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Zwei Autoren, die im Dunkel der Literaturgeschichte zu verschwinden drohten: Christopher Isherwoods "Praterveilchen" ist eine kleine, ironische Charakterstudie in Erinnerung an den Dichter und Regisseur Berthold Viertel.
Obwohl seine Berlin-Stories aus den dreißiger Jahren die Vorlage abgaben für das Musical "Cabaret", ist der englische Schriftsteller Christopher Isherwood bei uns nie wirklich bekannt geworden. Während sein Freund W. H. Auden, mit dem er die Schwulen-Bars in Berlin besuchte, als Dichter weltberühmt wurde, stand "Mr. Issyvoo" immer in dessen Schatten. Nach den "Praterveilchen", 1945 erschienen, kam eine lange Schaffenskrise des inzwischen nach Los Angeles emigrierten Autors, die erst zwanzig Jahre später mit dem Roman "Der Einzelgänger" beendet wurde.
Das schwule Berlin, das hat Wolfgang Kemp in seiner Studie "Foreign Affairs. Die Abenteuer einiger Engländer in Deutschland 1900 - 1947" eindrucksvoll gezeigt, war für Isherwood der zentrale Ort seines Lebens, und weil er in Berlin sehr gut Deutsch gelernt hatte, kam er 1933 an einen Job, der ihm den Stoff für seinen kleinen Roman "Praterveilchen" geliefert hat. Er sollte nämlich für das Gaumont-Studio in London ein Drehbuch für Berthold Viertel schreiben - einen Schmachtfetzen über eine Veilchenverkäuferin im Prater, die sich in einen Studenten verliebt. "Er sagt ihr wahrheitsgemäß, dass er Rudolf heiße. Aber er ist nicht, was er scheint. In Wirklichkeit ist er der Kronprinz von Borodanien."
Der Roman beschreibt die Zusammenarbeit mit Viertel, der im Roman Bergmann heißt, während Isherwood unter richtigem Namen auftritt, und der Film kam als "Little Friend" in die Kinos. Der rastlose Dichter, Theaterregisseur und Filmemacher Viertel, der bereits eine halbe Karriere im ungeliebten Hollywood als Drehbuchautor von Murnau und als Regisseur von acht eigenen Filmen hinter sich hatte, konnte sich in die Maschinerie der großen Studios nicht einfügen. Isherwood beschreibt diesen schnaufenden, an sich und an den Anforderungen der Produzenten und an der Politik verzweifelnden Koloss mit liebevoller Genauigkeit und Zuneigung. Vor allem England und die Engländer gehen ihm auf die Nerven: "Die Engländer haben diesen Nebel selbst geschaffen. Sie ernähren sich davon, als wäre es eine bittere Suppe, die sie mit Illusionen versorgt. Er ist ihre Nationaltracht, mit der sie die unerhörte Blöße ihrer Slums und den Skandal ungerechter Besitzverhältnisse verhüllen. Er ist auch der Dschungel, in dem Jack the Ripper im eleganten Mantel eines Börsenmaklers seinem mörderischen Geschäft nachgeht." So schimpft und brummelt der Regisseur Bergmann vor sich hin, bis der Film nach vielen Schwierigkeiten endlich im Kasten ist - und das schmale Buch geschrieben.
Man würde um diese feine, ironische Charakterstudie, die natürlich auch ein Stück Sozialgeschichte des Kinos erzählt, nicht viel Aufhebens machen, wenn sich hinter Bergmann nicht Berthold Viertel verbergen würde. Warum ist er, der doch nach dem Krieg in Wien und Salzburg und an Brechts Berliner Ensemble große Inszenierungen abgeliefert hat und überdies als Übersetzer von Arthur Miller und Tennessee Williams hervorgetreten ist, so vollkommen vergessen? In seiner Autobiographie schreibt er: "Wir gingen ins Exil wie entthronte Könige. Einige von uns hausten tatsächlich wie solche an der Riviera. Andere würgten das Brot der Armut und der Knechtschaft. - Ich verließ kein Königreich. Meine Arbeit hatte bereits im Treibsand zerbröckelnder Verhältnisse begonnen. Sie blieb provisorisch und auf Abruf getan. Nirgendwo war ich daheim, mich einzureihen vermochte ich nicht, obwohl ich am Lagerfeuer der Zukunft eine Stimme im Rate der Vorwärtsgerichteten innehatte. Freund der Tapferen und der Geschlagenen, Lehrer ohne Schule, habe ich manche auf den Weg gebracht, den ich selbst nur gegen überwältigende Hindernisse strauchelnd und in die Irre gehen sollte."
Der von Brigitte Jakobeit mit Sinn für die grantigen Nörgeleien des Regisseurs übersetzte Roman "Praterveilchen" erinnert somit an zwei Autoren, die im Dunkel der Literaturgeschichte zu verschwinden drohten, an Christopher Isherwood und an Berthold Viertel. Schade nur, dass sich der Verlag ein Nachwort gespart hat, in dem die spannende Geschichte dieser beiden Exilanten nacherzählt wird.
MICHAEL KRÜGER
Christopher Isherwood: "Praterveilchen". Roman.
Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 2015. 128 S., geb., 18,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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