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Harry Angstrom ist tot, aber seine Lebensenergie ist noch nicht erschöpft. Seine uneheliche Tochter Annabelle steht eines Tages bei seiner Witwe vor der Tür.: «Ich glaube, Sie waren mit meinem Vater verheiratet.» Sie wird zum Thanksgiving Dinner eingeladen, der Abend artet aus, ein hässlicher Streit, Tränen Krach, Sohn Nelson verlässt das Haus. Updike gelingen herrliche Passagen, etwa Nelsons plötzliche Geschwisterliebe, der Familienkrach beim Truthahnessen, ein verrückter Silvesterabend zur Jahrtausendwende. «Updikes Prosa gehört zum Unterhaltendsten, was sich in der Weltliteratur unserer Jahre finden lässt.» (Marcel Reich-Ranicki)…mehr

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Produktbeschreibung
Harry Angstrom ist tot, aber seine Lebensenergie ist noch nicht erschöpft. Seine uneheliche Tochter Annabelle steht eines Tages bei seiner Witwe vor der Tür.: «Ich glaube, Sie waren mit meinem Vater verheiratet.» Sie wird zum Thanksgiving Dinner eingeladen, der Abend artet aus, ein hässlicher Streit, Tränen Krach, Sohn Nelson verlässt das Haus. Updike gelingen herrliche Passagen, etwa Nelsons plötzliche Geschwisterliebe, der Familienkrach beim Truthahnessen, ein verrückter Silvesterabend zur Jahrtausendwende. «Updikes Prosa gehört zum Unterhaltendsten, was sich in der Weltliteratur unserer Jahre finden lässt.» (Marcel Reich-Ranicki)

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Autorenporträt
Geboren am 18.03.1932 in der Kleinstadt Shillington, Pennsylvania, als einziges Kind des Sekundarschullehrers und Diakon Wesley Russel Updike und dessen Frau Linda Grace Hoyer. Kindheit in materieller Bedrücktheit. Schulbesuch weiterhin in Shillington. 1950 Stipendium zum Studium am Harvard College, Hauptfach Anglistik; Abschluss des Untergraduiertenstudiums 1954 mit summa cum laude. Er heiratete 1953 die Kunststudentin Mary Entwistle Pennington, mit der er nach Abschluss des Studiums ein Jahr an die Ruskin School of Drawing and Fine Art in Oxford, England, ging. Nach Rückkehr in die USA von 1955-1957 fest angestellt beim Magazin «The New Yorker». Danach verfasste er als freier Mitarbeiter Kurzgeschichten und einflussreiche literarische Kritiken. 1957 Umzug nach Ipswich im neuenglischen Massachusetts. 1964 Vortragsreisen durch die UdSSR, Rumänien, Bulgarien und die Tschechoslowakei. Seit 1964 war Updike Mitglied des National Institute of Arts and Letters. 1973 Fulbright-Lektor in Afrika. 1976 Mitglied der American Academy of Arts and Letters. Auszeichnungen: Guggenheim Fellowship in Poetry für «The Carpendered Hen and Other Tame Creatures» (1959); Rosenthal Foundation Award des National Institute of Arts and Letters für «Das Fest am Abend» (1960); Pulitzer Price for Fiction für «Bessere Verhältnisse» (1982); Lincoln Literary Award (1983); Distinguished Pennsylvania Artist Award (1983); National Book Critics Circle Award for Criticism für «Amerikaner und andere Menschen» (1984); St. Louis Literary Award (1988); Bobst Award for Fiction (1988); National Medal of Arts (1989); Premio Scanno (1991); O'Henry Award für «A Sandstone Farmhouse» aus «The Afterlife and Other Stories» (1991); Common Wealth Award (1993); Conch Republic Prize for Literature (1993) Commandeur de l'ordre des arts et des lettres (1995); The Howells Medal from the Academy of Arts and Letters (1995). John Updike starb am 27. Januar 2009 in Massachusetts. Sein gesamtes Werk ist auf Deutsch im Rowohlt Verlag und im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen. Maria Carlsson ist seit Ende der Fünfzigerjahre als Übersetzerin angloamerikanischer belletristischer Werke tätig. Sie ist vor allem mit den Übertragungen der Romane und Erzählungen John Updikes hervorgetreten. 1994 wurde sie mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis und 2oo2 mit dem Helmut-M. Braem-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Denn alles Fleisch kriegt nie genug
Vom Eise befreit: John Updike holt Rabbit, seinen Lieblingsspieler, aus dem Kühlhaus zurück ins Leben / Von Patrick Bahners

Genug. Das war Rabbits letztes Wort gewesen, der letzte Satz des letzten der vier Romane John Updikes über Harry Angstrom, der wie ein Hase Haken schlagen konnte auf dem Basketballfeld in der Schule, der über alles in der Welt hinwegkam und doch nie hinauskam über Brewer, Pennsylvania, seine Vaterstadt. Genug. Ein Sterbenswörtchen. Ausgesprochen hatte er es nicht. Aus seinem Munde sollte niemand die Scheideworte des greisen Priesters hören, der den neugeborenen Jesus auf Händen getragen hatte. Ich habe genug: Kein Abgang für einen Champion. Er glaubte zwar an Gott, spürte, daß er nicht allein in der Welt war. Aber eben in der Welt. Das Hoffen dieses Frommen war nicht auf ein Jenseits gerichtet. Er hatte keinen Sinn für das Mysterium der Inkarnation, daß Gott die Schuld der Menschen auf sich genommen hatte. Welche Schuld? Wenn jemand schuld daran war, daß vor dreißig Jahren in seinem Haus seine Tochter in der Badewanne ertrunken war und daß zehn Jahre später in seinem Haus, einem anderen Haus, ein anderes Mädchen verbrannt war, dann war es ja wohl Gott. Rabbit war nicht dagewesen, Rabbit war doch weggelaufen.

Genug. Nicht Harry Angstrom gab mit diesem Ausatmen seinen Geist auf, sondern der Erzähler von "Rabbit at Rest". Der letzte Satz, der Harry über die Lippen kam, galt seinem Sohn. "Nun, Nelson, ich kann dir nur sagen: So schlecht ist es nicht." Aber was? Das Sterben? Oder das Leben? Wie den Unterschied machen, wenn danach doch nichts mehr kam? Jede Transzendenzerfahrung warf Harry zurück in eine Immanenz, deren Spielräume sich wundersam weiteten, so daß er davon nicht genug bekommen konnte. Das kurze Abenteuer seines Daseins hienieden: eine einzige ewige Nahtodeserfahrung. Mit sechsundfünfzig Jahren hat es ihn dann erwischt.

Schon zehn Jahre zuvor hatte er seinen Frieden mit der Welt gemacht, sich in ein Glück gefügt, das ihm seine Sterblichkeit vor Augen stellte. Wie Simeon hatte er ein Kind auf seine begierigen Arme genommen. Aber es war kein Knabe, in dem er sein Heil erblickte, sondern, natürlich, ein weibliches Geschöpf, das ihm endlich die begrabene Tochter ersetzte. "Eine Enkeltochter. Seine. Ein weiterer Nagel zu seinem Sarg. Sein." So endete "Rabbit is Rich". Seine, seinem, sein: im Englischen ein Wort, "his". Festhalten und Fahrenlassen waren eins. Der Besitz der Nachkommenschaft nahm dem Tod seinen Stachel. Reich war Rabbit zu guter Letzt wie ein Patriarch des Alten Testaments, beschenkt mit einem Kindersegen, mit dem er nicht mehr hatte rechnen dürfen, ein Nomadenfürst, der abgrast, wo er nicht gesät hat. Ein Räuber: Indem er seine Enkelin gleichsam adoptierte, nahm er sie ihrem Vater weg.

Zehn Jahre später, als der letzte Nagel eingeschlagen ist, derselbe doppeldeutige Reflex. Er hat genug. Wovon? Hat er alles, was er braucht? Oder braucht er nichts mehr? Vergeblich versuchte er, seinem Sohn noch etwas mitzugeben. Nelson sollte erfahren, daß er eine Schwester hat. In der Nacht, als das Baby starb, war Rabbit zu der Frau gelaufen, mit der er eine zweite Tochter gezeugt hatte. Diese Tochter wollte er dem Sohn hinterlassen, dessen Kind er entwendet hatte: ein Akt der Wiedergutmachung, der keinem schlechten Gewissen entsprang, sondern einem Instinkt für die richtige Bewegung, die natürliche Zuordnung, der letzte, perfekte Paß des Meisterwerfers, bevor er vom Platz ging.

Es war noch nicht genug. Als Auslaufmodell war Rabbit gestartet: ein weißer Basketballstar. Nun nimmt er es von jenseits des Grabes mit Michael Jordan auf. John Updike schickt seinen Lieblingsspieler noch einmal aufs Feld. Für eine Erzählung reicht die Kondition nach vier Romanen allemal noch aus. Rabbit, ein Comeback: So hätte der deutsche Verlag das Buch nennen sollen, wenn ihm der amerikanische Titel "Rabbit Remembered" zu elegisch klang.

Die Erinnerungen kehren nicht von selbst zurück. Glauben die Hinterbliebenen. Rabbit war einmal. Sie haben neu angefangen. "Fresh Start" steht an der Tür, durch die Nelson jeden Morgen geht: Der Erbe des Riesenegoisten hat sich zur Sozialarbeit bekehrt. Janice, die Witwe, hat den Namen Angstrom abgelegt und Ronnie Harrison geheiratet, Harrys Rivalen aus frühesten Trainingstagen. "Die Zeit hat den spektakulären Mann zu Pulver zermahlen, in nur zehn Jahren." Eine Moritat singen sie im Familienkreis von dieser Pulverisierung. Auf dem Heimweg zur Beerdigung vergaßen sie die Urne auf dem Sims eines Motels. Später, routiniert im Zurückblicken, formulierten sie die Moral der Geschichte: Unbewußt nahmen sie Rache an dem Vater, der sie so oft verlassen hatte. Mit "schooled hindsight" betrachten sie ihr Schicksal, als hätten sie die Romane gelesen, deren Figuren sie sind. Sie sind übriggeblieben. Daß sie dem Geschehenen die simpelste Deutung geben, ist ihr gutes Recht. Die Wahrheit der Erzählung von ihrem Erzählen wird in der Trivialpsychologie nicht aufgehen, deren Geständnisse jene Entsorgung der unheimlichen Gegenwart des Vergangenen wiederholen, die sie aufdecken.

Aber zu den Hinterbliebenen, die allein die Tatsache ihres Überlebens zu einem entspannten Übermut verführt, gehört der Autor. Leichthändig kommen diese Variationen über die Leitmotive der Tetralogie daher, Fingerübung eines Virtuosen, der nicht mehr üben muß. Einen Schriftsteller, der mehr oder weniger alles könne, was er wolle, nannte Martin Amis den Verfasser von "Rabbit is Rich". Mit dem vorliegenden Büchlein zeigt Updike nun, daß er auch als sein eigener Epigone sein Niveau hält. Seit jeher haben die epischen Stoffe der Weltliteratur die Fortfabulierer angezogen. So viele Fäden lassen die Nornen fallen, die zum Verknoten einladen: Wie erging es den Helden des Trojanischen Krieges nach ihrer Heimkehr? Was war denn nun mit der Schwester, die Rabbit in die Obhut seines Sohnes geben wollte? Eines Tages stand sie bei Janice vor der Haustür. Daß man eine lange Geschichte so kurz machen kann, ist ein Scherz, den Updike sich auf seine und auf Rabbits Kosten gestattet. Sein Leben lang versuchte Harry heimlich zu ermitteln, ob das großgewachsene Mädchen vom Lande, das einmal mit einem Bauernjungen in seinem Toyota-Geschäft erschienen war, wirklich die Tochter sein konnte, die Ruth, seine Geliebte, vor ihm versteckt hatte. Und kaum ist Harry zehn Jahre tot, da betreibt Ruth von ihrem Totenbett aus plötzlich Familienzusammenführung! Wo gibt's denn so was? Im Fernsehen.

Nicht Bücher sind der Stoff, aus dem die amerikanischen Träume sind, sondern Fernsehserien. In "Rabbit Redux", dem zweiten Roman, erkennt sich der Held im Lone Ranger wieder - genauer gesagt, was charakteristisch ist für sein Gefühl, eine aussterbende Art zu vertreten, in einer Fernsehparodie der in seiner Jugend über das Radio ausgestrahlten Westernserie. Die Handlung von "Rabbit Remembered" kulminiert in der Silvesternacht 1999. Zu den Toten, derer die Feiernden flüchtig gedenken, gehört der Lone Ranger. Tatsächlich war Clayton Moore, der Originaldarsteller, am 28. Dezember 1999 gestorben. Durch Koinzidenzen dieser Art, die Updike sich in allen jeweils zehn Jahre vorwärts springenden Kapiteln der Saga zunutze macht, webt Amerika an seinem Mythos mit.

Ob Updike sich durch einen solchen Wink der Geschichte hat überzeugen lassen, daß vier Teile, das Maß von Wagners "Ring", nicht genug waren? Es war zu verführerisch, den Instinktmenschen und Überlebenskünstler Clinton, dem die Männer alles vorwerfen und die Frauen nichts übelnehmen, als Wiedergänger Rabbits zu deuten. Beim Thanksgiving-Essen verteidigt Nelson Clinton - und damit seinen Vater gleich doppelt, der Nixon aus demselben Urgefühl einer Loyalität in Schutz zu nehmen pflegte, die zwischen Amt und Person zu trennen sich weigert. Der Präsident verkörpert Amerika, ist Fleisch vom Fleisch der Bürger. Als faules Fleisch, das im Kühlschrank verrottet, "dead meat", beschimpft ihn einer von Nelsons Stiefbrüdern. Im Bilderkosmos des Zyklus verbirgt der Kühlschrank das Geheimnis der Sexualität. Der Vitalität des Leibes konnten Clintons wie Rabbits Gegner nicht beikommen, sooft auch von den Kanzeln herab ihr Fleisch totgesagt werden mochte.

Rabbits Nachleben, das trotz überschaubarer Länge episodisch, als Patchwork angelegt ist, erinnert an Spezialfolgen beliebter Fernsehserien, für die nach Jahren der Sendepause das bewährte Personal, ohne den einen oder anderen Verstorbenen, noch einmal vor die Kamera gebeten wird. Gedreht wurde in den Originalkulissen, die mit der Zeit noch weiter heruntergekommen sind. Brewer, Pennsylvania, die Eisenbahnstadt, der Harry nie entkommen ist, ist schon immer ein Bild des industriellen Niedergangs gewesen. Aber wo die finsteren Fabrikruinen als zweite Natur noch Heimatgefühle weckten, da liegt nun eine Schicht absoluter Künstlichkeit über der Stadt, ein Plastiküberzug in einer grellen, schäbigen Farbe. In der Mitte der Stadt, aus der die Kaufhäuser verschwunden sind, erstreckt sich ein großes orangenes Loch. Orange sind die Regenanzüge der Polizisten, die Fassade des Bürobedarf-Discounters, die Stühle der Sozialstation, die Haare, die eine Kollegin Nelsons nach dem Vorbild einer Figur aus den "Simpsons" trägt. Orange war auch der Toyota Corolla, den der Freund von Rabbits Tochter kaufte. Orange ist die Farbe des Unglücks - der Herzschlagmeßlinien an Rabbits Totenbett, der Strumpfhosen, die seine schwangere Schwiegertochter trug, als ihr Sohn sie die Treppe hinunterstieß, des Drecks, der die betrunkene Janice dazu trieb, ihr Baby in die Badewanne zu tauchen.

Damals hatte sie das Gefühl, es sei noch jemand im Haus. Der heimlich heimgekehrte Harry? Oder der Tod? Es kam nicht darauf an. Ruth nannte ihn "Mr. Death", und bei der Probefahrt mit seiner Tochter und ihrem Freund nahm er auf dem Beifahrersitz Platz, dem "death seat". Als nun Nelson und seine neue Schwester in der letzten Stunde des letzten Tages des Jahrtausends ziellos die Stadtmitte von Brewer ansteuern, da ist es wieder so, als wäre da im Auto ein Dritter. Fast kommt es zu einer Karambolage, doch der andere Fahrer bremst, und sie springen dem Tod von der Schippe. "Nelson erschauert, als werde er gerade von einem streitsüchtigen Geist verlassen." War es der Geist seines Vaters?

Als Harry Angstrom zum erstenmal davonlief, 1959, da hörte er im Autoradio vom chinesischen Einmarsch in Tibet. Der Aufenthaltsort des Dalai Lama sei unbekannt. Vierzig Jahre später erhält Nelson von seinem Stiefvater ein Buch des Dalai Lama zu Weihnachten. Das Autorenfoto erinnert ihn an seinen Vater. Für Brewer gibt es Hoffnung. Die Biotechnologie boomt, erfährt Nelson von seinem Sohn. Man arbeitet an der Gentransplantation. Die Allgemeingültigkeit von Rabbits Gesetz, daß die Väter in ihren Kindern wiederkehren, wird dadurch nicht bedroht. Es ist spiritueller Natur: das Mysterium der Reinkarnation. Tod. Leben. Alles. Eins.

John Updike: "Rabbit, eine Rückkehr". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Maria Carlsson. Rowohlt Verlag, Reinbek 2002. 253 S., geb., 19,90 [Euro].

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Einziges Manko: «Rabbit, eine Rückkehr», ist viel zu schnell zu Ende. Brigitte