Der römische Patrizier Vinicius liebt die Königstochter Lygia, die dem neuen christlichen Glauben anhängt. Ungeschickt umwirbt er sie, und sie gelangt an Neros Hof gerade in dem Moment, als der dekadente Kaiser Rom anzünden lässt. Die Tat lastet er den Christen an. Lygia und ihrem Diener, dem bärenstarken Ursus, droht der Tod bei blutigen Zirkusspielen. Doch Vinicius, mittlerweile ebenfalls Christ, setzt alles daran, seine Geliebte zu retten. – Gründlich im Detail und mit sprachlicher Wucht hat Sienkiewicz in 'Quo vadis?' eine Liebe im antiken Rom geschildert. Für seinen Roman erhielt er 1905 den Nobelpreis für Literatur.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.12.2016NEUE TASCHENBÜCHER
Nobelpreisliteratur von 1905 –
„Quo Vadis?“ mit einem Wiegenlied für Nero
Blau ist die Aura des Herrschers, des Kaisers Nero im Rom des Jahres 64, blau vom Schimmer der amethystfarbenen Tunika, die zu tragen gewöhnlichen Sterblichen verboten ist. Grün ist der Blick des Herrschers, wie der runde geschliffene Smaragd, den er als Sehglas vors Auge hält, um die Menschen im Festsaal zu mustern, ein Drachenblick. Wenn er den wieder weglegt, ist sein Gesicht zu erkennen, die – immer noch aktuelle – Herrscher-Physiognomie. „In den zusammengezogenen Brauen war das Bewußtsein höchster Gewalt deutlich zu erkennen; doch unter dieser Stirn eines Halbgottes befand sich das Gesicht eines Affen, Trunkenbolds und Komödianten – nichtssagend, voll wechselnder Begierden, trotz seiner Jugend strotzend von Fett und dabei krankhaft und widerwärtig.“
Nero ist die große Attraktion des Romans „Quo vadis?“ aus dem Jahr 1905, für den der polnische Schriftsteller Henryk Sienkiewicz den Nobelpreis bekam, eine farbige Studie totalitärer Systeme, von denen das 20. Jahrhundert dann geprägt wurde. Bekannt ist das Buch vor allem durch die spektakuläre Hollywood-Verfilmung von 1950, mit Peter Ustinov als Nero, und man kann sich beim Lesen durchaus an den Schauwerten des Films orientieren: Neros monströse künstlerische Darbietungen, das Massaker an den frühen Christen in der Arena, der Brand von Rom, fünfzig atemlose Seiten, auf denen der junge Tribun Vinicius nach Rom zurückhetzt, um die geliebte Lygia zu retten, Flüchtige befragt, Pferde gewechselt – sind das schon Rauchwolken, die den Himmel verdunkeln, oder die Dämmerung, sollte man Nero stürzen und selber neuer Caesar werden, mit Christi, des neuen Gottes Hilfe?
Man liest sich fest, will alles wissen über den coolen Petronius, den arbiter elegantiarum, der Nero durchschaut und manipuliert. Und auch Nero, das Monster, hat sensible Seiten. „Ach, niemand wird glauben, vielleicht auch du nicht, mein Freund, daß ich mich manchmal, wenn die Musik meine Seele sanft wiegt, so wohl fühle wie ein Kind in der Wiege.“ FRITZ GÖTTLER
Henryk Sienkiewicz: Quo Vadis? Roman. Nach der Übertragung von J. Bolinski neu erarbeitete Ausgabe v. Marga und Roland Erb. dtv, München 2016. 622 S., 14,90 Euro.
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Nobelpreisliteratur von 1905 –
„Quo Vadis?“ mit einem Wiegenlied für Nero
Blau ist die Aura des Herrschers, des Kaisers Nero im Rom des Jahres 64, blau vom Schimmer der amethystfarbenen Tunika, die zu tragen gewöhnlichen Sterblichen verboten ist. Grün ist der Blick des Herrschers, wie der runde geschliffene Smaragd, den er als Sehglas vors Auge hält, um die Menschen im Festsaal zu mustern, ein Drachenblick. Wenn er den wieder weglegt, ist sein Gesicht zu erkennen, die – immer noch aktuelle – Herrscher-Physiognomie. „In den zusammengezogenen Brauen war das Bewußtsein höchster Gewalt deutlich zu erkennen; doch unter dieser Stirn eines Halbgottes befand sich das Gesicht eines Affen, Trunkenbolds und Komödianten – nichtssagend, voll wechselnder Begierden, trotz seiner Jugend strotzend von Fett und dabei krankhaft und widerwärtig.“
Nero ist die große Attraktion des Romans „Quo vadis?“ aus dem Jahr 1905, für den der polnische Schriftsteller Henryk Sienkiewicz den Nobelpreis bekam, eine farbige Studie totalitärer Systeme, von denen das 20. Jahrhundert dann geprägt wurde. Bekannt ist das Buch vor allem durch die spektakuläre Hollywood-Verfilmung von 1950, mit Peter Ustinov als Nero, und man kann sich beim Lesen durchaus an den Schauwerten des Films orientieren: Neros monströse künstlerische Darbietungen, das Massaker an den frühen Christen in der Arena, der Brand von Rom, fünfzig atemlose Seiten, auf denen der junge Tribun Vinicius nach Rom zurückhetzt, um die geliebte Lygia zu retten, Flüchtige befragt, Pferde gewechselt – sind das schon Rauchwolken, die den Himmel verdunkeln, oder die Dämmerung, sollte man Nero stürzen und selber neuer Caesar werden, mit Christi, des neuen Gottes Hilfe?
Man liest sich fest, will alles wissen über den coolen Petronius, den arbiter elegantiarum, der Nero durchschaut und manipuliert. Und auch Nero, das Monster, hat sensible Seiten. „Ach, niemand wird glauben, vielleicht auch du nicht, mein Freund, daß ich mich manchmal, wenn die Musik meine Seele sanft wiegt, so wohl fühle wie ein Kind in der Wiege.“ FRITZ GÖTTLER
Henryk Sienkiewicz: Quo Vadis? Roman. Nach der Übertragung von J. Bolinski neu erarbeitete Ausgabe v. Marga und Roland Erb. dtv, München 2016. 622 S., 14,90 Euro.
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