Die zweite Ausgabe der Queerwelten umfasst drei Kurzgeschichten, einen Comicstrip von Sarah Burrini (Das Leben ist kein Ponyhof), sowie den zweiten Teil des Essays von James Mendez Hodes über rassistische Klischees in der Darstellung von Orks, und einen Rezensionsteil mit sieben Buch- und
CD-Besprechungen.
Ab hier gibt‘s Spoiler!
„Was der Krieg frisst“ von Rafaela Creydt erzählt von Ansha…mehrDie zweite Ausgabe der Queerwelten umfasst drei Kurzgeschichten, einen Comicstrip von Sarah Burrini (Das Leben ist kein Ponyhof), sowie den zweiten Teil des Essays von James Mendez Hodes über rassistische Klischees in der Darstellung von Orks, und einen Rezensionsteil mit sieben Buch- und CD-Besprechungen.
Ab hier gibt‘s Spoiler!
„Was der Krieg frisst“ von Rafaela Creydt erzählt von Ansha Wa, der „Mutter des Krieges“, Anführerin von Truppen, die gegen das Volk von Eis und Schatten im Norden kämpfen, und von einem ihrer Bogenschützen, einem Mann aus dem Süden, der lieber tanzt als in Schlachten zieht. Creydt konzentriert sich auf ihre Hauptcharaktere, während das Setting mit wenigen Andeutungen auskommt. Gerade den Feinden kommt diese Offenheit zu gute, da sich ihre Fremdheit beim Lesen freier entfalten kann, als wenn sie wortreich beschrieben wären. Für die Hauptfiguren und ihre Szenen arbeitet Creydt mit prägnanten Sätzen und Bildern (ganz wunderbar z.B. das Kaninchenfell) und schafft eine Balance zwischen Individualisierung und Schablone, die ihren Charakteren gerade genug Persönlichkeit gibt, um Interesse und emotionale Verbindungen zu wecken, die die Figuren gleichzeitig aber ausreichend typenhaft darstellt, um der Kurzgeschichte legenden- oder mythenhaftes Flair zu geben.
Fans von Das Leben ist kein Ponyhof kennen Sarah Burrinis Comicstrip „Traditionen“ womöglich schon. Schnoddrig pointiert weist Burrini auf den Unwillen der weißen, deutschen Mehrheitsgesellschaft hin, sich mit den eigenen Rassismen auseinanderzusetzen und vertraute Traditionen rassimuskritisch zu hinterfragen.
Aşkın-Hayat Doğans „Held*innengeschichte“ verpackt queerfeministische Kritik auf etwa zwei Seiten in eine Diskussion zwischen Sophie und ihrem Opi. Das hat mich nicht vollends überzeugt. Während die Stimme vom Opi glaubwürdig wiedergegeben ist (bis auf die etwas bemühten Kosenamen für das Kind), fand ich Sophies Wortwahl weniger passend für ein Kind, das einerseits schon selbst Geschichten über „Panthergirl, Hexerella oder Uberta von Dalâuen“ schreibt, andererseits offenbar erstmals Schneewittchen vorgelesen bekommt. Abgesehen von meiner Schwierigkeit, eine gute Vorstellung von Sophie zu bekommen, ist die Geschichte aber niedlich und der Großvater sehr sympathisch dargestellt. Dass der Opi queer ist, ist ebenfalls ein feiner Zug.
Der letzte fiktionale Beitrag dieser Ausgabe, Elena L. Knödlers „Sagittarius A*“, spielt in der fernen Zukunft; die Menschheit sieht sich mit dem Schicksal konfrontiert, bald auszusterben. Lah, die Hauptfigur, übernimmt zu Beginn der Erzählung die Historikabteilung auf einer Raumstation, die um ein schwarzes Loch kreist. Die Isolation wird durch die Ankunft eines Generationenschiffs unterbrochen. Echo, eine neu angekommene Physikerin, beschimpft Lah (oder genauer: Lahs Profession, die Geschichtsforschung), nutzlos zu sein und nichts zur Rettung der Zukunft beizutragen. Wie eine Raumstation in einem Gravitationsfeld kreist die Geschichte um diesen Knackpunkt. Ihre Antwort finde ich befriedigend und einleuchtend: Uns als Wesen mit einer Vergangenheit zu begreifen, gibt uns Orientierung. Es erlaubt uns, Motivationen und Richtungen für die Zukunft zu finden. Ohne Geschichte(n) wären wir ziellos in der Zeit – unfähig, unsere Zukunft bewusst zu gestalten.
James Mendez Hodes‘ Essay widmet sich den rassistischen Darstellungen von Orks z.B. in Dungeons & Dragons, sowie dem Mechanismus der Entmenschlichung. Besonders stark finde ich den Abschnitt, in dem es um typische Aussagen, mit denen das Festhalten an rassistischen Stereotypen verteidigt wird, und Argumenten gegen diese Positionen. Gut gefallen mir auch Mendez‘ konkrete Vorschläge, wie Orks in Rollenspielen und anderen fiktionalen Medien umgesetzt werden sollten, um den inhärenten Rassismus der gängigen Assoziationen zu untergraben. Schön, dass Kathrin Dodenhoeft den Essay für die Queerwelten übersetzt hat.