammenarbeitete, noch ein weiter Weg, bis sie endlich auch die Hardcore-Sparte als Ausdrucksmöglichkeit der selbstbestimmten weiblichen Sexualität entdeckte. Auch dieser Moment wird mit Erweckungsemphase beschrieben. So war auch Pappels erster Hardcore-Drehtag wieder "einer der schönsten Tage" ihres Lebens. Überhaupt wimmelt es vor betulichen Beschönigungen. Pappel schwärmt beseelt davon, wie fair, fröhlich und achtsam es in der Szene doch grundsätzlich zugehe. Die Pornobranche erscheint hier als Mischung aus Kirchentag und Ponyhof. Das Paradies auf Erden ist ein Filmset, an dem die Darsteller nach ihren präferierten Pronomen gefragt werden, bevor sie eine Gangbang-Szene drehen.
Auf den letzten Seiten werden noch einige Regeln fürs mustergültige Pornogucken aufgelistet, etwa "Lerne die Darstellenden kennen", "Teile deinen Porno mit anderen" oder "Pflege einen gesunden Konsum". Der anfängliche Verdacht ist da längst zur Gewissheit geworden: Hier tritt jemand mit der erklärten Absicht an, der Menschheit zu besserem Sex zu verhelfen. Und dann wird doch wieder nur Katechismusunterricht abgehalten. MARIANNA LIEDER
Paulita Pappel: "Pornopositiv". Was Pornografie mit Feminismus, Selbstbestimmung und gutem Sex zu tun hat.
Ullstein Verlag, Berlin 2023. 208 S., br., 16,99 Euro.
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