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Private Militär- und Sicherheitsfirmen in Geschichte und Gegenwart
Das Ende des Kalten Krieges hat militärischen Konflikten Tür und Tor geöffnet. Zudem ist der gewaltsame Zerfall von Vielvölkerstaaten eine Realität unserer Zeit. Dennoch geben sich die Deutschen noch immer dem Traum hin, der anhaltende Friede sei zumindest in Mitteleuropa gleichsam naturgegeben. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da zum Beispiel auch die übergroße Mehrheit der Historiker nicht mehr in den grundlegenden Kategorien von Krieg und Frieden sowie von Gleichgewicht oder Hegemonie denkt. Lieber schwelgen sie in transnationalen Netzwerkanalysen oder beschreiben fleißig die ausgelassene Festkultur reichsstädtischer Liebesdienerinnen im 16. Jahrhundert.
Dass die Geschichtswissenschaft auf dem besten Wege ist, sich durch diese Schwerpunktsetzungen selbst zu marginalisieren, belegt der Sammelband vornehmlich jüngerer Politik- und Staatswissenschaftler. Er behandelt ein äußerst wichtiges und zudem aktuelles Thema: die Rolle von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen in der konfliktträchtigen Gegenwart. Die 28 Aufsätze entfalten ein großes Panorama. Neben konkreten Fallstudien zu Krisenherden geht es sowohl um die Geschichte der Unternehmen als auch um internationale Versuche, diesen expandierenden Wirtschaftszweig rechtlich zu reglementieren. Der instruktive Sammelband kann natürlich nur erste, vorläufige Resultate präsentieren. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Realität der theoretischen Durchdringung weit enteilt ist. Allerorten wirft der extensive Einsatz dieser Firmen - allein im Irak mit derzeit wohl mehr als 25 000 Angestellten - Fragen auf, über die vor allem in Deutschland bisher wenig systematisch nachgedacht worden ist.
Ein Problem bereitet schon die Definition von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen. Im Grunde existieren drei Typen: erstens die unabhängigen Akteure, die vornehmlich in der Dritten Welt agieren (sei es auf Wunsch der Regierungen oder großer internationaler Konzerne), zweitens Firmen, die sich in erster Linie auf die logistische Unterstützung von regulären Armeen spezialisiert haben, und drittens Unternehmen, die für die besitzenden Schichten eines Landes das kostbare Gut Sicherheit produzieren. Dabei erstaunt es schon, dass beispielsweise in Kenia 40 000 Polizisten ungefähr 300 000 Angestellte von privaten Sicherheitsfirmen gegenüberstehen. Erschwert wird die Definition weiterhin durch die Tatsache, dass sich in der Realität diese drei Typen nur selten trennscharf voneinander abgrenzen lassen.
Obwohl eine allgemeingültige Definition fehlt, ist offensichtlich, dass private Militär- und Sicherheitsfirmen auf dem Vormarsch sind. So hat sich zum Beispiel zwischen dem Golfkrieg 1991 und den Kriegen auf dem Balkan gegen Ende der 1990er Jahre die Zahl der Zivilisten auf dem Schlachtfeld im Verhältnis zu den eingesetzten Soldaten mehr als verfünffacht. Die beiden Herausgeber meinen hellsichtig, dass die "Privatisierungseuphorie" der 1990er Jahre ebenso eine Rolle gespielt habe wie die damit verschränkte Tendenz, dass sich der Staat als Akteur insgesamt auf dem Rückzug befinde. Hinzugetreten sei der Wertewandel, der die Industriegesellschaften in den letzten 30 bis 40 Jahren ergriffen habe. Kurzum: "Moderne westliche Gesellschaften können als empfindlich gegenüber Verlusten, sogar als verlustscheu und postheroisch angesehen werden, daher sind sie geneigt, anderen die ,Drecksarbeit' zu überlassen."
Auch die Zeitenwende nach dem Ende des Kalten Krieges habe sich unter mehreren Gesichtspunkten expansiv auf diesen Geschäftsbereich ausgewirkt. Die Explosion militärischer Konflikte - also die Erhöhung der Nachfrage - ist bereits benannt worden. Außerdem haben nahezu alle Staaten ihre Streitkräfte zum Teil drastisch reduziert. Aus ebendiesem Reservoir an gutausgebildeten Soldaten speist sich heute das Personal der privaten Militär- und Sicherheitsfirmen. Hinzu kommt, dass Staaten immer wieder die rechtliche Grauzone nutzen, in der diese Unternehmen noch immer agieren. Der Einsatz von privaten Kräften - bis hin zu klassischen Söldnern - kann unter Umständen nicht nur effizienter, sondern eben auch völkerrechtlich unbedenklicher sein. Es verwundert daher nicht, dass die am Band beteiligten Juristen mit Emphase einen verbindlichen, international respektierten Rechtsrahmen anmahnen, der aber - wie sie selbst einräumen - noch geraume Zeit auf sich wird warten lassen.
Manche Autoren beschäftigen sich auch mit der Zukunft der Branche. Sie wird - und dies ist eine der Stärken dieses Bandes - nicht a priori moralisch verdammt oder als Krisensymptom gedeutet, sondern es wird nüchtern gefragt, wie diese Unternehmen in die Verteidigungsstrategie demokratischer Staaten integriert werden können. Dass noch viele Fragen nicht nur rechtlicher, sondern auch moralischer Natur einer Antwort bedürfen, steht nach der Lektüre der zumeist gelungenen Aufsätze fest. Allerdings erscheint dieser Denkansatz lohnenswerter und vor allem ergebnisorientierter als die noch immer weitverbreitete Hoffnung auf eine wie auch immer geartete EU-Armee. Denn Stephan Maninger konstatiert in seinem perspektivenreichen Beitrag ohne Umschweife: "Das ambitionierte Konzept einer vollständig integrierten europäischen Armee als ein Modell für die zukünftige Machtprojektion der EU widerspricht fundamental allen Erfahrungen der Militärgeschichte und ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Totgeburt."
HARALD BIERMANN
Thomas Jäger/Gerhard Kümmel (Herausgeber): Private Military and Security Companies. Chances, Problems, Pitfalls and Prospects. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007. 502 S., 59,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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"Die Herausgeber haben durch die Vereinigung politik- und rechtswissenschaftlicher Perspektiven einen thematisch abgerundeten und analytisch tiefgehenden Band vorgelegt, der sicherlich schon jetzt zu den Standardwerken auf diesem noch recht jungen Forschungsgebiet gezählt werden kann." Neue Politische Literatur, 01/2008
"[...] der Sammelband [ermöglicht] einen gelungenen Einstieg in die Beschäftigung mit PMCs. Dass die Urteile über deren Rolle so unterschiedlich ausfallen, ist eher von Vorteil, weil die Leserinnen und Leser so gezwungen sind, eigene Schlüsse aus der Fülle an Informationen und Interpretationen zu ziehen." www.hsozkult.geschichte.hu-berlin.de, 04.02.2009
"Insgesamt beleuchtet der Sammelband das Pnänomen der Private Military Companies aus verschiedenen Blickwinkeln gut und sticht durch seine umfassende und systematische Darstellung hervor. Auf Grund der teilweise theoretischen, teilweise empirischen Herangehensweise wird ein erweitertes Verständnis der Thematik erreicht." S+F - Sicherheit und Frieden, 02/2008
"Das Buch wartet mit interessanten Hintergrundinformationen für die immer wieder in der Öffentlichkeit stattfindende Diskussion auf, und die verschiedenen Autoren beleuchten dabei die diversen Aspekte und Konsequenzen eines Einsatzes undder Regelung dieser Unternehmen mit erfreu