Wer sich besser in der Welt der Jugendbücher auskennt, weiß, dass "Zorn und Morgenröte" eine Geschichte ist, die stark polarisiert. Viele Leser fanden sie viel zu kompliziert und langatmig, aber ich zähle nicht zu dieser Sparte. Ganz im Gegenteil, ich war nach 100 Seiten komplett überzeugt, konnte
das orientalische Feeling genießen und habe 5 Sterne vergeben. An dieser Stelle würde ich gerne…mehrWer sich besser in der Welt der Jugendbücher auskennt, weiß, dass "Zorn und Morgenröte" eine Geschichte ist, die stark polarisiert. Viele Leser fanden sie viel zu kompliziert und langatmig, aber ich zähle nicht zu dieser Sparte. Ganz im Gegenteil, ich war nach 100 Seiten komplett überzeugt, konnte das orientalische Feeling genießen und habe 5 Sterne vergeben. An dieser Stelle würde ich gerne behaupten, dass es mir neun Monate später mit der Fortsetzung genauso erging - aber das wäre gelogen. Ich habe erwartet, dass der Einstieg schwer wird, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass er sich so unglaublich lang ziehen wird. Nicht nur, dass während des gesamten ersten Drittels rein gar nichts passiert, es gibt auch einfach keine Erinnerungsstützen. Wenn Autoren entscheiden, eine Reihe zu schreiben, müssen sie die Bücher entweder kurz hintereinander veröffentlichen oder Rückblicke einbauen. Renée Ahdieh konnte leider keine dieser beiden Aufgaben bewältigen und so hat es mich wirklich Überwindung gekostet, dass Buch nicht vorzeitig abzubrechen.
Nachdem die erste Hälfte also wirklich holprig war, entdeckte ich endlich das Licht am Ende des Tunnel:. Sharzad vertraut sich ihrer Schwester Irsa an, kurz darauf kommt es zu einem phänomenalen Zusammentreffen aller wichtigen Charaktere, wobei einer von ihnen schwer verletzt wird. Das Eis war endlich gebrochen, es kam Spannung auf und ich verspürte den Drang, weiterlesen zu wollen - und das hat sich zum Glück bis zum Ende des Buches nicht wieder geändert. Ganz besonders habe ich mich darüber gefreut, dass Shazi ihre Magie trainiert und der Fantasyanteil mehr Platz einnimmt.
Am Ende wird es dann so richtig dramatisch und ich musste meinen Tränen mehr als einmal freien Lauf lassen. Auch wenn es zu einer ungewohnten Problemverlagerung kommt und plötzlich nicht mehr der Fluch den "Feind" darstellt, empfand ich die letzten Kapitel als durchaus würdig. Sie sind sehr passend, besonders für eine Reihe, bei der so viel Wert auf Emotionen wie Wut und Rache gelegt wird.
Beim Schreibstiel bin ich ebenfalls zweigeteilter Meinung: Einerseits mag ich die verschiedenen Erzählperspektiven, denn so konnte ich die inneren Konflikte jedes Protagonisten mitverfolgen. Besonders die Monologe von Tarik sind total genial, denn sie zeigen, wie scheiße sich ein Nebencharakter fühlen kann, obwohl sich die Hauptgeschichte eines Buches positiv entwickelt. Außerdem würde ich seine Gedankengänge als sehr anspruchsvoll, metaphorisch und bildgewaltig beschreiben, was andererseits aber auch ablenkend wirken kann. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich Renéeh Ahdieh selbst noch nicht entschieden hat, was sie eigentlich erzählen möchte und deshalb versucht, die Seiten mit schönen, aber leeren Worten zu füllen. So kam der wirkliche Inhalt nicht bei mir an und ich musste Abschnitte mehrmals lesen und verstand trotzdem nicht alles.
Im Gegensatz dazu möchte ich aber unbedingt die Entwicklung der Charaktere loben. Shazi und Charzad sind erwachsen geworden, kümmern sich nun rührend umeinander und übernehmen Verantwortung. Es gibt eine leichte Annäherung zwischen Chalid und Tarik, die aber keinesfalls zu übertrieben ist. Ihre Dynamik liegt genau in der Mitte zwischen Hass und Akzeptanz, was zu der berühmt-berüchtigte "Ruhe vor dem Sturm"-Atmosphäre beiträgt. Außerdem war ich wirklich begeistert, Shazis Familie kennenlernen zu dürfen, da in Band 1 ständig über sie geredet wird.
Fazit:
Wer den ersten Band "Zorn und Morgenröte" schon nicht mochte, sollte von diesem Buch unbedingt die Finger lassen. Die verwirrenden Beziehungen und der anspruchsvolle Schreibstil treten noch mehr in den Vordergrund und verhindern den Lesespaß über die gesamte erste Hälfte. Danach wird das Buch von Seite zu Seite besser, aber auch das dramatische und emotionale Finale kann nicht alles wieder ausbügeln.