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Ist der Universalismus heute noch zu retten? Ja, aber wir müssen zurück zu seinem Ursprung: Erst wenn wir den humanistischen Appell der biblischen Propheten und Immanuel Kants wirklich verstehen, können wir Ungerechtigkeit kompromisslos bekämpfen – im Namen des radikalen Universalismus, nicht in dem der Identität. Mit "Radikaler Universalismus" liefert Omri Boehm mehr als eine Neuinterpretation, er revolutioniert unser grundlegendes Verständnis von dem, was Universalismus eigentlich ist. Dabei beruft er sich auf Kant und seine oft missverstandene Wiederbelebung des ethischen Monotheismus der…mehr

Produktbeschreibung
Ist der Universalismus heute noch zu retten? Ja, aber wir müssen zurück zu seinem Ursprung: Erst wenn wir den humanistischen Appell der biblischen Propheten und Immanuel Kants wirklich verstehen, können wir Ungerechtigkeit kompromisslos bekämpfen – im Namen des radikalen Universalismus, nicht in dem der Identität. Mit "Radikaler Universalismus" liefert Omri Boehm mehr als eine Neuinterpretation, er revolutioniert unser grundlegendes Verständnis von dem, was Universalismus eigentlich ist. Dabei beruft er sich auf Kant und seine oft missverstandene Wiederbelebung des ethischen Monotheismus der jüdischen Propheten. Ein kühner Entwurf, der in seiner Furchtlosigkeit einen Ausweg aus der festgefahrenen Identitätsdebatte eröffnet.
Autorenporträt
Omri Boehm, geboren 1979 in Haifa, studierte in Tel Aviv und diente beim israelischen Geheimdienst Shin Bet. In Yale promovierte er über "Kants Kritik an Spinoza", heute lehrt er als Professor für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Er ist israelischer und deutscher Staatsbürger, hat u.a. in München und Berlin geforscht und schreibt über israelische Politik in Haaretz, Die Zeit und The New York Times.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Eine wichtige Verteidigung des Universalismus kantischer Prägung hat Omri Boehm verfasst, so Rezensent Martin Hubert. Der Philosoph reagiert mit seinem Buch, lernen wir, auf linke Anhänger der Identitätspolitik, die den Universalismus als eine rassistische und sexistische Deckerzählung kritisieren, aber Boehm kritisiert auch rechte Nationalisten und liberale Denker von John Rawls bis Richard Rorty. Recht pauschal sind diese Angriffe gelegentlich, findet Hubert, aber in der Orientierung an Kants Freiheitsbegriff als Begründung einer universalistischen Ordnung überzeugt das Buch. Mit Blick auf das alte Testament will Hubert nachweisen, dass dort selbst über Gott noch eine höhere Ordnung steht, lernen wir. Auch das geht Hubert etwas zu weit. Das Hauptargument hält der Rezensent hingegen für schlüssig, er fragt sich nur, wie es in einer von partikularen Bedürfnissen beherrschten Welt an den Mann zu bringen ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.09.2022

Die einzig wahre Autorität
Omri Boehm verteidigt den Universalismus. Kann das gutgehen?
Gerade jetzt eine große Verteidigung des Universalismus zu schreiben, erscheint so zwingend wie waghalsig. Zwingend, weil die Idee ja theoretisch immer noch gut ist, waghalsig, weil die Defizite der Ordnungen, die sich auf den Universalismus berufen, so offen zutage liegen. Viele Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund erleben Tag für Tag, dass vieles eben doch nicht so universal gilt, sondern uneingeschränkt höchstens für die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaften. Man übertreibt nicht, wenn man feststellt, dass damit nichts weniger als die Grundfesten der liberal-demokratischen westlichen Ordnung in Frage stehen.
Gewagt hat die Verteidigung jetzt der 1979 geborene deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm, der an der renommierten New Yorker New School for Social Research lehrt. Bekannt wurde er vor gut zwei Jahren mit seinem Buch „Israel – eine Utopie“, in dem er zur Lösung des Israel-Palästina-Konflikts einen föderalen, binationalen Staat Israel vorschlug, eine „Republik Haifa“. Sein neues Buch, das gerade einmal 155 Seiten hat, trägt den Titel „Radikaler Universalismus – Jenseits von Identität“. Das – man ahnt es – was in westlichen liberalen Demokratien unter Universalismus verstanden wird, ist für Omri Boehm bloß noch die „leere Hülse des Begriffs“.
Die Liberalen samt ihren berühmtesten Theoretikern von John Dewey und John Rawls bis Richard Rorty und Mark Lilla huldigten einem „falschen“, nur auf individuelle Rechte fixierten Universalismus, der in Wahrheit nur ihren eigenen Interessen diente. Die „identitäre Linke“ wiederum habe mit diesem falschen Universalismus mehr gemein, als sie sich eingestehen würde. Mit ihrem partikularistischen Fokus auf Identität betreibe sie auf ihre eigene Weise die „Zerstörung des Begriffs der Menschheit“. Dagegen setzt Boehm das, was er den „wahren Universalismus“ nennt, den er in drei schwungvollen Kapiteln aus drei berühmten Quellen der Ideengeschichte destilliert: erstens der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Diskussion über Sklaverei und Bürgerrechte der Afroamerikaner. Zweitens aus Kants Schriften, insbesondere dem Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ (die Ideen des Philosophen verteidigt Boehm leidenschaftlich gegen seine viel thematisierten rassistischen Äußerungen). Und drittens aus der Erzählung von der Opferung Isaaks im 1. Buch Mose im Alten Testament.
Am dritten und kürzesten Kapitel des Buch lässt sich gut zeigen, worum es Boehm genau geht. Es beginnt mit Kants berühmter Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung?“: „Aufklärung“, schrieb Kant 1784, „ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, Unmündigkeit wiederum ist für Kant „das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“. Böhm aber will es noch einmal ganz genau wissen: Was soll das eigentlich heißen, „sich seines Verstandes zu bedienen“? Mit der ersten, negativistischen Antwort Kants, dass selbst denken eben vor allem bedeute, seine Gedanken nicht irgendeiner Autorität zu unterwerfen, ist es für Boehm nicht getan.
Die Definition Kants, auf die es Boehm eher ankommt, läuft darauf raus, dass die schädlichste Form der Unmündigkeit nicht einfach Nichtdenken ist, sondern eine Denkweise, „bei der wir unseren Verstand auf tote oder mechanische Weise“ gebrauchen: „Satzungen und Formeln“, so Kant, „sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit“.
In Bezug auf die Frage, was dies nun für Boehms Rechtfertigung seines radikalen Universalismus bedeutet, wird es dann allerdings wieder heikler. Denn Boehm schließt sich Kants Überzeugung an, dass Aufklärung und Selbstdenken dieser anspruchsvollen Art – angesichts der Gefahr einer Tyrannei der Mehrheit – doch wieder erst durch einige Wenige erreicht werden muss, deren Beispiel dann gefolgt werden kann. Das aber, Boehm sieht es sofort, ist nichts anderes als eine Form von Prophetie, die Vermittlung von Wahrheit durch Auserwählte. Und war und ist das nicht genau die Art von Kommunikation, die die Aufklärung gerade überwinden wollte? Was nun? Boehm versucht eine neue Definition dessen, was wir unter Prophetie verstehen sollten. Motto: Wenn die Begriffe nicht passen, haben wir sie bisher nur falsch verstanden. Nach einer schwungvollen Lektüre des Dekalogs und der Geschichte von Abrahams Opferung seines Sohnes Isaak (Genesis 22, 1-19) sowie von Maimonides‘ Interpretation der beiden Bibelstellen in seinem Buch „Führer der Unschlüssigen“ steht für Boehm fest: Die höchste Form der Prophetie ist nicht die von Mose, der den Menschen einfach Gottes Gesetz verkündet, sondern die Abrahams.
Die übliche Deutung der Opferung Isaaks geht von einem frommen Abraham aus, der bereit ist, seinen Sohn zu opfern und dann von einem Engel aufgehalten wird. Soll heißen: Der Wille ist Gott genug, die grausame Tat ist nicht nötig. Boehm betont dagegen textkritisch, dass die Engelstelle später hinzugefügt wurde. Lässt man sie weg, trifft nicht mehr Gott die Entscheidung, Isaak am Leben zu lassen, sondern Abraham selbst. Für Boehm gehorcht er an dieser Stelle einer moralischen Autorität, die noch über Gott steht: der Gerechtigkeit. Das Beharren darauf, so Boehm, „dass die Gerechtigkeit jede Autorität übersteigt“ sei Abrahams ganz eigene Neuerung. Mithin bestehe die entscheidende geistige Innovation des ethischen Monotheismus auch nicht darin, dass es nur eine wahre Gottheit gebe, sondern eben darin, dass selbst diese „dem Moralgesetz unterworfen“ sei. Anders gesagt: Die Bibel hat mit Boehm eine universelle Idee des Menschen als einem Wesen, das für das „absolute Gesetz“ offen ist, für das es aber keinen Gott mehr braucht, nicht mal nur einen einzigen. Man muss nicht gläubig sein, um das für erstaunlich zu halten.
Trotzdem bleibt auch dem wohlwollenden Leser der Eindruck, dass das Buch höchstens nur ein halbes ist. Der Versuch, originell und mutig gegen den Partikularismus – die dunkle Seite der Identitätspolitik – zu argumentieren, ist ehrenwert und nötig. Eine so stichfeste Begründung für den „radikalen Universalismus“, wie Böhm zu liefern vorgibt, gelingt ihm aber nicht. Die Idee, einer metaphysischen, vollkommenen Idee von Gerechtigkeit in uns und über uns allen ist sehr schön, bleibt letztlich aber doch einen Hauch zu nebulös. Und ein klassischer Fehlschluss von einem Sollen auf ein Müssen. Man könnte umgekehrt einwenden: Merkwürdig aufwendige System wie Glauben, Religion oder der Rechtsstaat hat man sich gerade deshalb ausgedacht, um Gerechtigkeit ethisch plausibler und faktisch zwingender erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich ist!
Eher säkular-soziologisch gestimmte Kritiker haben Boehm entsprechend vorgeworfen, mit der Rechtfertigung eines Vorrangs der Wahrheit vor der Demokratie dem Fanatismus das Wort zu reden. Immerhin implizit in Kauf nimmt er ihn, kein Zweifel. Im Auftrag der wahren Gerechtigkeit muss in Boehms Logik alles erlaubt sein. Andererseits ist philosophisches Denken nun einmal nicht so intersubjektiv orientiert wie soziologisches. Vor allem aber gerät aus dieser Perspektive ein interessanter Impuls des Buchs völlig aus dem Blick: Boehm will gegenüber den Rechten die Pflichten wieder stärker machen. Dabei will er allerdings weder konservativ argumentieren noch liberal-demokratisch. Westliche liberale Demokratien sind auch für ihn „für immer auf der gewaltsamen Unterdrückung anderer gegründet“.
Sein radikaler Universalismus soll hier so etwas wie ein dritter Weg sein, ein neuer alter guter Grund für Gerechtigkeit. Und die einzige nicht-nihilistische Möglichkeit, die Gegensätze, die entstehen, wenn alle auf ihre Identitäten bestehen und die andere Seite dann nur noch „gecancelt“ sehen wollen, aufzulösen. In seinem Kern ist das so scharfsinnige und temperamentvolle Buch, mit dem sich Boehm zwischen alle Stühle setzt, vor allem der zutiefst humanistisch motivierte Versuch, die Menschen ideell wieder auf die „absolute Liebe zur Menschheit“ zu verpflichten, indem es daran erinnert, wie alt dieser Gedanke ist. Das ist – theoretisch jedenfalls – das Gegenteil von Fanatismus. Aber natürlich auch halsbrecherisch schwärmerisch.
JENS-CHRISTIAN RABE
Liberale und identitäre Linke
feiern die „Zerstörung
des Begriffs der Menschheit“
Omri Boehm: Radikaler Universalismus. Ist der Universalismus heute noch zu retten?. Propyläen Verlag 2022. Aus dem Englischen übersetzt von Michael Adrian. 176 Seiten. 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2024

Die Lösung Isaaks

Nicht nur textkritisch zweifelhaft: Omri Boehms Genesis-Redigat opfert der Genealogie seines Universalismus den für die Juden entscheidenden Bund Gottes mit Moses.

Mit seinem Buch über den "Radikalen Universalismus" (siehe zuletzt F.A.Z. vom 10. April) hat Omri Boehm ein fulminantes Plädoyer für einen ethischen Universalismus vorgelegt. Boehms Universalismus steht als absolute und abstrakte Wahrheit, als "metaphysische Menschheitsidee", vor und über allen angemaßten Pseudowahrheiten - als da sind identitäre Bewegungen, Liberalismus, ethnischer Nationalismus und anderes mehr. In seiner philosophischen Ausprägung steht er auch über der Demokratie und in seiner theologischen Spielart über Gott.

Philosophisch sei der radikale Universalismus erstmals von Immanuel Kant in seiner berühmten Schrift "Was ist Aufklärung" von 1784 formuliert worden. Kant sei der erste moderne Denker gewesen, der die "Idee der Menschheit" als moralischen Begriff definierte. Wir akzeptieren die Autorität der moralischen Gesetze nach Boehms Kant-Deutung aber nicht deswegen, weil Gott sie uns befohlen hat, sondern weil wir diese im Vollzug unserer Mündigkeit als selbstbestimmte Menschen erkennen und anerkennen.

Tatsächlich habe Kant aber, das ist nun Boehms Beitrag zu dieser Diskussion, nur etwas säkular-philosophisch gefasst, was bereits in der Hebräischen Bibel oder im sogenannten Alten Testament vorgegeben ist. Das Paradebeispiel, an dem Boehm diese Erkenntnis demonstriert, ist die Perikope von der "Opferung Isaaks" in Genesis 22, die im Deutschen besser "Erprobung Isaaks" genannt wird und im Hebräischen "Bindung Isaaks". Es ist dies die bis heute zutiefst verstörende Erzählung von Gott, der Abraham "auf die Probe stellte", indem er ihm befahl, seinen einzigen Sohn Isaak als Brandopfer darzubringen. Abraham folgt dem Befehl Gottes, bindet Isaak, legt ihn auf einen Altar und streckt seine Hand aus, um seinen Sohn zu "schlachten", wie es in der Terminologie des (späteren) Tempelopfers heißt.

Indem er das Opfer aber im letzten Moment nicht vollzieht, folge Abraham dem Moralgesetz in seinem inneren Kompass und verweigere sich dem göttlichen Befehl zum Menschenopfer. Diese überraschende Deutung gewinnt Boehm durch den Kunstgriff, schlicht die beiden Verse im Bibeltext zu streichen, in denen der Engel Gottes interveniert und Abraham befiehlt, seinen Sohn zu verschonen und stattdessen einen plötzlich aufgetauchten Widder zu opfern. Dadurch ergebe sich ein sehr viel flüssigerer und verständlicherer Erzählduktus.

Dieses Vorgehen Boehms, das in den meisten Besprechungen seines Buches als brillante philologische Rekonstruktion gerühmt wird, steht aber textkritisch auf äußerst wackeligen Füssen. Es stützt sich auf die Anwendung einer Prämisse, wonach sich aufgrund der unterschiedlichen Verwendung der Gottesnamen Elohim (meist mit "Gott" übersetzt) und JHWH (meist mit "der Herr" übersetzt) verschiedene Schichten des Bibeltextes nachweisen lassen - eine Prämisse, die nicht nur dem jüdischen Bibelverständnis fundamental widerspricht, sondern heute auch in der biblischen Exegese mit Recht problematisiert wird und in diesem konkreten Fall bei genauerem Hinsehen in tiefe exegetische Abgründe führt.

Durch seinen willkürlichen Eingriff gewinnt Boehm einen Text, in dem die Rettung Isaaks nicht durch göttliche Intervention bewirkt wird, sondern auf Abrahams mündigen und freien Entschluss zurückgeht, die Autorität eines willkürlich handelnden Gottes nicht zu akzeptieren. Damit macht er Abraham zum wahren Stammvater einer abrahamitischen, universalistischen und vorisraelitischen Religion und entsorgt nicht nur Mose als größten jüdischen Propheten, sondern auch noch den absoluten Anspruch des Monotheismus.

Mit der Erhebung des Abrahamsbundes zum alles entscheidenden Bund blendet Boehm den dritten Bund Gottes in der Bibel völlig aus: Nach dem Bund mit Noah (Gottes Selbstverpflichtung, keine Sintflut mehr über die Erde zu bringen) und dem Bund mit Abraham (Verheißung von Land und Nachkommen) ist aber dieser dritte Bund, der Sinaibund (Bund Gottes mit Mose und dem Volk Israel), der für das Judentum maßgebende Bund. Erst mit der Gabe der Torah (als Inbegriff des Gottesgesetzes) durch Gott am Sinai und ihrer Annahme durch Israel konstituiert sich das Volk Israel als Gottes auserwähltes Volk. Erst mit dem Sinaibund existiert das Judentum im eigentlichen Sinne, der Abrahamsbund ist nur ein Vorspiel. Mit seiner Priorisierung des Abrahamsbundes stellt Boehm die gesamte Taxonomie der Hebräischen Bibel auf den Kopf.

In einem letzten Schritt hofft Boehm, mit dem unbedingten Universalismus, der sich erstmals im Abrahamsbund artikuliert habe, einen Ansatz für die Lösung der politischen Probleme im Nahen Osten gefunden zu haben. Denn wenn beide, Israel und die arabischen Staaten, auf den von ihm rekonstruierten Abrahamsbund und den diesem zugrunde liegenden ethischen Universalismus zurückgreifen würden, ließe sich eine gemeinsame Basis für den von Boehm propagierten binationalen Staat finden, der allein den Stellungskrieg der zwei sich unversöhnlich gegenüberstehenden Identitäten überwinden könne.

Das ist eine Illusion. Bekanntlich nimmt der Islam Abraham als Stammvater für seine alt-neue Religion in Anspruch, die wahre und eigentliche Religion vor Judentum und Christentum. Und dieser Islam setzte und setzt seine Überzeugungen, wie wir in der Geschichte und gerade jetzt in Gaza und in Iran wieder sehen, nicht mit moralischen Appellen durch, sondern mit brutaler Gewalt. Die schiitische Variante des Islams praktiziert in Iran eine auf dem Koran gründende islamische Theokratie als seine höchste Vollendung, die jedem Universalismus Hohn spricht. Und die seit Langem staatstragenden religiösen Parteien Israels streben, manche mehr, manche weniger unverhohlen, nach einer auf der Torah des Sinaibundes gründenden jüdischen Theokratie.

Die Verbindung zwischen Kant und der Bibel, an der Boehm so gelegen ist, lässt sich gewiss herstellen. Dass aber ausgerechnet die Bindung Isaaks dafür herhalten muss, ist fragwürdig. Diese Bibelerzählung ist und bleibt der Grundtext für Abrahams unbedingtes Vertrauen auf Gott. Mein Vorschlag an den Philosophen: Wie wäre es mit dem sogenannten Sündenfall in der Paradiesgeschichte? Auch dafür gibt es einen Vergleichstext bei Kant. PETER SCHÄFER

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"Sein 'Radikaler Universalismus' ist der Idealfall einer intellektuellen Einmischung; sie ist dicht geschrieben und trotzdem von großer Klarheit" Thomas Assheuer Die Zeit