"Postdemokratie": Dieser Begriff des Politikwissenschaftlers Colin Crouch wurde nach dem Erscheinen der Originalausgabe seines Buches zum Kristallisationspunkt der Debatte um Politikverdrossenheit, Sozialabbau und Privatisierung. Crouch hat dabei ein politisches System im Auge, dessen demokratische Institutionen zwar weiterhin formal existieren, das von Bürgern und Politikern aber nicht länger mit Leben gefüllt wird. Der polemische Essay, der in Italien und Großbritannien bereits als Klassiker der Gegenwartsdiagnose gilt, liegt nun endlich auch in deutscher Übersetzung vor.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2008Wie der Markt die Politik vergiftet
Die Finanzkrise als Demokratieverlust: Colin Crouchs Lagebericht
Die Normalität eines fließenden Gewässers kann zweifach gestört sein. Entweder fällt das Flussbett trocken, weil das Wasser versickert. Oder der Fluss tritt über die Ufer und überschwemmt das Gelände. Nimmt man den Fluß als Metapher für die Dynamik des kapitalistischen Marktwettbewerbs, so hieße das: Entweder unterminiert sich der Wettbewerb selbst durch Kartell- und Monopolbildung - das war die Annahme der klassischen Kapitalismuskritik schon von Smith, dann von Marx und vielen Marxisten. Oder es kommt zur Überflutung von Lebenssphären, die "eigentlich" dem Marktwettbewerb und seiner Verwertungslogik entzogen bleiben sollten - der Kultur ("Kulturindustrie") und der staatlichen Politik ("kapitalistischer Staat").
Letzteres ist die Intuition, von der sich der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch in seinem Essay über die "Postdemokratie" leiten lässt. Er hat lange am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz gelehrt und arbeitet jetzt an der Universität von Warwick. Seinen Erfahrungshintergrund bilden die italienischen Verhältnisse unter der ersten Regierung Berlusconi und die britischen Entwicklungen unter Blair und "New Labour".
Crouch stellt den deutschen Leser vor die reizvolle Aufgabe zu prüfen, ob wir es hierzulande ebenfalls mit einer "postdemokratischen" Überlagerung politischer durch wirtschaftliche Kategorien zu tun haben. Die Deformationen der Demokratie, die er beschreibt, vollziehen sich nicht als Bruch und plötzlicher Systemwechsel (wie nach 1989 in Mittel- und Osteuropa), sondern als schleichender, undramatischer Verrottungsprozess, als ein allmählicher "Substanzverlust der Demokratie" bei durchaus intakt bleibenden institutionellen Strukturen.
Privatisierung als Fetisch
Wir sind immer (markt)liberaler geworden und deshalb, so seine These, immer weniger demokratisch. Unkontrollierte private Wirtschaftsmacht degradiert die Amts- und Mandatsträger der Politik und setzt sie dem Zynismus aus. Der Staatsbürger wird in seinem Vermögen, über öffentliche Angelegenheiten zu urteilen, systematisch unterfordert und reagiert auf die so resultierenden Sozialisationsschäden teils mit Apathie und Passivität, teils mit personalistischen Fehldeutungen des politischen Lebens.
Das ist nicht neu, aber treffend beschrieben. Zu erklären ist es, so Crouch, durch die Intensivierung des internationalen Wettbewerbs und die gestiegene Mobilität des Kapitals, des sachlichen wie des finanziellen. Dieser Wettbewerb hat eine neue Qualität, insofern es keineswegs mehr nur um Produktinnovation, Effizienzvorteile und Markterschließung geht (wie bei Joseph Schumpeters "schöpferischem Unternehmer"), sondern zusätzlich um den Gebrauch der Staatsgewalt als Wettbewerbsparameter: Die staatliche Politik steht unter verschärftem Druck (ganz explizit auch seitens der EU-Institutionen), die Investoren durch fiskalische und andere Begünstigungen am Standort zu halten und ihnen inländische Betätigungsfelder überall dort zu überlassen, wo bisher nach politischen Kriterien öffentliche Dienstleistungen und Infrastrukturen zur Verfügung gestellt wurden.
Wettbewerbsvorteile erzielt man demnach heute nicht mehr so sehr durch bessere/billigere Produkte, sondern (wo nicht durch faktische Verletzung regulativer Normen) durch Instrumentalisierung der Entscheidungen von Gebietskörperschaften, denen angesichts ihrer notorischen fiskalischen Notlagen und beschäftigungspolitischen Prioritäten gar nichts anderes übrig bleibt, als den gesamten öffentlichen Sektor - von den Verkehrs- und anderen Netzen bis zum Kultur- und Medienbetrieb und zur Altersvorsorge - Stück für Stück in die Zuständigkeit der Märkte zu überstellen. Vorbei die Zeiten, in denen etwa Milton Friedman lehrte, die soziale Verantwortung der Unternehmen bestehe darin, in ihrem Kerngeschäft Profite zu machen (und nicht etwa Kunstausstellungen zu "sponsern").
Der Pfad zur Privatisierung und Marktsteuerung immer weiterer sozialer Bereiche wird, so Crouch, durch zwei ideologische Figuren geebnet. Zum einen durch den Reputationswettbewerb der corporate social responsibility, der immer weiter auf öffentliche Angelegenheiten kultureller und sozialer Art ausgreift. Zum anderen - und wichtiger - durch die Lehre vom überlegenen Wissen und von der höheren pragmatischen Kompetenz des Managements für die Regelung nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch sämtlicher öffentlicher Angelegenheiten. Vor diesem Hintergrund brauchen die Unternehmen und ihre Verbände nicht mehr zu drohen oder zu fordern; sie informieren die Politik nur noch über die Realität und warnen allenfalls davor, dieselbe unzulänglich zu berücksichtigen.
Von allen Dächern pfeifen es die wirtschaftswissenschaftlichen Spatzen, wenn es etwa um die Pisa-Krise geht: "Brauchen wir mehr Privatschulen? Ja!" Wer am Markt zu bestehen hat, kennt sich mit den Realitäten aus und weiß sie zu meistern - anders als die "abgehobenen" Angehörigen der "politischen Klasse". Sobald die Politik dieses Axiom adoptiert und sich (gegen alle Evidenzen, wie sie aktuell die Finanzmarkt-Krise bietet) eine generalisierte Inkompetenz-Vermutung gegen Parteien, Behörden, regulative Gesetzgebung und auch Professionen zu eigen macht, beginnt die Lehre von der überlegenen Intelligenz des privaten Sektors, selbstbestätigend zu werden. Aber indem die Politik sich zurückzieht, kann sie (in für sie selbst durchaus attraktiver Weise) nicht nur fiskalische Kosten, sondern auch politische Haftung, Erwartungen und Verantwortung abschütteln ("blame avoidance").
Gegenkräfte gegen die Privatisierung öffentlicher Leistungen und Angelegenheiten sind nicht in Sicht. Das letzte Kapitel, in dem Crouch sich auf die Suche nach "neuen politischen Identitäten" begibt, ist denn auch das schwächste des schmalen Bandes. Interessanter ist seine Analyse der politischen Parteien. Nicht nur die sozialdemokratischen unter ihnen werden in der Vertikalen zerrissen zwischen den Stammwählern, Mitgliedern und Aktivisten einerseits und den Führungseliten, Mandatsträgern und parteinahen Expertennetzwerken andererseits. Die Ortsvereine schreiben ihre Anträge, während die Parteileitung den "wirklichen" Wählerwillen demoskopisch ausspähen lässt und wichtigste gesetzgeberische Entscheidungen vom Parlament in Expertenzirkel auslagert (nach deren Vorsitzenden ein Gesetz dann sogar manchmal benannt wird: "Hartz IV"). Kein Wunder, dass die Mitglieder sich abgehängt fühlen. In Analogie zur menschenleeren Fabrik entsteht die mitgliederleere Partei, ja die schleichende politische Enteignung der Bürger.
Der abgehängte Bürger
Es sind zwei normative Maßstäbe, die Crouch bei seiner locker systematisierten Untersuchung über das "postdemokratische" Verhältnis von Politik und Wirtschaft leiten. Zum einen die Norm der Gleichheit, die über die bloße Rechtsgleichheit hinausgeht und Versorgungs- und Chancengleichheit einschließt. Zum anderen ein "Ethos des öffentlichen Dienstes" mit seiner ausgeprägten Resistenz gegen Korruption und seinem Sinn für professionelle Ehre und den Eigenwert der Ausübung öffentlicher Ämter. Beide Normen kommen im Zuge der ökonomischen Kolonisierung staatlicher Politik unter die Räder.
Der sozialwissenschaftliche Aufwand, den Crouch bei seinen kritischen Beobachtungen treibt, bleibt moderat. Vielleicht ist es sogar symptomatisch, dass hier einem Autor in leicht lesbarer essayistischer Form eine pointierte und der konstatierten Tendenz nach überzeugende, wenn auch zu wenig nach einzelnen Ländern und Politikfeldern differenzierende Diagnose gelingt, ohne dass er dabei auf größere Theoriediskussionen und Datenanalysen angewiesen wäre. Die Dinge, so scheint es, liegen auf der Hand und bedürfen gar keiner komplexen Beweisführung. Der Leser findet sich in eine vom Marktgeschehen überschwemmte Szenerie ohne deutliche politische oder gesellschaftliche Gegenkräfte versetzt, der viele seiner Alltagserfahrungen korrespondieren.
CLAUS OFFE
Colin Crouch: "Postdemokratie". Aus dem Englischen von Nikolaus Gramm. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 159 S., br., 10,- [Euro].
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Die Finanzkrise als Demokratieverlust: Colin Crouchs Lagebericht
Die Normalität eines fließenden Gewässers kann zweifach gestört sein. Entweder fällt das Flussbett trocken, weil das Wasser versickert. Oder der Fluss tritt über die Ufer und überschwemmt das Gelände. Nimmt man den Fluß als Metapher für die Dynamik des kapitalistischen Marktwettbewerbs, so hieße das: Entweder unterminiert sich der Wettbewerb selbst durch Kartell- und Monopolbildung - das war die Annahme der klassischen Kapitalismuskritik schon von Smith, dann von Marx und vielen Marxisten. Oder es kommt zur Überflutung von Lebenssphären, die "eigentlich" dem Marktwettbewerb und seiner Verwertungslogik entzogen bleiben sollten - der Kultur ("Kulturindustrie") und der staatlichen Politik ("kapitalistischer Staat").
Letzteres ist die Intuition, von der sich der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch in seinem Essay über die "Postdemokratie" leiten lässt. Er hat lange am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz gelehrt und arbeitet jetzt an der Universität von Warwick. Seinen Erfahrungshintergrund bilden die italienischen Verhältnisse unter der ersten Regierung Berlusconi und die britischen Entwicklungen unter Blair und "New Labour".
Crouch stellt den deutschen Leser vor die reizvolle Aufgabe zu prüfen, ob wir es hierzulande ebenfalls mit einer "postdemokratischen" Überlagerung politischer durch wirtschaftliche Kategorien zu tun haben. Die Deformationen der Demokratie, die er beschreibt, vollziehen sich nicht als Bruch und plötzlicher Systemwechsel (wie nach 1989 in Mittel- und Osteuropa), sondern als schleichender, undramatischer Verrottungsprozess, als ein allmählicher "Substanzverlust der Demokratie" bei durchaus intakt bleibenden institutionellen Strukturen.
Privatisierung als Fetisch
Wir sind immer (markt)liberaler geworden und deshalb, so seine These, immer weniger demokratisch. Unkontrollierte private Wirtschaftsmacht degradiert die Amts- und Mandatsträger der Politik und setzt sie dem Zynismus aus. Der Staatsbürger wird in seinem Vermögen, über öffentliche Angelegenheiten zu urteilen, systematisch unterfordert und reagiert auf die so resultierenden Sozialisationsschäden teils mit Apathie und Passivität, teils mit personalistischen Fehldeutungen des politischen Lebens.
Das ist nicht neu, aber treffend beschrieben. Zu erklären ist es, so Crouch, durch die Intensivierung des internationalen Wettbewerbs und die gestiegene Mobilität des Kapitals, des sachlichen wie des finanziellen. Dieser Wettbewerb hat eine neue Qualität, insofern es keineswegs mehr nur um Produktinnovation, Effizienzvorteile und Markterschließung geht (wie bei Joseph Schumpeters "schöpferischem Unternehmer"), sondern zusätzlich um den Gebrauch der Staatsgewalt als Wettbewerbsparameter: Die staatliche Politik steht unter verschärftem Druck (ganz explizit auch seitens der EU-Institutionen), die Investoren durch fiskalische und andere Begünstigungen am Standort zu halten und ihnen inländische Betätigungsfelder überall dort zu überlassen, wo bisher nach politischen Kriterien öffentliche Dienstleistungen und Infrastrukturen zur Verfügung gestellt wurden.
Wettbewerbsvorteile erzielt man demnach heute nicht mehr so sehr durch bessere/billigere Produkte, sondern (wo nicht durch faktische Verletzung regulativer Normen) durch Instrumentalisierung der Entscheidungen von Gebietskörperschaften, denen angesichts ihrer notorischen fiskalischen Notlagen und beschäftigungspolitischen Prioritäten gar nichts anderes übrig bleibt, als den gesamten öffentlichen Sektor - von den Verkehrs- und anderen Netzen bis zum Kultur- und Medienbetrieb und zur Altersvorsorge - Stück für Stück in die Zuständigkeit der Märkte zu überstellen. Vorbei die Zeiten, in denen etwa Milton Friedman lehrte, die soziale Verantwortung der Unternehmen bestehe darin, in ihrem Kerngeschäft Profite zu machen (und nicht etwa Kunstausstellungen zu "sponsern").
Der Pfad zur Privatisierung und Marktsteuerung immer weiterer sozialer Bereiche wird, so Crouch, durch zwei ideologische Figuren geebnet. Zum einen durch den Reputationswettbewerb der corporate social responsibility, der immer weiter auf öffentliche Angelegenheiten kultureller und sozialer Art ausgreift. Zum anderen - und wichtiger - durch die Lehre vom überlegenen Wissen und von der höheren pragmatischen Kompetenz des Managements für die Regelung nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch sämtlicher öffentlicher Angelegenheiten. Vor diesem Hintergrund brauchen die Unternehmen und ihre Verbände nicht mehr zu drohen oder zu fordern; sie informieren die Politik nur noch über die Realität und warnen allenfalls davor, dieselbe unzulänglich zu berücksichtigen.
Von allen Dächern pfeifen es die wirtschaftswissenschaftlichen Spatzen, wenn es etwa um die Pisa-Krise geht: "Brauchen wir mehr Privatschulen? Ja!" Wer am Markt zu bestehen hat, kennt sich mit den Realitäten aus und weiß sie zu meistern - anders als die "abgehobenen" Angehörigen der "politischen Klasse". Sobald die Politik dieses Axiom adoptiert und sich (gegen alle Evidenzen, wie sie aktuell die Finanzmarkt-Krise bietet) eine generalisierte Inkompetenz-Vermutung gegen Parteien, Behörden, regulative Gesetzgebung und auch Professionen zu eigen macht, beginnt die Lehre von der überlegenen Intelligenz des privaten Sektors, selbstbestätigend zu werden. Aber indem die Politik sich zurückzieht, kann sie (in für sie selbst durchaus attraktiver Weise) nicht nur fiskalische Kosten, sondern auch politische Haftung, Erwartungen und Verantwortung abschütteln ("blame avoidance").
Gegenkräfte gegen die Privatisierung öffentlicher Leistungen und Angelegenheiten sind nicht in Sicht. Das letzte Kapitel, in dem Crouch sich auf die Suche nach "neuen politischen Identitäten" begibt, ist denn auch das schwächste des schmalen Bandes. Interessanter ist seine Analyse der politischen Parteien. Nicht nur die sozialdemokratischen unter ihnen werden in der Vertikalen zerrissen zwischen den Stammwählern, Mitgliedern und Aktivisten einerseits und den Führungseliten, Mandatsträgern und parteinahen Expertennetzwerken andererseits. Die Ortsvereine schreiben ihre Anträge, während die Parteileitung den "wirklichen" Wählerwillen demoskopisch ausspähen lässt und wichtigste gesetzgeberische Entscheidungen vom Parlament in Expertenzirkel auslagert (nach deren Vorsitzenden ein Gesetz dann sogar manchmal benannt wird: "Hartz IV"). Kein Wunder, dass die Mitglieder sich abgehängt fühlen. In Analogie zur menschenleeren Fabrik entsteht die mitgliederleere Partei, ja die schleichende politische Enteignung der Bürger.
Der abgehängte Bürger
Es sind zwei normative Maßstäbe, die Crouch bei seiner locker systematisierten Untersuchung über das "postdemokratische" Verhältnis von Politik und Wirtschaft leiten. Zum einen die Norm der Gleichheit, die über die bloße Rechtsgleichheit hinausgeht und Versorgungs- und Chancengleichheit einschließt. Zum anderen ein "Ethos des öffentlichen Dienstes" mit seiner ausgeprägten Resistenz gegen Korruption und seinem Sinn für professionelle Ehre und den Eigenwert der Ausübung öffentlicher Ämter. Beide Normen kommen im Zuge der ökonomischen Kolonisierung staatlicher Politik unter die Räder.
Der sozialwissenschaftliche Aufwand, den Crouch bei seinen kritischen Beobachtungen treibt, bleibt moderat. Vielleicht ist es sogar symptomatisch, dass hier einem Autor in leicht lesbarer essayistischer Form eine pointierte und der konstatierten Tendenz nach überzeugende, wenn auch zu wenig nach einzelnen Ländern und Politikfeldern differenzierende Diagnose gelingt, ohne dass er dabei auf größere Theoriediskussionen und Datenanalysen angewiesen wäre. Die Dinge, so scheint es, liegen auf der Hand und bedürfen gar keiner komplexen Beweisführung. Der Leser findet sich in eine vom Marktgeschehen überschwemmte Szenerie ohne deutliche politische oder gesellschaftliche Gegenkräfte versetzt, der viele seiner Alltagserfahrungen korrespondieren.
CLAUS OFFE
Colin Crouch: "Postdemokratie". Aus dem Englischen von Nikolaus Gramm. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 159 S., br., 10,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ohne großen theoretischen Aufwand liest der britische Autor Colin Crouch der neoliberalen Gegenwart die Leviten. Und zwar überzeugend, meint der Rezensent Claus Offe, was, wie er glaubt, dafür spricht, dass die Dinge längst klar "auf der Hand liegen". Die Tatsache etwa, dass sich die Politik mehr und mehr - und geradezu bereitwillig - aus Bereichen zurückzieht, die bei Lichte besehen Kernaufgaben des Öffentlichen wären: Verkehr, Kultur, Medien, Vorsorge etc. Unter Druck gesetzt von Unternehmen, die im globalen Wettbewerb Standortvorteile erpressen, räumt die Politik das Feld; und zwar, da habe Crouch, findet Offe, völlig recht, mit desaströsen Folgen für den Staat und seine zusehends entmündigten Bürger. Inzwischen herrsche bereits eine "generalisierte Inkompetenz-Vermutung gegen Parteien, Behörden" etc. Zwar hätte, so Offe, die Diagnose gelegentlich differenzierter ausfallen können, im großen und ganzen treffe sie aufs Bedenklichste zu.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Crouch stellt den Leser vor die reizvolle Aufgabe zu prüfen, ob wir es ebenfalls mit einer 'postdemokratischen' Überlagerung politischer durch wirtschaftliche Kategorien zu tun haben.« Claus Offe Frankfurter Allgemeine Zeitung