Egal ob sie sich ein sündhaft teures Designertäschchen unter den Arm klemmen oder einen bunten Baumwollbeutel vom Flohmarkt über die Schulter hängen – Frauen lieben ihre Taschen heiß und innig und hüten sie wie einen Schatz. Einen Griff in ihre Handtasche empfinden sie als Verletzung ihrer Intimsphäre. Sie ist selbst für ihre engsten Vertrauten tabu. Für Jean-Claude Kaufmann aber öffneten einige Frauen bereitwillig ihre Taschen und gewährten ihm einen Einblick in deren Innenleben. Natürlich entdeckte der französische Soziologe mehr als Ausweise, Geld, Schlüssel, Mobiltelefone, Kugelschreiber und Lippenstifte. Dem Spezialisten in der Kunst, scheinbar banale Dinge wie Wäsche, Bikinis oder Kochtöpfe zum Sprechen zu bringen, offenbarten die vielen Zettel, Steine, Pillen, Kinderspielzeuge und Herrenbrieftaschen, dass Frauen vor allem Liebe mit sich herumtragen. Die praktische Begleiterin, die sie und ihre Lieben vor den Gefahren des Alltags schützt, ist eine Erweiterung des Körpers, ein Teil des Selbst, den die Trägerin vor allem dann bemerkt, wenn er ihr abhandengekommen ist. Gleichzeitig ist die Tasche aber auch ein Instrument der Selbsterfindung und Selbstinszenierung, mit dem ihre Besitzerin sich im Rampenlicht sonnt, sich von anderen abgrenzt, ihr Selbstwertgefühl steigert und verführt. Die Tasche macht die Frau, sie ist Attribut der Weiblichkeit, spiegelt Identitätsfacetten, markiert Wendepunkte in der Biografie, enthält ein ganzes Leben. Sie ist alles – nur kein gewöhnliches Accessoire.